Fidelma dachte einen Augenblick nach. »Wir wissen, was Clydog tut, aber ich wurde gern wissen, wer er ist.«
Gwnda war verblufft. »Wer er ist?«
»Dieser Rauber ist doch sicher nicht plotzlich aus dem Nichts aufgetaucht, oder?«
Der Furst von Pen Caer nickte bedachtig. »So ist es aber gewesen.«
»Du meinst, da? er nicht aus dieser Gegend stammt?«
»Nicht da? ich und die anderen das wu?ten.«
»Wenn er nicht von hier ist, wieso kennt er sich dann so gut aus, da? er den Kriegern des Konigs entkommen konnte?« hielt Eadulf ihm entgegen.
Gwnda schnaubte mi?billigend. »Das ist eine gute Frage, angelsachsischer Bruder. Wirklich eine gute. Doch niemand, dem Clydog bisher begegnet ist, konnte ihn mit jemandem von hier in Verbindung bringen. Vielleicht wei? einer seiner Leute hier so gut Bescheid.«
Fidelma war enttauscht. Sie war sich sicher gewesen, da? Clydog aus Pen Caer stammte, und hatte gehofft, da? ihn seine Herkunft irgendwie mit ihrem ratselhaften Fall in Verbindung bringen wurde.
Da betrat Buddog wieder den Raum. »Die Gaste konnen nun ihr Bad nehmen, Furst«, verkundete sie. »Doch wir haben keine frischen Sachen, die fur die beiden frommen Leute angemessen waren. Vielleicht nehmen die Schwester und der Bruder aber mit unseren normalen Kleidern vorlieb, bis ihre gewaschen sind.«
Langsam erhob sich Fidelma. »Das tun wir gern. Danke fur deine Gastfreundschaft, Gwnda.«
Als Buddog wieder fort war, standen auch der Furst und Eadulf auf. »Ich hoffe aufrichtig, da? die Angelegenheit, die euch herfuhrte, so rasch wie moglich aufgeklart wird«, sagte der Furst.
»Das hoffen wir auch, Gwnda«, erwiderte Fidelma feierlich. »Es mag jedoch einige Zeit dauern. Denn du mu?t wissen . Bruder Meurig ist verschwunden.«
Eadulf hatte schon gespannt darauf gewartet, in welchem Moment Fidelma damit auftrumpfen wurde.
Gwndas Gesichtsausdruck veranderte sich nur langsam. Dann schuttelte er sich wie ein zottiger Hund. »Bruder Meurig ist tot?«
»Er liegt tot im Wald«, erklarte ihm Fidelma.
Gwnda seufzte. »Ermordet, meinst du? Warum hast du mir das nicht sofort mitgeteilt?«
»Du hast gesagt, du wu?test weder, wohin Bruder Meurig unterwegs war, noch wann er wiederkommt. Was hattest du mir denn erzahlt, wenn du schon vorher von seinem Tod gewu?t hattest?«
»Nichts, nur .«
»Nur?«
»Sein Tod lastet schwer auf meinem Gewissen. Vielleicht hatte ich ihn vor seinem Aufbruch nachdrucklicher warnen sollen. Ich hatte dieses Verbrechen verhindern konnen.«
Fidelma und Eadulf sahen sich an. »Ihn warnen sollen? Den Mord verhindern konnen? Das klingt ja, als wu?test du weit mehr uber Bruder Meurigs Ermittlungen, als du uns verraten hast?«
»So ist es nun wieder nicht.«
»Ach? Du beharrst darauf, da? du nicht wu?test, was er auskundschaften wollte, aber du hattest ihn davon abhalten konnen, sich auf den Weg zu machen, und so seinen Mord verhindern konnen?« Fidelmas Stimme klang zynisch.
Gwnda suchte nach einer Rechtfertigung. Er blieb dabei: »Ich hatte es verhindern konnen. Am besten, ich breche sofort mit ein paar Mannern zur Hutte auf und hole Bruder Meurigs Leiche her.«
»Ehe du losgehst, bist du uns noch ein paar Erklarungen schuldig, glaube ich«, sagte Fidelma leise.
»Was soll ich da erklaren? Bevor Bruder Meurig sich verabschiedete, hatte ich ihn auffordern sollen, sich lieber allein auf den Weg zu machen. Das ist alles.«
»Allein?« Fidelma legte die Stirn in Falten. »Willst du etwa sagen, da? er in Begleitung eines anderen von hier losgegangen ist?«
»Habe ich das nicht schon gesagt?«
Fidelma atmete in ihrer Wut horbar aus. »Im Namen der Heiligen, verrate uns endlich, wer Bruder Meurig begleitet hat und warum du meinst, da? diese Person fur seinen Tod verantwortlich ist!«
»Nun, er ist mit dem Morder von Mair losgezogen.«
»Mit Mairs Morder?« wiederholte Eadulf.
