»Mal sehen. Das letztemal hast du dich im Wald versteckt, wie es deinem Halunkendasein entspricht. Jetzt hast du beschlossen, einen ganzen Ort anzugreifen. Das bedeutet, da? du kuhner geworden bist. Ich frage mich nur, warum?«

»Du bist ein gerissenes Weib«, brummte Clydog zornig. »Ich habe das Gefuhl, da? du mehr wei?t, als du mir verratst. Wenn wir in Llanwnda sind, werden wir schon aus dir herauskriegen, wovon du Kenntnis hast.«

Fidelma wurde klar, da? sie nichts weiter erreichen wurde, wenn sie versuchte, die Unterhaltung mit ihm fortzusetzen. Sie blickte zu Eadulf hinuber, der sich angestrengt bemuhte, auf dem Pferd nicht das Gleichgewicht zu verlieren. Armer Eadulf. Er war kein guter Reiter. Fur sie war es schon schwierig, mit auf dem Rucken gefesselten Handen die Balance zu halten. Fur Eadulf mu?te es geradezu unmoglich sein.

Zumindest machte der Reitertrupp keine Umwege. Clydog fuhrte sie schnurstracks auf Llanwnda zu, und kurz darauf uberquerten sie die holzerne Brucke uber den Flu?, der an der vereinsamten Schmiede von Ior-werth vorbeiflo?.

Im Schatten erkannte Fidelma ein, zwei herumlungernde bewaffnete Manner. Clydog ignorierte sie, sie standen offensichtlich unter seinem Befehl. Er ritt die Stra?e voran, in der Ferne leuchteten immer noch die Freudenfeuer. Dann hatten sie Gwndas Wohnsitz erreicht, wo die Banditen absa?en und Fidelma und Eadulf unsanft von den Pferden zogen. Einer der Manner fuhrte die Tiere in den Stall.

Clydog lief die Stufen zum Eingang hinauf und stie? die Tur auf. Auf der Schwelle drehte er sich um und rief seinen Untergebenen zu, die beiden Gefangenen hereinzubringen. Dann trat er ein. Hinter ihm wurden Fidelma und Eadulf derb ins Haus gesto?en. Die beiden hatten zu tun, nicht hinzusturzen, so da? sie erst recht spat bemerkten, da? Clydog plotzlich wie angewurzelt stehengeblieben war. Als sie schlie?lich aufschauten, stellten sie fest, da? Clydog und seine Gefahrten wie zur Salzsaule erstarrt dastanden.

In der Halle des Fursten befanden sich ein halbes Dutzend Krieger, die mit Pfeil und Bogen auf Cly-dogs Leute zielten.

Kapitel 20

Mit zynischer Geste wurden sie von Gwnda begru?t.

»Willkommen in meinem Haus, Clydog, die Wespe«, sagte Gwnda ironisch.

Fidelma beugte sich leicht zur Seite, so da? sie sehen konnte, wer sich vor Clydog aufgebaut hatte.

Da war naturlich Gwnda, er sa? auf einem Stuhl. Auf seinem Amtsstuhl hatte es sich ein junger Krieger bequem gemacht. Ein Silberreif auf seiner Stirn hielt sein blondes Haar zuruck. Er sah gut aus und hatte fast violette Augen. Sein jungenhaftes Grinsen und seine kostbaren Gewander tauschten nicht daruber hinweg, da? er das Schwert an seiner Seite nicht nur zur blo?en Zierde bei sich trug. Erst nach ein paar Augenblicken erkannte Fidelma in ihm den Mann wieder, dem sie in der Abtei Dewi Sant kurz begegnet waren. Es war Prinz Cathen, Konig Gwlyddiens Sohn.

»Legt eure Waffen ab«, fuhr Gwnda die Geachteten an.

Nur widerstrebend legten Clydog und seine Manner die Schwertgurtel ab. Einer von Cathens Kriegern stellte seinen Bogen beiseite, trat vor und sammelte die Waffen ein. Auf einen Wink Cathens hin eilte ein anderer Mann herbei und befreite Fidelma und Eadulf von ihren Fesseln.

Die beiden wirkten ein wenig verwirrt uber diese gluckliche Wende ihres Schicksals.

»Greift dieses Pack und steckt es zu den anderen«, befahl Gwnda und deutete auf Clydog und seine Manner.

»Warte!« rief Clydog eilig. »Das kannst du mir nicht antun. Das wird dir schlecht bekommen ...«

Doch Gwndas Krieger drangten ihn fort. So standen nur noch Fidelma und Eadulf vor Prinz Cathen und Gwnda, dem Fursten von Pen Caer.

Cathen hatte sich erhoben und ging mit ausgestreckten Armen auf sie zu. »Du hast uns eine Weile in Angst und Schrecken versetzt, Fidelma von Cashel. Dein koniglicher Bruder, Colgu von Cashel, hatte es uns nie verziehen, wenn dir als Gast in unserem Konigreich von Dyfed etwas zugesto?en ware.«

»Ich freue mich sehr, dich zu sehen, Prinz Cathen«, erwiderte Fidelma. »Deine Anwesenheit hat das letzte Steinchen in unser Mosaik eingefugt.«

Cathen sah sie fragend an, doch als Fidelma schwieg, wandte er sich an Eadulf. »Es ist gut, dich wiederzusehen, angelsachsischer Bruder.«

Gwnda hatte sich ebenfalls erhoben, wenn auch nur aus Hochachtung vor dem Prinzen.

