»Wie viele seid ihr?« wollte Eadulf wissen.
»Funfzig Krieger aus der Leibwache meines Vaters. Alles ausgezeichnete Leute.«
»Es ist schon recht verwunderlich, da? Clydogs Manner einen so gro?en Trupp nicht vorher bemerkten«, sagte Fidelma.
»Ich habe zwei Spaher vorgeschickt, um die Lage zu erkunden. Sie stie?en auf einen Mann, der an der Brucke zum Ortseingang Posten bezogen hatte. Er machte den Fehler, die beiden fur Gefahrten zu halten, und begru?te sie mit so eigenartigen Worten, da? meine Leute sofort mi?trauisch wurden. Also ent-waffneten sie ihn und brachten ihn zu mir. Wir konnten ihn uberreden, ein wenig zu plaudern .« Cathen lachte trocken. »Vielleicht sollten wir diesen Punkt uberspringen. Wie dem auch sei, er verriet uns, da? Clydogs Banditen Gwnda und samtliche Bewohner von Llanwnda eingesperrt hatten, und er erklarte uns sogar, wo die Wachen aufgestellt waren. Da hatten wir leichtes Spiel, sie zu entwaffnen und die Leute zu befreien. Als wir erfuhren, da? Clydog und ein paar seiner Krieger dich und Eadulf verfolgten, beschlossen wir, da? alle rasch und leise in ihre Hauser zuruckkehren und im Dunkeln dort ausharren sollten, bis sie von Gwnda weitere Anweisungen erhielten. Wir gingen in Deckung und warteten auf Clydogs Ruckkehr, denn wir wu?ten, da? er zuruckkommen mu?te. Den Rest kennt ihr.«
Fidelma nickte voller Anerkennung. »Du scheinst ein ausgezeichneter Stratege zu sein, Cathen.«
»Selbst ein kluger Stratege braucht Gluck, Schwester.«
Fidelma sah ihn bewundernd an. Eitel war Cathen gewi? nicht.
Gwnda rausperte sich. »So, Prinz Cathen«, sagte er, »mit dir kehrt wieder Friede in Pen Caer ein. Du hast die Rauberbande, die hier ihr Unwesen trieb, umzingelt und festgenommen. Und Schwester Fidelma wird dich nun davon unterrichten, da? auch all die anderen ratselhaften Vorfalle aufgeklart sind.
Schnell schuttelte Fidelma den Kopf. »Wir sind noch keineswegs bei einem glucklichen Ende angelangt.«
Prinz Cathen blickte sie fragend an. »Ich kann mir denken, da? da noch Verschiedenes offengeblieben ist. Wie ist aber der Stand der Dinge, verehrte Schwester?«
»Zunachst mu? ich wissen, Cathen, ob Dewi deinem Vater meine spezielle Bitte vorgetragen hat?«
Cathen nickte. »Die Bitte, da? man dir die Befugnis eines
»Erhalte ich diese Befugnis?«
»Mein Vater war ohne Zogern bereit, dir diese Vollmacht zu erteilen. Wie ich schon sagte, wir meinten nur, da? du ein wenig kriegerischen Ruckhalt gebrauchen konntest. Deshalb bin ich mit meinen Leuten ja hergekommen.«
Gwnda verfolgte das Gesprach mit abschatzigen Blicken.
In diesem Augenblick klopfte es an die Tur, und einer von Cathens Kriegern trat ein. »Das war leicht erledigt, Prinz Cathen. Wir haben den Mann, der Iestyn hei?t. Er war mit zwei Geachteten auf seinem Hof. Wir uberraschten sie derart, da? sie nicht einmal ihre Schwerter ziehen konnten. Niemand ist verletzt worden.«
Cathen warf Fidelma ein Lacheln zu. »Hervorragend. Also haben wir jetzt alle Ratten in der Falle, Lady?«
Fidelma sagte einen Moment lang nichts, dann fragte sie den jungen Krieger. »Trug einer der beiden Geachteten einen Helm? Einen Kriegshelm? Ein arrogant auftretender Mann?«
»Das mu? der sein, der auf den Namen Corryn hort. Der wirkte ziemlich arrogant«, antwortete der Krieger.
Fidelma seufzte zufrieden. »Ja, den meinte ich.«
»Au?er Iestyn war da noch ein Geachteter. Er hei?t Sualda.«
»Sualda?« Eadulf zog ein wenig die Augenbrauen hoch. »Also hat er uberlebt?«
»Das Gluck ist uns hold«, erklarte ihm Fidelma.
Cathen sah sie mit fragendem Blick an. »Spielen diese Manner eine besondere Rolle?« erkundigte er sich. »Ich dachte, Clydog ware der Anfuhrer der Bande.«
»Sie spielen eine ziemlich besondere Rolle. Das kann man wohl sagen«, bestatigte ihm Fidelma. »Bringt sie getrennt voneinander unter und bei strengster Bewachung. Sie haben alle ihr Scherflein zu der Sache beigetragen.«
Cathen bedeutete seinem Krieger, Fidelmas Anweisungen auszufuhren. Danach wandte er sich wieder an sie. »Ich bin mir nicht sicher, ob ich das alles uberhaupt begriffen habe«, fing er an.
