nach unserer Ruckkehr gegen diese Anlage hier mit allen Mitteln vorgehen. Und das lag sicher nicht in der Absicht dieses „Rates“, von dem Bert gesprochen hatte. Moglich, da? das, was er gesagt hatte, doch etwas auf sich hatte.

Immerhin konnte es Dinge geben, die man hier lieber verheimlichen wollte, ob man Bert nun die Wahrheit von den Absichten des „Rates“ mitteilte oder nicht. Joey konnte hier oder auch tot sein, obwohl letztere Moglichkeit sehr unwahrscheinlich war. Auch wenn Bert damit recht hatte, da? Joey nie angekommen war — vielleicht besonders, wenn er recht hatte —, dann war da noch immer Marie, die Schwierigkeiten machte. Wenn sie sich hartnackig weigerte, aus freien Stucken zuruckzukehren, konnte man sie nicht einfach nach oben treiben lassen wie mich. Sie steckte in einem U-Boot. Naturlich bestand nun die Moglichkeit, da? man ihr Boot gewaltsam offnete, den Ballast entfernte und uns beide gleichzeitig nach oben treiben lie?. Vielleicht sollte ich das abwarten. Vielleicht…

Sollte meine Erzahlweise Sie verwirren, so haben Sie einen zutreffenden Begriff von meinen Gefuhlen bekommen. Wenn man uberdies bedenkt, da? mein Gedachtnis seit Beginn der Ereignisse einiges an Organisations— und Berichterstattertatigkeit geleistet hatte, bekommt man einen noch genaueren Eindruck. Langsam wurde es mir zuviel. Ich merkte ganz plotzlich, da? ich mich schon sehr lange nicht richtig ausgeschlafen hatte. Der Tank war dazu nicht der geeignete Ort, doch gibt es Zeiten, da man sich nicht mit Kleinigkeiten abgeben kann.

Ich schlief ein.

X

Die Uhr zeigte an, da? ich gute acht Stunden gepennt hatte. Ich erwachte mit der Uberzeugung, da? Planeschmieden sinnlos ware, ehe ich nicht herausbekommen hatte, wie diese Menschen hier existieren konnten, was man mit mir fur den Fall meines Hierbleibens vorhatte, und ganz besonders, wie es mir ergehen wurde, falls ich mich doch zur Ruckkehr entschlo?, nachdem ich zunachst meine Einwilligung zum Bleiben gegeben hatte und einer entspreche nden Behandlung unterzogen worden war.

Bert hatte mir klargemacht, da? er es mir nicht sagen wurde, doch hatte er immerhin zugegeben, da? er mir ein wenig mehr — als erlaubt — gesagt hatte. Es bestand also die Chance, da? ich selbst dahinterkommen konnte.

Mein Gedachtnis gilt als verla?lich. Was aber hatte er gesagt? Und was konnte von Bedeutung sein?

Am auffallendsten war seine Bemerkung, da? er nicht Wasser atme. In jenem Satz war noch etwas vorgekommen — was war es nur? — , „da? die Folgerung sich in zwei Punkten irre.“ Was konnte das nur bedeuten?

In grammatikalischer Hinsicht war der einleuchtendste Sinn des ersten Satzes jener, da? die uns umgebende Flussigkeit kein Wasser war. War dies moglich? Und wenn ja, gab es dafur andere Beweise.

Beide Male ja. Es gibt viele Flussigkeiten, die sich mit Wasser nicht vermischen — im allgemeinen nichtpolare Flussigkeiten. Kohlenstofftetrachloride und samtliche ole, um die bekanntesten zu nennen.

Wenn dies aber eine solche Flussigkeit war, dann mu?te sie zumindest die Dichte des Wassers aufweisen, wenn nicht gar eine gro?ere Dichte. Also nicht die gewohnlichen Ole. Auch nicht Kohlenstofftetrachlorid, da dies sehr giftig ist. Die Dichte mu?te hoch sein, weil es zwischen hier und dem Ozean keine Tur und auch kein Ventil gab, und Ol ware langst an die Oberflache getrieben und entdeckt worden.

Auf dieser Grundlage mu?te sich die Zwischenschicht zwischen dem Wasser und meiner hypothetischen Flussigkeit hochstwahrscheinlich am Eingang befinden. Meine Erinnerung kam der Idee zu Hilfe.

Als der Tank die Ebene des Schachteinganges erreicht hatte, wurde der Ballast vermehrt — eine Notwendigkeit, wenn die neue Flussigkeit dichter war als Wasser und der Tank in letzterem kaum sinken konnte. Auch die Schwimmer hatten den Ballast vergro?ert — naturlich, die Werkzeugbehalter. Wenn es sich um Werkzeuge handelte, warum hatte man sie auf dem Heimweg vom Meeresgrund an sich genommen? Falls aber drau?en nur Erholungsgebiet war und man die Werkzeuge nur im Inneren benutzte, warum blieben sie nicht an dem Ort, wo sie gebraucht wurden? Ware genugend Platz im Tank vorhanden gewesen, hatte ich mir selbst einen Tritt versetzt, weil ich nicht fruher dahintergekommen war — oder vielmehr, weil ich den Zweifeln, die ich zu jenem Zeitpunkt gehabt hatte, nicht nachgegangen war.

