meiner zu entledigen, dann hatte man es schon fruher und viel muheloser machen konnen — und wie schon gesagt, hegte ich tiefinnerlich die Uberzeugung, da? man hier etwas Endgultiges mit mir anstellen wurde. Falls jemand meint, das passe nicht zu meiner geistigen Verfassung von vorhin, so moge er gefalligst einen Psychiater aufsuchen.

Ich hatte noch Atemluft fur zwei Tage im Tank.

Wahrscheinlich wurden me ine neuen Freunde noch vor Ablauf dieser Zeit etwas tun, um mich herauszukriegen — obwohl mir nicht so ohne weiteres klar war, was das sein wurde, wenn ich mir das Problem naher uberlegte. Wie immer ich es ansah, den nachsten Schritt mu?ten die anderen tun. Vielleicht nicht sehr trostlich klingend, und doch trostete es mich.

Offenbar hegte die Gegenseite ahnliche Gefuhl — nicht was den Trost betrifft, meine ich, sondern, da? der nachste Schritt bei ihnen lag. Sie sta nden in einer Gruppe beisammen zwischen dem Tank und der Offnung, durch die wir hereingekommen waren, und diskutierten miteinander. Ihre Stimmen konnte ich nicht horen und kam nach einer Weile zu dem Schlu?, da? sie nicht richtig sprachen. Das alles ging mit einem gewaltigen Aufwand an Gesten vor sich. Es mu?te sich um eine sehr umfassende Zeichensprache handeln. Sehr vernunftig, wenn man viel Zeit unter Wasser verbrachte und dort auch arbeitete. Ich begriff aber nicht, warum sie sich jetzt dieser Sprache bedienten, da mein gesunder Me nschenverstand nur ungern eingestand, da? sie sich momentan im Wasser befanden.

Nach einer Weile hatten sie sich jedenfalls geeinigt, und zwei aus der Gruppe schwammen — jawohl, sie schwammen — in einen der kleineren Schachte hinein.

Mir fiel ein, da? sie unter Wasser wenigstens horen mu?ten, wenn sie schon nicht sprechen konnten.

Ich versuchte es mit Klopfzeichen an den Tankwanden, um ihre Aufmerksamkeit zu erregen — leise, im Hinblick auf meine erst kurz zuruckliegende Erfahrung mit Tank-Pochen. Ja, sie konnten horen, obwohl sie, wie erwartet, Schwierigkeiten hatten, die Richtung des Gerausches festzustellen.

Sie brauchten eine Weile, bis sie erkannt hatten, da? ich der Schuldige war. Sie kamen geschwommen und nahmen um den Tank herum Aufstellung und guckten durch die Bullaugen herein. Ich schaltete meine Innenbeleuchtung ein. Keiner schien erstaunt uber das, was er sah, obgleich die Zeiche nsprache ununterbrochen und lebhaft weitergefuhrt wurde.

Ich versuchte zu schreien. Das tat den eigenen Ohren weh, da das Gerausch von den Tankwanden zuruckgeworfen wurde, ein bi?chen aber hatte auch hinausdringen mussen. So war es denn auch. Einige schuttelten den Kopf und wollten mir wohl andeuten, da? sie mich nicht verstanden. Da ich keine Worter geau?ert hatte, war es nicht weiter verwunderlich. Ich versuchte ihnen mitzuteilen, wer ich war — indem ich meinen Namen naturlich ungenannt lie? — und das in allen drei Sprachen, die ich angeblich flie?end beherrsche. Dasselbe versuchte ich in zwei anderen, in denen ich mich lediglich mittelprachtiger Kenntnisse ruhmen kann. Mehr als ein Kopfschutteln erreichte ich damit nicht, zwei oder drei schwammen sogar fort. Offenbar lie?en sie mich als hoffnungslosen Fall links liegen. Kein einziger machte einen Versuch, mit mir mittels Zeichen oder Gerausch in Verbindung zu treten.

Schlie?lich wurde ich heiser und mu?te aufhoren.

In den nachsten zehn Minuten geschah nicht viel.

Ein paar weitere trollten sich, andere kamen. Wieder Zeichensprache. Zweifellos wurden die Neua nkommlinge uber mich informiert. Sie alle trugen Overalls ahnlich denen, die ich drau?en gesehen hatte, einige davon in grellen Farben. Ich gewann den Eindruck, es handle sich um die Unterscheidung zwischen Arbeitskleidung und gehobenerem Anzugstil, obwohl ich keinen objektiven Grund fur diese Annahme geben kann.

Dann tauchten aus den Tunnels neue Schwimmer auf, weniger komplett gekleidet, und die Dinge gerieten in Schwung. Einer drangelte sich durch die Schar der Neugierigen an den Tank und klopfte sachte. Sehr erholsam, da? jemand meine Aufmerksamkeit suchte, statt andersherum, aber die richtige Uberraschung kam erst, als ich den Ne uhinzugekommenen erkannte.

