Gwnda lachelte leicht. »Bruder Meurig hat den Preis fur seinen Fehler zahlen mussen. Doch wenn ihr nun in Llanwnda herumlauft, konnte sich jemand daran erinnern, da? ihr mit ihm zusammen gewesen seid und gemeinschaftlich die Schuld an dem nachsten Mord tragt.«
»Das ist ein vollig absurder Gedanke«, entgegnete ihm Fidelma entschieden.
»Ich spreche naturlich nicht fur mich, sondern fur meine Untergebenen«, sagte Gwnda ausweichend. »Die Leute hier handeln eher absurd, wenn es um Rache geht.« Er drehte sich zur Tur um. »Wenn ihr noch etwas benotigt, so lautet mit der Handglocke. Buddog wird euch zu Diensten sein.«
Sie horten, wie sich seine Schritte entfernten und wie kurze Zeit darauf ein Pferd den Stall verlie?.
Eadulf war vollkommen resigniert. »Das war es dann! Morgen kehren wir zur Abtei Dewi Sant zuruck. Zumindest konnen wir ...«
Fidelmas verachtlicher Blick hie? ihn schweigen. »Meinst du etwa, da? ich einfach davonlaufe?«
»Ich schatze nicht.«
»So ist es.«
»Was hast du also vor?«
»Noch nie habe ich mich von einem Fall zuruckgezogen, zu dem ich hinzugerufen wurde. Das werde ich auch jetzt nicht tun.«
»Dann wirst du um die Vollmacht von Konig Gwlyddien ersuchen mussen, damit du gegenuber dem Fursten von Pen Caer etwas in den Handen hast.«
Sie blickte ihn an und lachelte. Wie gewohnlich besa? Eadulf die Gabe, immer das Praktische ins Auge zu fassen. Eadulf ahnte, woran sie dachte, und stohnte innerlich.
»Du willst, da? ich zur Abtei Dewi Sant reite und um die Vollmacht von Konig Gwlyddien ersuche?«
Sie nickte und fugte hinzu: »Das ist unsere einzige Chance.«
»Habe ich noch Zeit, vorher etwas zu essen?« fragte er verdrie?lich.
»Aber sicher. Und zu schlafen. Ich glaube, das beste ist, wenn wir so tun, als wurden wir morgen beim ersten Tageslicht gemeinsam aufbrechen. Ich werde mir dann irgendwo in der Nahe von Llanwnda eine Unterkunft suchen, wahrend du zur Abtei reitest. Wenn du dich beeilst, konntest du innerhalb von vierundzwanzig Stunden zuruck sein.«
»Was wirst du die ganze Zeit uber machen?« fragte Eadulf. »Du wirst dich nicht gro? drau?en zeigen und Ermittlungen anstellen konnen, und du darfst dich nicht in Gefahr begeben und etwa unserem Freund Clydog und seiner Bande in die Hande fallen.«
Fidelma sah trubselig drein. »Da passe ich schon auf. Aber du hast recht, viele Freiheiten habe ich nicht bis zu deiner Ruckkehr.«
»Ich glaube, wir sollten den Plan noch einmal uberdenken«, fuhr Eadulf fort. »Uber Idwal wirst du absolut niemanden befragen konnen. Au?erdem hat Gwnda ja recht, wie du wei?t.«
Sie blickte ihn herausfordernd an. »Recht? In welcher Beziehung?«
»Die Sache mit Idwal geht uns eigentlich nichts an. Unsere Aufgabe ist es ...«
Sie hob die Hand und gebot ihm zu schweigen. »Erspare mir, was ich schon hundertmal horen mu?te«, zischte sie. Doch dann lachelte sie ihn reumutig an. »Tut mir leid, Eadulf, aber das hast du mir bereits vorher erklart - mehrere Male.«
Er mu?te ihr kleinlaut beipflichten. »Aber Tatsachen bleiben Tatsachen, ganz gleich, wie oft man sie wiederholt«, rechtfertigte er sich.
»Tatsache ist, da? ich langsam glaube, alles, was hier geschieht, steht in irgendeinem Zusammenhang miteinander. Ich mochte wissen, in welchem.«
»Es ist nicht das erstemal, da? du andeutest, eine Verbindung zwischen all den Vorfallen zu sehen. Wie kommst du darauf? Ich habe dafur bisher keine Anhaltspunkte entdeckt.«
»Ich spure es.«
»Du verla?t dich doch aber sonst nicht auf deine Intuition.«
»Ich verlasse mich auch nicht darauf, wie du sehr gut wei?t. Doch Brehon Morann hat oft gesagt, da? das Herz und die Gefuhle die Dinge erkennen, noch ehe der Kopf dazu in der Lage ist.«
»Und haufig machen Herz und Gefuhle blind, wohingegen der Verstand den Weg zeigt«, murrte Eadulf.