Schon und gut, erste Arbeitshypothese. Wir befinden uns in einer nichtpolaren, nichtgiftigen Flussigkeit, eine Spur dichter als Wasser. Ich glaube zu durchschauen warum, aber wir wollen nichts ubersturzen.

Nun kam also der zweite Punkt, in dem meine Analyse sich geirrt hatte.

Die Menschen atmeten kein Wasser, wie Bert sagte — weil sie sich nicht im Wasser befanden und weil sie gar nicht atmeten. Ich kam mit dieser Tatsache immer noch nicht zurecht, doch die Logik marschierte munter weiter.

Die grundlegende Idee war ureinfach. Wenn die Menschen nicht atmeten, brauchten sie in ihren Lungen kein Gas. Und wenn sie kein Gas in den Lungen hatten, machten ihnen Druckunterschiede nichts aus. Nun, sehen wir uns das genauer an. Man mu?te also auch Mittelohren und Nebenhohlen mit Flussigkeit fullen. Wenn die Flussigkeit ungefahr dieselbe Kompressionsfahigkeit hatte wie Wasser (Frage: warum wurde nicht Wasser benutzt? Fur spatere Uberlegung vorgemerkt), dann brachte eine Veranderung der Tiefe keine sichtbare Volumensveranderung in irgendeinem Teil des Korpers mit sich.

Ein paar Einzelheiten fehlten noch. Angeno mmen, man kam ohne Atmen aus, wie wurde das bewerkstelligt?

Nun, warum atmet man denn eigentlich? Um Sauerstoff ins Blut zu bekommen. Gibt es einen Ersatz fur Sauerstoff? Ein kategorisches Nein.

Element Nummer acht ist das eine und einzige oxydierende Agens, auf das der menschliche Stoffwechsel eingestellt ist — und in diesem Zusammenhang ist „eingestellt“ der beste Ausdruck.

Mu? aber Sauerstoff als Gas aufgenommen werden? Vielleicht nicht unbedingt. Falls meine Schulweisheit mich nicht im Stich la?t, ist das Hamoglobin nur an O2-Molekulen interessiert, nicht an Oxyd— oder Peroxydionen oder Ozon. Aber bis zu dem Zeitpunkt, da das Zeug in das Hamoglobin ubergeht, sind die anderen immerhin denkbar. Als erstes kommt einem etwa E?— oder Trinkbares in den Sinn. Konnte man etwas dem Magen zufuhren, das Oxygenmolekule freisetzte? Sicherlich. Es gab immerhin Wasserstoffperoxyd. Der freigesetzte Sauerstoff ging nicht sofort in diatomische Molekule uber, obgleich dieser Zustand sehr rasch erreicht wurde. Ich konnte mir zwar nicht vorstellen, da? jemand, der seine funf Sinne beisammen hatte, einen Humpen Peroxyd austrank, und das aus me hreren Grunden, doch schien mir das Prinzip bislang nicht anfechtbar.

Konnte der Sauerstoff vom Magen in den Blutkreislauf gelangen? Nicht direkt, doch konnte er den Weg der anderen Nahrungsmittel nehmen. In den Dunndarm und durch die Darmzotten. Ich erinnerte mich dunkel, da? die Oberflache hier viel weniger absorptionsfahig ist, als in den Lungen, doch unter dem Druck in diesen Tiefen stellte dies vielleicht keinen ernsthaften Mangel dar.

Arbeitshypothese zwei lautet daher: diese Menschen essen oder trinken etwas, das allmahlich Sauerstoff abgibt. Wenn das Gas unter diesem Druck immer in loslichem Zustand blieb, wurde der Korper einer Druckanderung gegenuber relativ indifferent bleiben. Obwohl mein Au?enpassagier vor wenigen Stunden doch vielleicht ernste Schwierigkeiten gehabt hatte, nachdem er den ganzen Weg an die Oberflache mit mir zuruckgelegt hatte.

Und wie stand es mit der Ausscheidung von Kohlendioxyd? Kein Problem. Wie ublich durch die Lungen hinaus. In der umgebenden Flussigkeit loste es sich sofort. Vielleicht war das der Grund, warum die Flussigkeit kein Wasser war. Moglicherweise benutzte man etwas, das Kohlendioxyd besser aufnehmen konnte, obwohl unter diesem Druck Wasser sicher ebenso gut war. Naturlich spielte bei Korperflussigkeiten unter gleichem Druck das komplexe Ione ngleichgewicht eher eine Rolle als die einfache Loslichkeit. Vielleicht war sogar eine pH-Steuerung notig. Das geschah mit Sicherheit innerhalb des Korpers. Das alles schien mir die Unterschiede zwischen Innen und Au?en zu verringern.

All das deutete darauf hin, da? man mich fur den Fall meines Bleibens vermutlich einer Druckbehandlung unterziehen wurde. Irgendwann wahrend dieses Eingriffs wurde man mir von der Sauerstoffquelle zu essen oder zu trinken geben. Ja, soweit ich es beurteilen konnte, war das die Hauptsache, abgesehen von kleineren

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