»Du wirst dich bis morgen gedulden mussen. Am spaten Vormittag, naturlich nur mit Gwndas Zustimmung, werden wir uns in diesem Raum einfinden. Dann werde ich mich bemuhen, alles zu erklaren.«
Gwnda war offensichtlich verargert. »Ich dachte, nun sei endlich Ruhe? Wir haben doch alle Banditen festgesetzt. Was gibt es sonst noch?«
»Denk an die vielen Toten, Gwnda, und auch an die Verschworung gegen Konig Gwlyddien«, antwortete ihm Fidelma. An Cathen gewandt, fragte sie: »Habe ich das Recht und deine Erlaubnis, Anklage und Aufklarung der Verbrechen offentlich vorzunehmen?«
»Aber gewi?«, erwiderte der Prinz.
»Dann benotige ich einen deiner Manner als Verhandlungsfuhrer bei Gericht, das, wie ich vorschlage, morgen nachmittag in Gwndas Halle zusammentreten soll.«
»Cadell, mein Stellvertreter, genie?t mein vollstes Vertrauen, Schwester.«
»Sehr gut. Ich werde mich mit Cadell unterhalten und ihm erklaren, was er morgen zu tun hat. Alles mu? wie am Schnurchen laufen.«
Cathen und Gwnda begriffen nicht recht, was sie vorhatte. Trotzdem ging Cathen zur Tur und beauftragte einen seiner Leute, nach Cadell zu suchen und ihn zu ihm zu schicken. Kurz darauf trat ein junger Krieger ein. Cathen wechselte leise ein paar Worte mit ihm, woraufhin er auf Fidelma zueilte und zum Gru? die Hand hob.
»Ich stehe zu deinen Diensten, Schwester«, sagte er. Er wirkte energisch und tuchtig.
»Du bleibst noch, Bruder Eadulf und ich werden dir Anweisungen geben.« Sie drehte sich zu den anderen um und sagte mit fester Stimme: »Die Nacht ist fast vorbei, sie war lang und hat uns alle ermudet. Ich schlage vor, da? ihr euch zuruckzieht. Bruder Eadulf und ich werden eurem Beispiel bald folgen.«
Ein unglaublich strahlender Morgen war angebrochen. Am Himmel zeigte sich keine Wolke, die Sonne schien mit herbstlicher Kraft. Doch trotz der Sonne war die Luft kalt, Rauhreif hatte sich in den Stunden vor Morgengrauen auf die Landschaft gelegt und war schon wieder verschwunden. Wassertropfen glanzten noch auf den Buschen und Baumen, selbst im Gras.
Fidelma hatte lange geschlafen. Es schien bald Mittag zu sein. Immerhin war sie eher auf den Beinen als Eadulf. Sie ging in die Kuche hinunter, wo Buddog schon Teller und Schusseln abspulte. Buddog empfing sie murrisch.
»Im Ort herrscht heute vormittag reges Treiben, Schwester. In Gwndas Halle haben sich schon jede Menge Leute versammelt, die neugierig sind, was du ihnen mitzuteilen hast.«
Fidelma nahm am Tisch Platz und griff nach einer Schale mit Apfeln.
»Wollen wir hoffen, da? sie nicht enttauscht werden«, sagte sie knapp. Buddog runzelte die Stirn und lie? sie allein.
Endlich erschien auch Eadulf. Er wirkte immer noch mude. Wahrscheinlich sah sie selbst ebenso abgespannt aus, schlie?lich waren sie erst bei Morgengrauen zu Bett gegangen. Sie hatten noch eine Weile mit Sualda gesprochen, der sich dank Eadulfs Hilfe von seiner Verletzung erholt hatte. Das Gesprach mit ihm bestatigte Fidelmas Verdacht.
»Wie ich sehe, kommen die Leute schon in der gro?en Halle zusammen«, sagte Eadulf zur Begru?ung und nahm sich einen Apfel. Er hatte gerade davon abgebissen, als auch Prinz Cathen und Cadell eintraten.
»Was fur ein herrlicher Tag«, verkundete der Prinz. »Die Sonne steht fast im Zenit. Cadell hat sich ganz strikt an deine Anweisungen gehalten. Alle, die er herbitten sollte, sind schon erschienen. Clydog und seine Gefahrten sind immer noch eingesperrt, au?er Iestyn, der wurde bereits unter Bewachung in die Halle gefuhrt.«
»Sind der Schmied Goff und seine Frau Rhonwen eingetroffen?« fragte Fidelma.
»Ja. Sie haben ihren Sohn Dewi mitgebracht«, antwortete Cadell.
»Und Elen?«