»Ich dachte, wir konnten zusammenarbeiten«, ent-gegnete nun Fidelma, von sich selbst uberrascht. »Statt dessen streiten wir uns die ganze Zeit. Was ist mit uns geschehen, Eadulf?«
Eadulf wurde klar, da? sie recht hatte. Seit sie in dieses verfluchte Land Dyfed gekommen waren, hatte es zwischen ihnen standig Reibereien gegeben. Nicht da? ihnen Streit fremd war. Sie hatten sich oft gestritten, doch jeder hatte dem anderen weiterhin Respekt gezollt. Und beide hatten ihren Sinn fur Humor behalten. Fidelma neckte Eadulf oft wegen ihrer unterschiedlichen Ansichten uber den Glauben und ihrer unterschiedlichen philosophischen Grundsatze. Doch das war immer ein freundliches Geplankel gewesen, das nie etwas Feindseliges hatte. Doch nun, nun . Was stimmte da nicht? Eine zunehmende Bitterkeit schwang in ihren Worten mit.
Nachdenklich rieb er sich das Kinn.
»Ich glaube, es liegt an der Atmosphare hier, Fidelma«, antwortete er leise. »Ich spure, wie bedruk-kend sie ist.«
»Du warst dusterer Stimmung, seit wir in Dyfed an Land mu?ten. Vielleicht hatte ich das nicht einfach ubergehen sollen. Vielleicht hatten wir wirklich in Porth Clais auf das nachste Schiff warten sollen.«
Eadulf wu?te, da? sie nicht glaubte, was sie da von sich gab. Sie war hier in ihrem Element, sie ging diesem ratselhaften Fall nach. Ihr das zu verwehren wurde bedeuten, ihr ihr Lebenselixier zu nehmen.
»Das liegt alles blo? an mir«, sagte er nach einer Weile. »Ich bin ja derjenige, der hier Trubsal blast.«
Fidelma blickte ihn rasch an, um zu sehen, ob er das aufrichtig meinte. Dann schuttelte sie den Kopf. »Ich glaube, die Schwierigkeiten haben mit meiner Entscheidung am Loch Garman begonnen, als unser Schiff dort lossegelte.« Ihre Stimme war ganz emotionslos.
Eadulf pre?te die Lippen aufeinander. Er sagte nichts.
Fidelma wartete einen Moment, und als er immer noch schwieg, fuhr sie fort: »Die Weisen sagen
»Auf diesem Land lastet ein Fluch«, stie? Eadulf zornig hervor.
»Ein Fluch?« Fidelma mu?te lacheln. »Ich habe noch nie erlebt, da? du dich auf den Aberglauben deines Volkes berufst, Eadulf.«
Eadulf errotete. Ihm war durchaus bewu?t, da? die meisten Christen aus anderen Landern die erst kurzlich zum neuen Glauben bekehrten Angeln und Sachsen nicht fur echte Christen hielten. Er dachte an die Leiche des toten Hwicce in dem Sarkophag in Llan-padern und das Gerucht uber ein sachsisches Schiff, das auf Beutezug war. Er wu?te wohl, wie sehr die Britannier in diesen Konigreichen die Angeln und Sachsen ha?ten. Er hatte bisher immer das Gefuhl gehabt, uber den Schandtaten seines Volkes zu stehen, die sie in dem jahrhundertelangen blutigen Kampf zur Vertreibung der Britannier nach Westen begangen hatten. Die sachsischen Kriege hatten nichts mit ihm zu tun, meinte er. Die sollten lieber von der Kirche verurteilt werden, er hatte keinen Anteil daran. Da? Fidelma ihn in Verbindung brachte mit .
Seine finsteren Gedanken wurden unterbrochen. Jemand hatte den Raum betreten und kam auf den Tisch zu, an dem sie sa?en. Es war Buddog.
»Ich bin gekommen, um den Tisch zu decken«, verkundete die Haushalterin leise und nahm Teller von einem Holztablett.
Fidelma beobachtete die strenge, verschlossene Frau mi?trauisch. »Wei?t du schon das Neueste?«
Buddog fuhr mit ihrer Arbeit fort. »Was Bruder Meurig betrifft? Ja, das habe ich gehort.«
»Gwnda behauptet, da? der Richter von Idwal umgebracht wurde.«
»Das geht mich nichts an.«
»Ich kann mich erinnern, da? du das letztemal, als wir hier waren, Bruder Meurig zu verstehen gegeben hast, da? Idwal ein wenig Mitleid verdient hatte.«
»Das habe ich nicht gesagt«, erwiderte Buddog schroff.
»Was hast du denn gesagt?«
»Ich sagte, falls Idwal Mair umgebracht hat, hatte sie es auch verdient.«
»Ach ja«, bemerkte Fidelma. »Das stimmt. Deiner Meinung nach war sie flatterhaft und hat den Mannern den Kopf verdreht. Wieso war das so? Welche Grunde hattest du, so zu reden?«