»Mair war durchtrieben. Launisch. Sie wickelte die Manner um den Finger. Sie konnte mit ihnen anstellen, was sie wollte.«

»Richtig, jetzt fallt es mir wieder ein. Doch damit sagst du, da? sie kaum noch Jungfrau war, wofur sie ihr Vater ja hielt.«

»Was wu?te denn Iorwerth schon davon, was Mair tat? Eine schone Jungfrau, wirklich«, warf Buddog hohnisch ein. »Sie hat die Begierden der Manner als Waffe gegen sie eingesetzt.«

»Du scheinst sie ja sehr gut gekannt zu haben. Jedenfalls besser als ihr Vater«, meldete sich Eadulf zu Wort.

»Ich kannte sie. Sie war oft genug hier.«

»So. Sie war ja Elens Freundin, nicht wahr? Doch was die mannlichen Begierden betrifft - wer waren denn ihre Opfer? Meinst du Idwal damit?«

»Und andere.«

»Welche anderen?«

Da offnete sich die Tur. Ein attraktives dunkelhaariges Madchen trat ein. Eadulf brauchte einen Moment, ehe er sich besann, da? es sich um Elen handelte, die Tochter von Gwnda, Furst von Pen Caer. Sie zogerte, als sie Buddog erblickte. Die Dienerin nutzte die Gelegenheit, den Raum mit gesenkten Augen zu verlassen.

»Stimmt es?« waren die ersten Worte, die Elen fast au?er Atem hervorbrachte. »Stimmt es, da? Bruder Meurig ermordet wurde und da? ihr nach Idwal sucht, der ihn aus Rache umgebracht haben soll?«

Fidelma bedeutete dem Madchen, sich auf einen Stuhl neben sie zu setzen. Elen befolgte ihre wortlose Aufforderung und nahm Platz. Dann wiederholte sie noch einmal mit Nachdruck ihre Frage. »Stimmt es?«

»Es stimmt, da? Bruder Meurig in der Waldhutte erschlagen wurde. Doch es ist nicht wahr, da? wir nach Idwal suchen lassen, weil er der Morder sein soll. Dein Vater hat uns klargemacht, da? wir in dieser Sache keinerlei Einflu? haben. Trotzdem wurden wir gern Idwal finden, sei es auch nur um seiner eigenen Sicherheit willen.«

Eine Weile schwieg das Madchen. »Bruder Meurig hat mir erzahlt, da? du eine beruhmte Richterin aus Cashel bist.«

»Wann hast du mit Bruder Meurig gesprochen?«

Das Madchen spitzte nachdenklich die Lippen. »Er stellte mir gestern ein paar Fragen, ehe ich losgegangen bin.«

»Du bist fortgegangen?«

»Ich bin soeben aus Cilau zuruck und habe im Ort von seinem Tod erfahren.«

»Cilau?« Fidelma uberlegte laut. »Ich glaube, diesen Namen schon einmal gehort zu haben.«

»Das ist eine kleine Siedlung hier in der Nahe. Dort wohnt eine Cousine von mir«, erklarte das Madchen. »Mittags bin ich von da weg, um noch vor Einbruch der Dunkelheit zuruck zu sein.«

»Hast du gewu?t, da? Bruder Meurig in den Wald wollte?«

»Ja, er wollte heute vormittag dort hin, um sich die Stelle anzuschauen, wo Mair zu Tode kam«, antwortete Elen.

»Wu?test du auch, da? er Idwal mitnehmen wollte?«

»Wer sonst sollte ihm genau den Ort zeigen konnen, wo es passiert ist?«

»Wenn ich mich recht besinne, warst du nicht der Meinung, Idwal hatte deine Freundin Mair getotet, nicht wahr?«

»Idwal kann niemandem etwas zuleide tun. Du hast dich mit ihm unterhalten, also wirst du wissen, da? er ein unbedarfter Junge ist. Unbedarft, aber nett . Und er ist so freundlich. Manchmal, wenn ein Schaf oder ein Lamm, das zu seiner Herde gehort, vom Fels absturzt und sich verletzt, dann bringt er es kaum uber sich, ihm den Gnadensto? zu versetzen. Nur der Gedanke, da? das Leben des Tieres mit der Verletzung qualvoller ist als der Tod, kann ihn dazu bewegen.«

»Du hast Idwal also richtig gern?« fragte Fidelma ermunternd.

»Ich wei?, da? er Mair nicht hatte umbringen konnen.«

»Wei?t du auch, da? dein Vater uberzeugt ist, der Mord an Bruder Meurig gehe ebenfalls auf sein Konto?«

»Mein Vater hat Idwal noch nie leiden konnen. Ich glaube, da? er Bruder Meurig genausowenig hatte umbringen konnen wie Mair.«

»Du scheinst mehr mit dem Herzen als mit dem Verstand zu entscheiden«, warf Eadulf trocken ein.