»Kommt«, forderte Cathen sie auf. »Setzt euch vor das Feuer. Man soll ihnen etwas zu essen und zu trinken bringen.« Letzteres galt Buddog, die mit versteinertem Gesicht dastand. Folgsam verlie? sie den Raum.

»Was ist geschehen?« fragte Eadulf. »Was hat dich hierhergefuhrt?«

»Dein junger Bote, Dewi, traf in der Abtei ein und ubergab Abt Tryffin deine Nachricht. Mein Vater und ich haben ihn weiter uber die Lage in Pen Caer befragt. Ich habe versucht, uber die blo?e Botschaft hinaus zu begreifen, was hier vorgeht. Und so hatte ich das Gefuhl, da? ihr dringend ein paar Krieger benotigt, um eure richterlichen Aufgaben zu erfullen. Also bot ich mich als ihr Anfuhrer an, und wir ritten so schnell wie moglich los. Unterwegs lie?en wir Dewi in der Schmiede seines Vaters zuruck.«

»Gluck und Kuhnheit scheinen dir wohlgesonnen«, sagte Fidelma feierlich. »Das begunstigte in diesem Fall auch unser Schicksal.«

Buddog trat wieder ein. Die Anwesenheit des jungen Prinzen machte sie sichtlich nervos. Sie reichte Gluhwein und Haferkekse.

»Fortes fortuna adiuvat, wie?« Cathen lachelte Fidelmaan. »Dem Tapferen hilft das Gluck.«

»Wie Terenz in seiner Phormio sagt«, stimmte ihm Fidelma zu. »Doch Llanwnda war in den Handen von Clydogs Raubern. Wie habt ihr .?«

»Wie wir die Situation fur uns entschieden haben? Ganz einfach. Clydog hatte keine Ahnung, da? wir in der Nahe waren. Er war mit vier seiner Leute hinter euch her. Die funfzehn Manner, die er zuruckgelassen hatte, sollten die Einwohner des Ortes in Schach halten. Sag du ihnen, wie alles ablief.«

Der Furst von Pen Caer schien sich immer noch unwohl zu fuhlen. Verlegen blickte er zu Boden. »Man hat uns in die gro?e Scheune getrieben, alle Bewohner .«

»Wirklich alle?« fragte Fidelma schroff. Gwnda kniff die Augen zusammen.

»Hat man auch Iestyn mit euch eingesperrt?« warf Eadulf ein, dem klargeworden war, worauf Fidelma hinauswollte.

Gwnda schuttelte den Kopf. »Iestyn habe ich den ganzen Abend nicht gesehen. Und Iorwerth auch nicht, wenn ich es genau bedenke.«

»Kannst du ein halbes Dutzend Krieger abstellen?« fragte Fidelma Cathen plotzlich. »Manner, deren Klugheit und Geschicklichkeit mit dem Schwert du vertraust?«

»Das kann ich. Warum?«

»Einer der Leute aus dem Ort soll sie zu Iestyns Bauernhof fuhren. Sie sollen Iestyn gefangennehmen und alle, die sich auf seinem Hof aufhalten. Sag ihnen, da? sie mit Widerstand rechnen mussen. Es konnte sein, da? dort noch mehr von Clydogs Leuten stek-ken. Sie werden nicht bereit sein, die Waffen kampflos zu strecken.«

Cathen rief einen seiner Manner zu sich und erteilte ihm entsprechende Befehle. Fidelma blickte zufrieden drein.

»Jetzt konnen wir weiterreden. Kein Schurke soll uns entwischen!«

»Willst du damit sagen, da? Iorwerth und Iestyn mit dem geachteten Clydog gemeinsame Sache machen?« fragte Cathen erstaunt.

»Es geht hier um mehr als nur um Raub, Prinz Ca-then«, erwiderte Fidelma. »Doch Gwnda wollte gerade erzahlen, wie ihr die Lage zu euren Gunsten verandern konntet ...?«

Wahrend Fidelma das sagte, warf sie Eadulf einen warnenden Blick zu. Er begriff, da? sie einen Grund hatte, nicht preiszugeben, da? sie Iorwerths Leiche entdeckt hatten, auch wenn er diesen Grund nicht kannte.

Gwnda fuhr mit seinem Bericht fort. »Wie ich schon sagte, wir wurden alle in die Scheune gesperrt. Clydog stellte zehn seiner Leute ab, um uns zu bewachen. Weitere waren drau?en.«

»Zu diesem Zeitpunkt trafen wir in Llanwnda ein«, meldete sich Cathen wieder zu Wort.

Вы читаете Das Kloster der toten Seelen
Добавить отзыв
ВСЕ ОТЗЫВЫ О КНИГЕ В ИЗБРАННОЕ

0

Вы можете отметить интересные вам фрагменты текста, которые будут доступны по уникальной ссылке в адресной строке браузера.

Отметить Добавить цитату