»Wahrscheinlich nicht«, stimmte ihm Fidelma zu. »Deshalb mochte ich nach wie vor, da? du zur Abtei Dewi Sant reitest, um Gwlyddiens Vollmacht zu erbitten. Gwndas Verbot mu? entkraftet werden. Doch horen wir erst mal, was Iorwerth zu Idwals Tod zu sagen hat.«
»Ich mochte dich hier nicht allein lassen«, meinte Eadulf bedruckt.
»Die Erlaubnis von Gwlyddien ist jetzt um so dringlicher.«
Wahrend sie durch die Ortschaft zur Schmiede liefen, begegneten ihnen verschiedene Leute. Es war spater Nachmittag, die Abenddammerung kundigte sich langsam an. Die meisten vermieden es, ihnen in die Augen zu schauen. Sie senkten die Kopfe und zogen sich in ihre Behausungen zuruck.
»Der rasende Mob hat sich wohl beruhigt«, kommentierte Eadulf zynisch. »Jetzt wird ihnen bewu?t, da? sie personliche Schuld tragen an der Ermordung eines Mitmenschen.«
»Diese Schuld qualt sie ein, zwei Tage, dann haben sie fur ihre Tat Ausfluchte und Rechtfertigungen gefunden«, sagte Fidelma.
Vor Iorwerths Schmiede stand ein Pferd. Ein Junge, der ihnen vertraut schien, stieg ab und loste eine schwere Satteltasche. Als er sich umdrehte, erkannte Fidelma Goffs Sohn wieder.
»Dewi!«
Der junge Bursche begru?te sie mit einem Lacheln. »Ich dachte mir schon, da? ich euch hier treffen wurde«, sagte er.
»Was fuhrt dich denn zu Iorwerths Schmiede?« fragte Eadulf, der auf die schweren Satteltaschen blickte.
»Mein Vater hat Iorwerth versprochen, da? er ihm Gold schickt zum Bearbeiten. Ich uberbringe es ihm gerade.«
»Hast du was dagegen, Gwyddel?« wurden sie von einer barschen Stimme angefahren.
Iorwerth stand in der Tur der Schmiede, lie? die Muskeln seiner Arme spielen, in einer Hand hielt er eine Zange, die recht drohend auf und zu schnappte.
Fidelma lachelte freundlich. »Warum sollte ich etwas dagegen haben?«
Iorwerth wirkte beunruhigt. »Was habt ihr hier verloren?« fragte er.
»Wir wollen uns mit dir unterhalten. Aber du kannst zuerst ruhig deine Geschafte mit Dewi abwik- keln.«
Iorwerth blickte voller Zweifel von Fidelma auf Dewi und wieder zuruck. »Woher kennst du diese Gwyddel, Dewi?« fragte er murrisch.
»Wir haben Dewi heute vormittag in der Schmiede seines Vaters getroffen«, warf Fidelma unschuldig ein. »Stort dich das? Willst du noch etwas anderes wissen?«
Iorwerth sah sie mit finsterem Blick an, er war sich nicht sicher, was er antworten sollte.
»Kannst du lesen, Iorwerth?« war ihre nachste unerwartete Frage.
Iorwerth verzog das Gesicht. »Das Lesen liegt mir nicht«, brummte er.
»Wie schade. Dyfed ist allerorts bekannt dafur, ein gebildetes Konigreich zu sein. Doch vielleicht kann Dewi lesen ...?«
Der junge Mann errotete ein wenig vor Scham. »Pater Clidro hat mir etwas Lesen beigebracht«, gestand er.
Mit ernster Miene holte Fidelma ein Stuck Pergament aus ihrem
Iorwerth kniff die Augen zusammen, sein Arger hielt an.
Der Junge nahm das Pergament und las es rasch durch. »Das hast du auch meinem Vater gezeigt. Es ist eine Vollmacht von Konig Gwlyddien.«
»In der was steht?« drangte ihn Fidelma.
»Da? du mit seiner Befugnis handelst und jedem geraten wird, mit dir zusammenzuarbeiten .«
Rasch langte Fidelma nach dem Pergament. »Begreifst du das, Iorwerth?« fragte sie.
Eadulf mu?te ein Lacheln unterdrucken. Sie hatte dem Jungen das Pergament schnell entzogen, so da? er nicht hatte weiterlesen konnen, da? sich diese Zusammenarbeit ausschlie?lich auf die Ermittlungen im Fall von Llanpadern bezog.
Der Schmied schob trotzig den Unterkiefer vor.
