schien mit seinen Gedanken beschaftigt zu sein. Die Hauptspeisen waren gerade abgeraumt worden, da brachte Buddog einen Teller mit kleinen Kuchen herein, die mit Stachelbeeren verziert waren.
»Die sind aber fein«, sagte Eadulf in dem verzweifelten Bemuhen, die angespannte Stimmung aufzulok- kern.
»Kennst du die noch nicht?« fragte Fidelma bedauernd. »Zu Hause nennen wir sie gesprenkelte Kuchlein und reichen sie auch zu dieser Zeit im Jahr ...«
Eadulf hatte herzhaft in einen der kleinen Kuchen gebissen, da verzog er vor Schmerzen das Gesicht. Er fuhrte die Hand zum Mund und holte einen kleinen glanzenden Fingerring heraus. Er hielt ihn hoch und starrte ihn uberrascht an.
»Was zum Teufel ...?«
Fidelma kicherte vergnugt. »Keine Sorge, du wirst nicht vergiftet. Das ist nur ein Brauch.«
Eadulf wendete den Ring neugierig hin und her. »Was bedeutet das?« fragte er.
Er bemerkte nicht, da? Fidelma ein wenig errotete.
»Das werde ich dir spater erklaren«, sagte sie. »Das ist ein Brauch zu diesem Fest.«
Von drau?en drangen Musik und singende Kinderstimmen zu ihnen herein. Eadulfs Miene druckte Ratlosigkeit aus.
»Das ist zum Vorabend von Allerheiligen«, erklarte Gwnda verdrie?lich.
»O ja, das neue Fest.« Eadulf erinnerte sich an Fidelmas Erlauterung.
»Neu?« fragte Fidelma recht verargert. »Komm, Eadulf, du wei?t doch gewi?, wie alt dieses Fest ist? Du lebst schon lange genug in den funf Konigreichen, wenn du auch bisher nicht gewu?t hast, da? die Bri-tannier den Tag feiern.«
»Ich wei?, da? Bonifazius, der Vierte seines Namens, Bischof in Rom, vor funfzig Jahren Allerheiligen als Feiertag eingefuhrt hat«, erwiderte Eadulf halsstarrig.
»Weil er nicht verhindern konnte, da? die Gallier, Britannier und die Iren das alte Neujahrsfest, das Fest von Samhain, feierten. Also hat er diesen Tag in ein christliches Gewand gekleidet. Stimmt das nicht, Gwnda?«
Der Furst von Pen Caer war immer noch schlecht gelaunt. »Was ist? Ach ja. Unser Volk hat das Fest von Calan Gaeaf seit Anbeginn gefeiert.«
»Wir nennen es immer noch Samhain«, erklarte Fidelma. »Viele meinen, dieser Tag in den Wintermonaten sei der eigentliche Beginn des neuen Jahres. Fruher glaubte man namlich, die Dunkelheit komme vor der Wiedergeburt des Lebens. Und« - sie lachelte kurz -»au?erdem behaupteten die Vorfahren, dies sei die beste Zeit des Jahres fur Frauen, um schwanger zu werden, denn dann erblicke das Kind in der Zeit des Lichts die Welt.«
»Ich hatte immer gedacht, da? es ein Totenfest sei«, meinte Eadulf.
»In gewisser Weise ist es das auch«, stimmte ihm Fidelmazu. »Weil es Ende und Anfang markiert. Die Weisen der Vorfahren dachten, in dieser Nacht sei die Zeit au?er Kraft gesetzt und die Grenzen zwischen dem Naturlichen und Ubernaturlichen seien verwischt. Es ist die Zeit, in der das Jenseits fur diese Welt sichtbar wird . Eine Zeit, in der die Dahingeschiedenen, denen du einst ein Unrecht zugefugt hast, zu dir zuruckkehren, um Rache zu nehmen . Um das Gleichgewicht zwischen Gut und Bose wiederherzustellen.«
Mit gro?em Gepolter stie? Gwnda seinen Stuhl zuruck und schritt aus dem Raum.
Eadulf lachelte verlegen. »Damit scheint er seine liebe Not zu haben«, bemerkte er sarkastisch.
»Viele Leute haben damit Schwierigkeiten, wenn sie wirklich an die Wiederkehr der Seelen glauben. In fruheren Tagen folgte man dem moralischen Grundsatz, sich bereits zu Lebzeiten gegenuber seinen Freunden und Nachbarn so zu verhalten, wie es sich gehorte.« Sie machte eine Pause und neigte den Kopf zur Seite. Sie lauschte der Musik und den Rufen drau?en. »Komm, la? uns mitfeiern. Die Feuer sind wahrscheinlich schon angezundet.«
Die Nacht war schwarz. Der Mond stand tief uber dem Horizont, sobald er sich zwischen den Wolken hervorschieben konnte. In der Ferne waren uber den Hugeln hier und da helle Punkte zu sehen: einzelne Freudenfeuer. Das Feuer von Llanwnda brannte bereits, die Rufe und Schreie der Kinder ubertonten die Hirtenfloten, den Rhythmus der Ziegenfelltrommeln und das Plarren der Horner. Einige altere Leute tanzten in einem Kreis vor dem Feuer. Fidelma und Eadulf gesellten sich zu der Menge und schauten in die aufsteigenden Flammen.
