wegnehmen.«

Fidelma betrachtete den Gegenstand. Es war eine Kette aus Rotgold, an dem sich ein mit Juwelen verzierter Anhanger befand, der einen Hasen darstellte.

»Wann hat dir Idwal die Kette gegeben?« fragte Fidelma.

»An dem Tag, an dem er als Gefangener in unser Haus gebracht wurde.«

»An dem Tag, als Mair ermordet wurde?«

»Genau. Die Kette hatte seiner Mutter gehort, sagte Idwal, und er hatte sie von Iolo, dem Schafer bekommen, der ihn aufzog.«

Elen drehte sich zur Tur um und blickte in die immer schwarzer werdende Nacht hinaus.

»Ich habe euch gesagt, was ich wei?. Ich mu? los. Betet fur mich, denn mir ist klar, wie falsch es war, so lange uber die Todesursache der armen Mair geschwiegen zu haben.«

»Wir werden dafur beten, da? du sicher an dein Ziel gelangst, Elen«, versprach ihr Fidelma ernst. »Was Mair betrifft, so mu?t du allein mit deinem Gewissen ins reine kommen. Vielleicht hast du recht, vielleicht auch nicht. Ganz gleich, wie es ist, dich trifft keine Schuld, glaub mir.«

Das Madchen lachelte und verlie? die Hutte. Sie horten, wie sie sich auf ihr Pferd schwang und davonritt.

Eadulf schaute zu Fidelma hinuber, die immer noch am Feuer stand, damit die Kleider trockneten.

»Nun, es sieht fast so aus, als klarten sich die Dinge ganz von selbst. Du hattest recht, was Idwals Un-schuld betrifft. Es war offensichtlich Clydog, der Mair ermordet hat.«

Fidelma schuttelte den Kopf. Sie hob die Kette mit dem funkelnden Anhanger hoch.

»Ganz im Gegenteil, Eadulf. Ich glaube, die Angelegenheit ist jetzt nur noch verworrener. Wir konnen nichts mehr fur bare Munze nehmen. Da? Clydog Mair anstelle Elens umgebracht hat, ist nur eine Vermutung, fur die es an Beweisen fehlt.«

»Du hast gehort, was das Madchen sagte. Das pa?t doch alles zusammen, oder?«

»Aber welche Rolle spielt Gwnda dabei? Du hast ihn verdachtigt. Er war indirekt beteiligt an der Ermordung Idwals. Warum? Wollte er ihn mundtot machen? Weshalb? Falls Gwnda wirklich glaubte, da? Idwal schuldig war, warum la?t er es zu, da? uns seine Tochter ihre Geschichte anvertraut? Das ist doch alles sehr seltsam. Oder etwa nicht?«

»Wurde Gwnda sich zum Komplizen einer Verschworung machen, die die Ermordung seiner Tochter zum Ziel hatte? Was war das fur eine Verschworung? Warum sollte er Elen davon abhalten, uber das zu sprechen, was sie zufallig im Wald aufgeschnappt, aber nicht richtig verstanden hat? Ich sehe keinen Grund. Und ich wei? nicht, wie wir weitermachen sollen.«

»Das ist mir ganz klar«, sagte Fidelma und blickte aus der Tur. Es regnete kaum noch. »Wir sollten uns wohl noch einmal mit Iestyn unterhalten«, fuhr sie fort. »Danach ist Iorwerth wieder an der Reihe, der uns sagen mu?, was er uber den fremden Krieger wei?.«

Eadulf seufzte. »Deshalb warst du so sehr darauf aus, mehr uber Iestyn zu erfahren.«

Fidelma griff ihren immer noch feuchten Mantel und hangte ihn sich um. Dann ging sie zu den Pferden hinaus. Eadulf loschte das kleiner gewordene Feuer und folgte ihr nach drau?en. Der Nieselregen hatte zwar aufgehort, doch die Nacht war kalt und feucht.

Schweigend ritten sie zuruck in Richtung Brucke. Kurz vor der Brucke schlug Fidelma den Weg entlang des Flusses ein, den Elen ihr beschrieben hatte. Zu ihrer Linken stromte das dunkle Wasser, zu ihrer Rechten bildeten die Baume und das Unterholz einen dichten Wall.

Eadulf beugte sich nach vorn, um besser sehen zu konnen. Es war stockfinster. Immer noch hingen schwere Regenwolken uber ihnen. Weder Mond noch Sterne drangen hindurch. Unter solchen Umstanden vertraute Eadulf Fidelmas Gewandtheit als Reiterin, lie? sie voranreiten und uberlie? es seinem Pferd, einen sicheren Weg zu finden.

Die Strecke war langer, als Fidelma geschatzt hatte. Schlie?lich sah sie vor sich ein Licht und erkannte die vagen Umrisse von Gebauden. Das war also Iestyns Gehoft. Sie drehte sich zu Eadulf um, der nichts weiter als ein dunkler Schatten in der Schwarze der Nacht war.

