»Umgebracht?« Der Bauer geriet allmahlich au?er sich. »Wage du es ja nicht, mir gegenuber von Mord zu sprechen, du Sachse. Dein Volk hat genug Blut an den Handen. Mein Gro?vater war ein kluger, gebildeter Mann, der Latein lesen konnte. Er hat an der Schule von Illtyd gelernt, als Gildas der Weise dort auch Schuler war. Er besa? eine Kopie des Buches, das Gildas geschrieben hat .«

»De Excidio et Conquestu Britanniae, verfa?t um 547«, murmelte Eadulf leise vor sich hin. »Das habe ich gelesen.«

Iestyn schien kurz aus der Fassung gebracht. Dann fuhr er fort: »Ich kenne den Titel nur, wie ihn mir mein Gro?vater ubersetzt hat, er lautet: >Der Fall und die Eroberung Britanniens.< Mein Gro?vater las mir aus dem Buch vor und ubersetzte mir das Gelesene. Ich habe daraus von der Falschheit der Sachsen genug erfahren. Leider kann ich kein Latein und vermag das Buch nicht selbst zu lesen.«

»Konntest du es lesen, so ware dir vielleicht aufgefallen, da? Gildas scharfste Kritik an den Konigen der Britannier ubt und sie fur ihre Schandtaten verurteilt«, erwiderte Fidelma. »Seine Schlu?folgerung ist, da? die Eroberung durch die Sachsen eine Strafe ist, die Gott deinen Vorfahren wegen ihrer Sunden auferlegt hat.«

Iestyn drehte sich ohne ein weiteres Wort um, hievte sich auf seinen Karren und setzte den geduldigen Esel in Bewegung.

»Was machen wir nun?« frage Eadulf, wahrend sie dem wutenden Bauern hinterherblickten.

»Wir haben jetzt genugend Leute in Aufregung versetzt«, antwortete Fidelma. »Vielleicht wird das Stein- chen, das wir ins Wasser geworfen haben, etwas be-wirken durch die konzentrischen Kreise, die dabei entstehen. Warum hast du Iestyn gefragt, ob er an dem bestimmten Morgen noch jemand anderem im Wald begegnet ist?«

»Erinnerst du dich nicht, da? Buddog sagte, sie hatte ihn an jenem Morgen durch den Wald kommen sehen?«

Fidelmas juchzte auf und lachte mit einemmal schelmisch.

»Das hatte ich ganz vergessen, Eadulf. Du bist ein Schatz!«

Eadulf war verwundert uber ihre Reaktion und sagte ihr das.

Fidelma hakte sich bei ihm unter. »Ich habe das Gefuhl, da? uns schon bald die konzentrischen Kreise im Wasser erreichen werden.«

Kapitel 15

Buddog brachte Eadulf das Abendessen; sie machte einen recht verdrie?lichen Eindruck. Bald gesellte sich Fidelma zu ihm. Die Haushalterin schenkte ihr kaum Beachtung und verschwand.

»Was ist los?« fragte Eadulf und nahm sich etwas von dem Schmorfleisch.

»Ich hatte gehofft, da? Elen hier ware, damit wir unsere aufschlu?reiche Unterhaltung mit ihr fortsetzen konnten.«

In gemeinschaftlichem Schweigen verzehrten sie ihr Abendbrot. Eine nervose, tolpische junge Magd trat ein, um den Tisch abzuraumen.

»Alle scheinen heute abend fort zu sein. Wei?t du, wo Lady Elen ist?« sprach Fidelma sie an.

»Sie ist weg, Schwester.« Die Magd schaute unruhig um sich.

»Weg?« fragte Fidelma.

»Kurz nach eurer Ruckkehr verlie? sie das Haus.« Das Madchen blickte angstlich zur Tur und holte ein kleines gerolltes Pergament unter ihrer Bluse hervor. »Sie bat mich, dir das heimlich zu geben. Da steht etwas drauf, doch ich kann es nicht lesen, und sie wollte mir auch nicht sagen, um was es sich handelt.«

Fidelma schaute auf das Pergament aus Ziegenleder, es enthielt eine lateinische Botschaft. »Du wirst das doch aus deinem Gedachtnis streichen, nicht wahr?« sagte sie zu der Magd.

»Naturlich, Schwester. Elen behandelt mich gut. Eines Tages hoffe ich ...«

»Hoffst du was?«

»Ich bin eine Geisel, Schwester. Vor zwei Jahren wurde ich bei dem Uberfall auf das Konigreich Gwent von Gwnda gefangengenommen. Ich mochte nicht wie Buddog enden. Sie ist seit Ewigkeiten hier Dienerin. Elen versprach mir, da? ich eines Tages vielleicht frei sein konnte.«

»Deo volente«, seufzte Fidelma und fugte hinzu, da die Magd kein Latein verstand: »So es Gottes Wille ist.«

Die junge Magd knickste kurz und eilte hinaus.