»Der Junge, Idwal. Er ist mit Idwal aufgebrochen.«
Eine Stunde spater hatten sich Fidelma und Eadulf durch ein Bad erfrischt und saubere Kleider angelegt. Buddog teilte ihnen mit, da? Gwnda sie in der gro?en Halle erwartete.
Gwnda wartete tatsachlich auf sie.
»Ich habe zwei meiner tuchtigsten Jager und Fahrtenleser ausgeschickt, die nach Spuren von Idwal suchen sollen«, erklarte er. »Doch er hat fast einen Tag Vorsprung, und wir werden erst morgen beim ersten Tageslicht seine Verfolgung aufnehmen konnen. Wie es aussieht, beweist Bruder Meurigs Tod die Schuld des Jungen nun endgultig.«
»Da? der Junge mit Bruder Meurig zusammen losging, ist kein Beweis dafur, da? er Mair oder Meurig ermordet hat.«
Gwnda starrte sie offenen Mundes an, dann lachte er finster. »Schwester, du bezweifelst jetzt doch sicher nicht mehr, da? der Junge schuldig ist?«
»Da sind immer noch viele Fragen offen. Aber du hast recht, Idwal mu? gefunden werden. Ich hoffe, da? deine Leute ihn unversehrt herbringen, sobald sie ihn haben?«
»Sie wissen, da? sie einen Morder verfolgen. Sie werden entsprechend handeln«, erwiderte Gwnda.
»Bruder Meurig war ein
»Beim heiligen Kreuz, das tust du nicht!« entgegne-te Gwnda ihr mit gro?er Bestimmtheit.
Fidelma erwiderte seinen Blick, ohne eine Miene zu verziehen. »Stellst du etwa meine Autoritat in Frage?« Ihre Stimme war ganz sanft. Eadulf wu?te, da? das am gefahrlichsten war.
»Hier besitzt du keine Autoritat. In dieser Angelegenheit sowieso nicht.«
»Ich verfuge uber eine Vollmacht des Konigs Gwlyddien von Dyfed«, widersprach Fidelma ihm.
»Nein, das stimmt nicht.«
Fidelma ri? unglaubig die Augen auf. »Bruder Meurig hat es dir bei unserem Eintreffen mitgeteilt. Du hast das zu dem Zeitpunkt akzeptiert.«
Gwnda schuttelte den Kopf. »Konig Gwlyddien hat dich nur mit den Ermittlungen zum Verschwinden der Klostergemeinschaft von Llanpadern beauftragt.
Er hat Bruder Meurig hergeschickt, um Idwals Schuld zu untersuchen. Ich bin Furst von Pen Caer, und ich werde in diesem Fall entscheiden.«
Fidelma mu?te schlucken. Er hatte recht, wenn man das Gesetz genau nahm. Sie war hier nicht zustandig. Ihr wurde bewu?t, da? sie nachgeben mu?te.
»Wenn das so ist, mu? ich dich instandig bitten, mich weiter ermitteln zu lassen, Gwnda. Ich glaube, da? hier ein Unrecht geschieht.«
»Du hast die Befugnis, in Llanpadern zu ermitteln, und mehr nicht«, erwiderte Gwnda entschlossen. »Ihr seid heute nacht noch meine Gaste. Ich nehme an, da? ihr morgen zur Abtei Dewi Sant aufbrechen wollt. Bis dahin rate ich euch, euch nicht zu weit aus dem Schutz meines Hauses zu entfernen.«
Fidelma kniff die Augen zusammen. »Das klingt ja beinahe wie eine Drohung, Gwnda?« Wieder einmal nahm Eadulf den gefahrlich leisen Ton in ihrer Stimme wahr.
Gwnda wirkte unbeeindruckt. »Meine Worte haben absolut nichts Bedrohliches an sich, Schwester. Ich warne euch nur um deiner Sicherheit und der deines angelsachsischen Begleiters willen.«
»Das kommt mir aber sehr wie eine Drohung vor«, warf Eadulf verbittert ein.
»Wenn sich Bruder Meurigs Tod erst einmal herumgesprochen hat, werden viele hier sehr aufgebracht sein. Die Tatsache, da? Idwal Mair umgebracht hat, haben die meisten in Llanwnda so hingenommen. Jetzt sieht es so aus, als hatte er auch Bruder Meurig auf dem Gewissen. Die Leute werden sich daran erinnern, da? ihr sie davon abgehalten habt, Rache an Id-wal zu nehmen. Waret ihr nicht eingeschritten, so ware Meurig noch am Leben.«
»Wir haben den Mob nicht vom Mord abgehalten«, berichtigte ihn Eadulf. »Bruder Meurig war es, der dieser vorschnellen Handlung Einhalt gebot.«