Es war Bert Whelstrahl, der vor einem Jahr verschwunden war.

IX

Auch er erkannte mich, daran gab es keinen Zweifel. Als er mich durchs Fenster sah, setzte er ein Karusselpferdgrinsen auf, trommelte mit den Knocheln an den Tank und zog eine Braue mit einem Ausdruck hoch, der wohl bedeuten sollte: „Du liebe Gute, was machen wir blo? mit ihm!“ Ich war der Ansicht, die Situation rechtfertige den Einsatz meines letzten Stimmrestes und rief: „Bert! Horst du mich?“

Er nickte und vollfuhrte eine Handbewegung, Handflachen nach unten, die ich dahingehend interpretierte, da? ich nicht so laut schreien mu?te.

Das war eine Erleichterung. Ich schraubte mein Volumen zuruck, und nach einigem Hin und Her entdeckte ich, da? ich kaum lauter als im normalen Gesprachston sprechen mu?te, damit er mich horte.

Ich begann, ihm Fragen zu stellen, doch er gebot mir mit einer Handbewegung Einhalt und machte weitere Zeichen. Er hielt sich die Nase und mit der anderen Hand den Mund zu. Dann hielt er sich das linke Handgelenk vors Gesicht, als sahe er auf die Uhr, obwohl er gar keine trug.

Ich kapierte sofort. Er wollte wissen, wie viel Atemluft ich noch vorratig hatte. Ich warf einen Blick auf die Instrumente, machte mich ans Kopfrechnen und rief dann hinaus, da? ich noch etwa Luft fur funfzig Stunden in den Tanks hatte.

Da steckte er einen Finger in den Mund und zog die Brauen hoch. Ich antwortete, indem ich die teilweise leere Schachtel mit den Dextrose-Pillen hochhob. Er nickte und machte ein nachdenkliches Gesicht. Dann folgte minutenlange Gesten-Sprache mit den ihn Umgebenden, deren Kopfbewegungen das einzige mir Verstandliche waren. Als sie zu einem gemeinsamen Entschlu? gekommen zu sein schienen, winkte er mir zu und verschwand wieder in dem Tunnel, aus dem er aufgetaucht war.

In der nachsten halben Stunde passierte gar nichts, nur die Schar der Neugierigen wurde immer gro?er. Auch Frauen waren unter den neu Hinzugekommenen, doch konnte ich nicht beurteilen, ob die eine von drau?en darunter war. Ich hatte sie nicht so deutlich gesehen, als da? ich sie jetzt wiedererkannt hatte. Aber bei einigen sah ich sofort, da? sie es nicht sein konnten. Das Schwimmen scheint doch nicht der gro?e Segen fur die Figur zu sein, wie haufig behauptet wird.

Dann kehrte Bert zuruck. Er hatte etwas bei sich, das zunachst wie ein gewohnlicher Notizblock aussah. Als er das Ding an die Scheibe hielt, sah ich, da? die einzelnen Blatter nicht aus Papier waren. Er kritzelte auf dem obersten mit einem Griffel, der ein Zeichen hinterlie?. Dann hob er das erste Blatt, und das Zeichen verschwand. Ich hatte vor Jahren Spielzeug dieser Art kennen gelernt. Offenbar hatte er sich die Zeit genommen, das hier zu improvisieren. Eine gute und deutliche Losung des Problems des Unterwasser-Schreibens. Ein Wunder, da? nicht schon langst jemand dahintergekommen war.

Damit ich klar lesen konnte, mu?te er ziemlich gro?e Lettern schreiben, deswegen gestaltete sich unsere Unterhaltung ziemlich schleppend. Ich fing mit der Frage an, wozu die ganze Anlage diene, was unserem Gesprachstempo auch nicht sehr dienlich war. Bert lie? sich nicht darauf ein.

„Die Zeit ist zu knapp, als da? ich dir jetzt die ganze Geschichte erklaren konnte“, schrieb er. „Du mu?t eine Entscheidung treffen, bevor dir die Luft ausgeht — mindestens zwanzig Stunden vorher. Sie hangt damit zusammen, ob du an die Oberflache zuruckkehrst.“

Ich war sehr erstaunt und machte kein Geheimnis daraus.

„Willst du damit sagen, da? man mich zuruckgehen la?t? Warum hat man mich so muhsam eingefangen und abgeschleppt? Ich war doch schon ganz oben.“

„Weil deine Entscheidung in ihren Einzelheiten viele Menschen betrifft, und du solltest wissen wen und wie. Man hatte keine Ahnung, da? du Angestellter der Aufsichtsbehorde bist. Ich habe es ihnen gesagt. Aber es war ohnehin klar, da? dein Bericht bei der Behorde landen wurde. Und es ist sehr wichtig, was die Behorde von dieser Anlage hier erfahrt.“

„Ich nehme an, man will mich freilassen, wenn ich verspreche, nichts zu berichten. Du wei?t, da? ich das nicht konnte.“

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