Fidelma wu?te, da? seine Worte eher an sie gerichtet waren. Sie sah ihn rasch an, aber ihr Gefahrte schaute weg.

»Ehe wir aufbrechen, wurde ich gern noch etwas anderes von dir wissen, Elen«, sagte Fidelma. »Bud-dog mochte deine Freundin Mair wohl uberhaupt nicht? Wie lange ist sie schon bei euch im Haus?«

»Sie war schon vor meiner Geburt hier«, erklarte Elen. »Die arme Buddog.«

»Warum?«

»Sie ist die Geliebte meines Vaters. Doch ich glaube, da? mein Vater ihrer inzwischen uberdrussig ist.«

Das erklart einiges an Buddogs Verhalten, dachte Fidelma.

»Elen, wie gut kennst du Idwal eigentlich?«

Das Madchen zogerte ein wenig, ehe ihr der tiefere Sinn von Fidelmas Frage bewu?t wurde. Ihre Augen wurden gro?er. »Ich bin keine ...«, sie zogerte, »... zwischen uns ist nichts weiter, nichts Sexuelles. Wird es auch nie geben. Er ist vier Jahre alter als ich, ein einfacher, freundlicher Junge, den viele bemitleiden, weil er keine Eltern hat. Ein Schafer zog ihn auf . Ie-styns Bruder, aber ich habe seinen Namen vergessen.«

»Wir kennen Idwals Geschichte«, mischte sich Eadulf nun ein. »Deine Beziehung zu ihm ist also nicht tiefer?«

Das Madchen errotete vor Arger. »Wie ich schon sagte.«

»Es ist irgendwie eigenartig«, sprach Fidelma langsam, »da? du so fest von Idwals Unschuld uberzeugt bist und deine Meinung nur auf deinen Gefuhlen zu dem Jungen beruht. Moglicherweise sind wir alle unter bestimmten Umstanden zu einem Mord fahig. Ich will damit sagen, im Affekt oder wenn uns eine Notwendigkeit dazu zwingt, die starker als unsere Moral ist ...«

»Ich kann mir keinen Umstand vorstellen, bei dem Idwal derart au?er sich geraten konnte, da? er einen Mord beginge«, erwiderte Elen uberzeugt.

Nachdenklich betrachtete Fidelma das Madchen. Sie schien offen und ehrlich zu sein. »Erzahl mir mehr von deiner Freundin Mair.«

Einen Moment war Elen offenbar mit sich im Zwiespalt. »Was willst du noch wissen?«

»Wie lange kanntest du sie schon?«

»Wir sind zusammen aufgewachsen. In diesem kleinen Ort hier kennt jeder jeden. Mair und ich waren die einzigen beiden Madchen gleichen Alters und sahen uns sogar sehr ahnlich. Fremde hielten uns manchmal fur Schwestern.«

»Ich glaube, da? du noch aus einem anderen Grunde wei?t, da? Idwal unschuldig ist an dem Verbrechen ... Aus einem anderen Grund als nur dem vagen Gefuhl in deinem Herzen.«

Fidelmas Vermutung kam selbst fur Eadulf unvermittelt und uberraschend.

Elen schwieg, also fuhr Fidelma fort: »Als man Id-wal beschuldigte, Mair vergewaltigt und ihr die Jungfraulichkeit genommen zu haben, da wu?test du, da? es nicht stimmen konnte, nicht wahr?«

Das Madchen zuckte nur mit der Schulter. »Mair war nicht mehr Jungfrau«, bestatigte sie. »Das hatte sie mir schon vor vielen Monaten gesagt.«

»Wenn Mair einen Geliebten hatte, hei?t das, man kann kein Geld mehr fur den Verlust ihrer Jungfraulichkeit einfordern, so wie es ihr Vater nun tut, das ware gegen das Gesetz.«

»Wie hast du von Mairs Liebhaber erfahren?« fragte Elen neugierig.

»Idwals Worte haben es mir verraten, ohne da? er es ausgesprochen hatte.«

»Idwal ist nicht gerade geschickt darin, ein Geheimnis zu bewahren«, bemerkte Elen. »Hat er gesagt, wer Mairs Liebhaber war?«

»Er hatte uns nicht einmal gesagt, da? Mair einen Geliebten hatte, wenn ich es nicht mit einer List aus ihm herausgeholt hatte«, erwiderte Fidelma. »Den Namen wollte er auch nicht nennen. Er sagte, er hatte Mair geschworen, zu schweigen. Sie wollte, da? er fur sie eine Nachricht uberbrachte. Idwal straubte sich. Die Nachricht war offenbar fur ihren Liebhaber.«

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