»Wir wollen nicht gleich auf uns aufmerksam machen«, flusterte sie ihm zu.

Sie fuhrte ihr Pferd um eines der Gebaude herum. Es war offenbar die Scheune, in deren Schutz sie anhielt und absa?. Sie entdeckten einen gro?en Busch, an dem sie die Pferde festbinden konnten. Dann tasteten sie sich zu einer Ecke der Scheune vor.

Licht schien durch die Fenster des Haupthauses, ein schwacher Schein fiel uber den Hof.

»Was siehst du?« fragte Eadulf und versuchte, etwas in dem Halbdunkel zu erspahen.

»Still!« zischte ihn Fidelma an. »Vor dem Haus sind zwei Pferde angebunden.«

»Ja, und?« erwiderte Eadulf, der nun genauso leise sprach wie sie.

»Das sind keine Ackergaule.«

»Ich verstehe nicht«, murmelte er, trat versehentlich in irgendwelchen Schlamm und stohnte verargert auf.

»Das sind zwei Streitrosse. Welche Krieger besuchen wohl des Nachts ein abgelegenes Bauerngehoft?«

»Clydog?« flusterte Eadulf auf einmal beunruhigt.

»Es konnten alle moglichen Leute sein. Freunde. Selbst Verwandte. Aber wir sollten wohl lieber auf der Hut sein.«

Eadulf hatte schon einen Einwand auf den Lippen, doch dann zog er es vor zu schweigen. Aus Dank dafur, da? das Gewitter vorbei war und der Regen aufgehort hatte, murmelte er ein Gebet.

Fidelma lief vorsichtig auf das Bauernhaus zu. Sie erreichte, ohne ein Gerausch zu machen, ein Fenster und spahte hinein. Durch das grobe, undurchsichtige Glas konnte sie aber nichts erkennen. Sie sah sich zu Eadulf um und schuttelte den Kopf.

»Ich kann nichts entdecken«, flusterte sie. »Aber ich glaube, da? Iestyn und seine Besucher im Haus sind.«

»Was machen wir jetzt?« fragte Eadulf. »Warten wir hier drau?en im Feuchten, oder sollten wir einfach anklopfen?«

Fidelma beruhrte Eadulf am Arm und zeigte zur Scheune hinuber, hinter der sie ihre Pferde angebunden hatten. Gebuckt liefen sie uber den Hof und hatten das schwarze offenstehende Tor fast erreicht, als sich ein Schatten bewegte.

Ein bedrohliches Knurren, das in ein hohes Gebell uberging, warnte sie, dann sprang ihnen ein riesiger Hund aus der Scheune entgegen. Er war nur einen Meter von Fidelma entfernt, als plotzlich sein Bellen verstummte und nur noch ein schmerzerfulltes Winseln zu horen war. Es kam Eadulf so vor, als sei das Tier mitten im Sprung aufgehalten worden. Es sank zu Boden, vor Schmerzen japsend und jaulend.

Eadulf konnte erkennen, da? der Hund angekettet war. Waren sie naher an der Scheune dran oder die Kette des Hundes langer gewesen, so hatte er sie erwischt.

Die Pferde im Hof fingen unruhig zu wiehern an. Der Hund knurrte und bellte beleidigt. Eadulf sah sich voller Verzweiflung um, packte dann Fidelma am Arm und schob sie auf ein kleines Gebaude zu, das von einer niedrigen Mauer umgeben war. Er sprang uber die Mauer und half dann Fidelma auf die andere Seite. Um sie herum regte es sich. Dem Gestank nach mu?ten sie in einem Schweinekoben gelandet sein.

Die Schweine beschnuffelten sie eingehend, legten sich dann aber - gleichgultig gegenuber den beiden Eindringlingen - wieder hin.

Vorsichtig hoben Fidelma und Eadulf die Kopfe. Am anderen Ende des Hofes ging gerade die Tur des Bauernhauses auf. Ein Mann hielt eine Laterne hoch. Der Hund bellte immer noch aufgebracht.

»Still, Ci!« fuhr ihn der Mann schroff an. »Was zum Teufel ist denn nur los mit dir?«

Sie erkannten Iestyn. Ein anderer Mann stellte sich neben ihn. Fidelma holte tief Luft und flusterte dann Eadulf ins Ohr: »Das ist Corryn.«

Der Hund winselte ungeduldig, als er seinen Herrn sah.

»Was hat den Hund so aufgebracht?« fragte Cor-ryn.

»Da drau?en ist nichts«, erwiderte Iestyn. »Die Pferde sind scheu. Vielleicht haben sie ihm einen Schrecken eingejagt.«

»Vielleicht«, stimmte ihm Corryn zogernd zu. Er blickte sich im Dunkel um.

Nun gesellte sich ein Dritter dazu. »Dein Haus liegt weitab von der Ortschaft«, sagte dieser. »Da wurde doch

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