»Was steht denn nun da?« erkundigte sich Eadulf ungeduldig.

»Es ist eine Nachricht von Elen, auf Latein.« Fidelmaschwenkte das Pergament hin und her. »Da steht nur: Trefft mich nach dem Abendessen an der Hutte im Wald, wenn ihr konnt. Sagt niemandem etwas davon.«

Eadulf schurzte skeptisch die Lippen. »Ziemlich dramatisch«, bemerkte er. »Gehen wir hin?«

»Naturlich gehen wir hin«, erwiderte Fidelma.

Als sie die Lichtung im Wald erreichten, wo sie auf die Leiche von Bruder Meurig gesto?en waren, war es zwar noch fruh am Abend, doch der Himmel war bereits stockdunkel. Schwarze Regenwolken waren plotzlich von Westen her aufgezogen, ein feiner Nieselregen fiel, der Himmel war sternenlos und bedruk-kend, nicht einmal den vertrauten Mond konnte man sehen. Au?erdem war es eisig kalt.

»Ein eigenartiger Treffpunkt«, murmelte Eadulf, als sie sich mit ihren Pferden lautlos der Hutte naherten. Die Behausung lag nur eine halbe Reitstunde von der Ortschaft entfernt. Sie hatten zuvor uberlegt, ob sie ihre Pferde zurucklassen sollten, damit man sie nicht bemerkte; es war zu Fu? leichter, ungewollten Begegnungen auszuweichen als zu Pferde. Doch ihnen war klar, da? sie dadurch mehr Zeit benotigten und ihr Unternehmen beschwerlicher wurde.

»Offensichtlich furchtet sich Elen nicht vor Geistern. Immerhin wurde hier vor kaum zwolf Stunden ein Monch umgebracht.«

»Mortui non mordent«, versicherte ihm Fidelma.

»Tote konnen vielleicht nicht bei?en, aber ...« Eadulf verstummte fur einen Moment. »»Absit omen!«

Ein Licht bewegte sich am Eingang der Hutte -dort stand jemand mit einer Laterne.

»Schwester Fidelma? Bist du es?«

Elens angstliche Stimme drang zu ihnen.

»Ich bin’s und Bruder Eadulf«, rief Fidelma. Sie bewegten sich auf das Licht zu und sa?en ab. Eadulf fuhrte die Pferde an die Seite der Hutte, wo auch Elens Pferd angebunden war.

Sie folgten dem Madchen ins Innere der Hutte. Man hatte sie gesaubert, nur der dunkle vielsagende Fleck auf dem Boden war noch da, die Stelle, an der Bruder Meurig zu Tode gekommen war. Elen stellte die Laterne auf den Tisch und setzte sich auf eine Bank in einer Ecke. Fidelma nahm auf einem kleinen Holzschemel ihr gegenuber Platz, wahrend Eadulf sich umschaute und sich dann unbeholfen am anderen Ende der Bank niederlie?, auf der das Madchen sa?.

»Ein unwirtlicher Treffpunkt«, stellte Eadulf fest. »Und au?erst kalt«, fugte er zahneklappernd hinzu.

Das Madchen stimmte ihm zu. »Aber lieber Unbequemlichkeit als Warme und neugierige Augen und Ohren.«

»Hast du es wirklich ernst gemeint, als du sagtest, da? Mair aus Versehen umgebracht wurde und eigentlich du sterben solltest?« fragte Fidelma ganz direkt und sehr eindringlich.

Elen nickte unglucklich.

»Wer hat es auf dich abgesehen deiner Meinung nach, und aus welchem Grund?«

»In dieser Gegend treibt sich ein Geachteter herum, er hei?t .«

»Clydog?« warf Eadulf ein. »Clydog Cacynen?«

»Ihr kennt ihn?« fragte das Madchen verwundert.

Fidelma lachelte duster. »Wir hatten das Vergnugen, eine gewisse Zeit in seiner Gesellschaft verbringen zu mussen. Warum sollte er es auf dich abgesehen haben?«

»Letzte Woche bin ich durch den Wald nach Suden geritten. Mit dem einen Fu? meines Pferdes schien etwas nicht zu stimmen. Also stieg ich ab, um nachzusehen, was es ist. Da horte ich unweit von mir laute, zornige Stimmen. Ich lie? mein Pferd stehen und schlich naher. Ich .« Sie hielt kurz inne und machte eine rechtfertigende

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