»So steht es hier geschrieben, Iorwerth, und ich habe das konigliche Siegel schon haufig in der Abtei Dewi Sant gesehen, wenn ich die Schmiedearbeiten meines Vater hinbrachte«, rechtfertigte sich Dewi.
Iorwerth zogerte immer noch, dann gab er sich geschlagen. »Wenn das da so geschrieben ist, werde ich dir Rede und Antwort stehen.«
»Sobald du deine Geschafte mit Dewi erledigt hast«, erklarte ihm Fidelma, »werden wir uns in deinem Haus miteinander unterhalten.«
Der Junge nahm die Satteltasche von der Schulter und reichte sie Iorwerth. »Wir sind gleich fertig, Schwester«, verkundete er. »Ich will nur das Rohgold ubergeben, das mein Vater Iorwerth versprochen hat.«
Iorwerth nahm die Tasche entgegen und schuttete Metallstucke aus, die eher wie Steinklumpen als wie kostbares Gold aussahen.
»Ausgezeichnet«, bemerkte Iorwerth, als er sie begutachtete. »Alles wie vereinbart. Ubermittle deinem Vater herzliche Gru?e, Dewi.«
Der Bursche verabschiedete sich hoflich und wandte sich zu seinem Pferd um, wahrend Iorwerth zu Fidelmasagte: »Ihr konnt nun eintreten und sagen, was ihr von mir wollt.«
Gerade als Fidelma der Aufforderung Folge leisten wollte, sagte Eadulf: »Ich komme gleich nach. Ich mu? noch mal mit Dewi reden.«
Neugierig zog Fidelma eine Augenbraue hoch. Eadulf hatte ihren Blick bemerkt und deutete mit dem Kopf auf eine Ecke von Iorwerths Schmiede. Fidelma konnte ihre Uberraschung eben noch verbergen. Dort stand eine Strohpuppe, die genau der glich, die sie zuvor in der Kapelle von Llanpadern entdeckt hatten.
»Nun, Schwester?« fragte Iorwerth und fuhrte sie in seine kleine Behausung. Darin war es unangenehm eng und dunkel. Fidelma mu?te sich ein wenig buk-ken, denn sie war eine hochgewachsene Frau. Ihr Kopf stie? fast an die niedrigen Balken. Das Feuer verbreitete eine stickige Warme. Fidelma wartete nicht erst darauf, da? Iorwerth ihr einen Platz anbot, sie wu?te, da? sie da vergeblich warten wurde.
»Was willst du also?« fragte er schroff.
»Wir wollen mit dir uber Idwal reden.«
»Aber Gwnda hat doch gesagt .«
Fidelma sah ihn mit eisigem Blick an.
»Ja? Was hat Gwnda gesagt?«
Iorwerth zuckte ein wenig mit der Schulter. »Der Mordfall an meiner Tochter ist geklart.«
»Das stimmt nicht. Du hast gehort, da? ich eine Vollmacht von Konig Gwlyddien habe, oder? Die Sache ist erst erledigt, wenn ich es ausdrucklich sage.«
»Idwal hat meine Tochter ermordet, und er hat Bruder Meurig ermordet .«
»Und du hast ihn ermordet?« beendete Fidelma seinen Satz. In diesem Moment trat Eadulf herein und stellte sich hinter sie.
»Ich habe nichts damit zu tun«, widersprach Ior-werth, »nicht so, wie du es meinst. Die Leute haben ihn getotet.«
»Ach.« Fidelma lachelte. »Die Leute . Sag mir doch, wie das vor sich ging.«
»Als Gwnda uns mitteilte, da? Bruder Meurig erschlagen in der Waldhutte liegt, wu?ten wir alle sofort, da? es Idwal gewesen ist. Schlie?lich hat er meine Tochter vergewaltigt und umgebracht. Hattet ihr und Bruder Meurig nicht eingegriffen, so hatte die Gerechtigkeit schon vorher ihren Lauf genommen.«
Fidelma beschlo?, jetzt nicht weiter darauf einzugehen. »Du hast mir immer noch nicht erklart, wie es dazu kam.«
»Ich ahnte, da? sich der Junge bei der alten Eiche nicht weit von der Hutte im Wald verbarg.«
»Woher wu?test du von dieser Stelle?« fragte Fidelmagespannt.
»Der Junge hatte feste Gewohnheiten. Als Kind hatte er dort gespielt. Mit Mair und Elen und den anderen Kindern.«
»Weiter.«