Die Strohpuppe, die sie in Iorwerths Schmiede entdeckt hatten, war fast vollig verbrannt. Nur noch ein paar Reste konnte man ganz oben auf dem gluhenden Holzstapel erkennen.
»Menschenopfer?« fragte Eadulf mit einem zynischen Grinsen.
Fidelma nahm die Frage ernst. »In alten Zeiten herrschte der Brauch, dem keltischen Gott Taranis, dem Herrn uber Blitz und Donner, in einem holzernen Gefa? Opfergaben darzubringen. Manche sagen, da? das Gefa? eine holzerne Menschenskulptur war, die den Uberbringer von Botschaften an die Gotter symbolisierte.«
Doch Eadulf schien ihr nicht recht zuzuhoren; er blickte sich unter den Leuten am Feuer um.
»Was ist?« fragte Fidelma.
»Ich will mal sehen, ob ich nicht Iorwerth oder unseren Freund Iestyn in der Menge entdecke«, entgeg-nete er. »Ich erwarte eigentlich, da? sie bei einem solchen Fest zugegen sind.«
Fidelma nickte zustimmend. Da schaute sie auf einmal in das grinsende Gesicht Iestyns, der hinter ihr gestanden hatte.
»Immer noch nicht fort, Gwyddel?« spottete er.
»Wie du sehen kannst«, erwiderte sie ruhig. »Doch wir hoffen, morgen aufzubrechen.«
»Morgen? Ihr wollt morgen los?« Seine Stimme klang recht herausfordernd.
Fidelma lie? ihn einfach stehen und zog Eadulf mit sich fort. Der Bauer schaute ihnen mi?trauisch hinterher.
Als sie au?er Horweite waren, fragte Eadulf besorgt: »Warum hast du ihm das gesagt? Du wei?t doch, da? er nichts Eiligeres zu tun haben wird, als es seinem Freund Clydog mitzuteilen. Sie werden uns unterwegs abfangen.«
»Ich wollte nur etwas Ol ins Feuer gie?en«, antwortete sie gelassen. »Morgen werden wir die Angelegenheit zum Abschlu? bringen. Ich hoffe, da? dein Vertrauen in Dewi nicht enttauscht wird. Eigentlich hatte er heute hier sein mussen, aber vielleicht kommt er ja morgen.«
»Ich wu?te nicht, warum uns Dewis Ankunft jetzt noch helfen sollte. Ich glaube nicht, da? Gwlyddiens Autoritat hier viel gilt. Und Clydog hat viele kampferfahrene Manner zu seiner Verfugung.«
»Das ist wohl wahr«, stimmte ihm Fidelma zu. »Ich setze nur darauf, da? Clydog nicht versuchen wird .«
Auf einmal merkten sie, da? es stiller um sie herum geworden war. Die Musik verstummte nach kurzem Zogern vollig. Selbst die Schreie der Kinder erstickten. Sie horten die scharfen und befehlenden Rufe von Mannern. Im Abseits bewegten sich Schatten. Reiter auf Pferden, die brennende Fackeln und blanke Schwerter hielten.
Fidelma wandte sich um. Beim Feuerschein entdeckte sie auf einem Pferd eine vertraute Gestalt. »Clydog!« zischte sie.
Sie packte Eadulf am Armel und tauchte zwischen den nachsten Steinhutten im Dunkel unter. Dort gonnten sie sich eine kurze Verschnaufpause.
»Das habe ich nicht erwartet«, murmelte Fidelma. »Ich hatte gedacht, da? Clydog erst auftauchen wurde, wenn man Gwlyddien dazu gebracht hat, gegen die Hwicce in den Kampf zu ziehen.«
»Vielleicht ist Gwlyddien schon langst auf die Intrige hereingefallen«, meinte Eadulf. »Doch was machen wir nun? Iestyn wird ihm erzahlen, da? wir uns hier aufhalten. Ohne gesehen zu werden, kommen wir nicht einmal an unsere Pferde in Gwndas Stall heran.«
Fidelma zeigte auf den Wald hinter dem Ort. »Das ist die einzige Moglichkeit, Clydog und seiner Bande zu entgehen. Komm schon.«
Sie losten sich rasch und leise aus dem Schatten der Hauser und schlupften unter die Baume. Es war schwierig, sich einen Weg durchs Unterholz zu bahnen, doch Fidelma schien auf einen Pfad gesto?en zu sein, den die Hirsche benutzten, und so kamen sie nun gut voran.
»Wollen wir nur hoffen, da? an dem alten Aber-glauben nichts dran ist«, murmelte Eadulf, der in der Finsternis hinter ihr herstolperte.
»Was meinst du damit?«
»Wir haben Menschen vor den Richter gebracht, von denen viele nun im Jenseits weilen. Gehen wir mal