Schwimmflossen auftauche.
Der Entschlu? wurde noch durch die Tatsache begunstigt, da? ich mich noch immer nicht ganz tadellos fuhlte, ganz abgesehen von der Meinungsverschiedenheit zwischen meinen Augen und den halbkreisformigen Kanalen im Kopf, in der Frage, was oben und unten ist. Ich hatte das Gefuhl, da? die Kanale sich in diesem Fall zu keinem Entschlu? durchringen konnten, und da fiel mir ein, da? man sie womoglich auch einem chirurgischen Eingriff unterzogen hatte. Man hatte sie doch nicht mit Luft gefullt belassen konnen — oder doch? Wie stark war ein Knochen und wie gut geschutzt waren die Kanale ubrigens?
Ich tastete mich ab und entdeckte verschiedene Stellen am Hals und um die Ohren, wo glattes Plastikmaterial eines chirurgischen Verbandes die Haut bedeckte, aber das bewies nicht viel. Mir war ohnehin klargewesen, da? man im Ohrenbereich hatte Anderungen vornehmen mussen.
Ich verspurte nicht den leisesten Drang Atem zu holen. Man hatte mir also einen gewissen Vorrat an Sauerstoff-Nahrung wahrend des Umwandlungsvorganges eingeschmuggelt. Ich hatte gern gewu?t, wie lange dieser Vorrat wohl ausreichen wurde.
Plotzlich fiel mir ein, da? ich mich vollig in die Gewalt jedes Beliebigen begeben hatte, der sie gegen mich anwenden wollte, da ich keine Ahnung hatte, woher ich mir Nachschub von dem Zeug besorgen konnte. Das war ein Punkt, den ich mit Bert baldigst durchdiskutieren mu?te.
Ich versuchte mich zum Atmen zu zwingen. Ich entdeckte, da? ich imstande war, langsam Flussigkeit aus meinen Lungen zu drucken und sie ebenso langsam zuruckzubekommen, doch es schmerzte, und ich fuhlte mich noch benommener als von dem fur mich ungewohnten Zustand, gleichzeitig aufrecht und verkehrt zu stehen. Die Flussigkeit geriet in meine Luftrohre. Das spurte ich deutlich, obwohl der Hustenreiz ausblieb. Meiner Meinung nach war dies der komplizierteste Teil der Umwandlung in Anbetracht der Nerven— und Muskelaktivitaten, die das Husten bedingt.
Das Vorhandensein der Flussigkeit in meiner Luftrohre, obschon nicht unerwartet, fuhrte zu einer anderen Frage. Sicher hatte ich jetzt die Sprechfahigkeit eingebu?t, und die hier gebrauchliche Zeichensprache beherrschte ich nicht. Ich kannte nicht mal die gesprochene Sprache, auf der sie vermutlich basierte. Bis ich mich mit den Menschen hier verstandigen konnte, wurde ich viel Muhe und Plackerei aufwenden mussen. Vielleicht war es kluger, diese Muhe gar nicht erst auf sich zu ne hmen. Falls ich alles Wissenswerte von Bert erfahren konnte, waren Sprachstunden die reinste Zeitverschwendung.
Aber horen konnte ich wenigstens. Ich horte merkwurdige Gerausche, von denen ich einige eventuell als Summen eines Hochleistungsmotors oder Generators eingestuft hatte. Pfeifen, Heulen, Stampfen — alles Mogliche, aber keine vertrauten Gerausche. Hinzu kam, da? hier eine bestimmte Gerauschklasse vollig fehlte, namlich das Gewirr menschlicher Stimmen, das man in allen bewohnten Teilen der Erde vernimmt.
Meine Uhr zeigte an, da? fast eine ganze Stunde vergangen war, ehe jemand auftauchte. (Die Uhr wurde radioaktiv betrieben und war dem auf dem Meeresboden herrschenden Druck eigentlich nicht gewachsen, hatte sich aber tadellos gehalten.) Den Gro?teil dieser Zeitspanne machte ich mir Vorwurfe — nicht etwa, weil ich die Umwandlung hatte durchfuhren lassen, sondern weil ich versaumt hatte, die Zeit zwischen Entschlu? und Durchfuhrung auszunutzen und Bert nach weiteren Informationen auszuquetschen.
Der Neuankommling war jung und recht dekorativ — aber von Verliebtheit meinerseits konnte keine Rede sein. Das beruhte auf Gegenseitigkeit. Sie winkte mich an die Bettstelle heran und begutachtete meine Kluft fachmannisch.
Ich versuchte ihre Aufmerksamkeit auf das Fehlen von Schwimmballast zu lenken. Vielleicht hatte sie verstanden, denn sie horte mir hoflich zu und nickte freundlich, nachdem ich mein Gebardenspiel beendet hatte. Doch sie entfernte sich, ohne etwas Konstruktives unternommen zu haben. Ich hoffte sehr, sie wurde Bert herbeiholen.
Ob sie es getan hatte oder nicht, er kam jedenfalls als nachster herein. Er hatte zwar keinen zusatzlichen Ballast bei sich, dafur aber sein Schreibzeug.
Das war ja noch besser. Ich nahm es an mich und machte mich ans Schreiben.
Schon einmal im Leben hatte ich mich auf schriftliche Mitteilungen beschranken mussen. Dieser Zustand hatte mit dem Verlassen der Schule aufgehort. Damals war damit eine gewisse Erregung verknupft, da es im Studiersaal als verbotene Aktivitat galt. Jetzt aber erwies sich das Schreiben als reinstes Argernis.
In etwas uber zwei Stunden hatten wir uns geeinigt: Da? ich als vollwertiger Burger uberall Zutritt hatte und alles tun durfte, was nicht gegen die Interessen der anderen gerichtet war. Da? ich nicht nur die energieerzeugenden Anlagen besichtigen durfte, sondern mich mit ihnen so rasch als moglich vertraut machen sollte.
Das ich Marie in ihrem U-Boot besuchen durfte, wann ich wollte, und den Segen des Rates fur meine Debatten mit ihr hatte, und da? man von mir erwartete, ich wurde mich mit landwirtschaftlicher Betatigung fortbringen, bis ich bewies, da? ich auf andere, aber mindestens ebenso nutzliche Weise zum Gemeinwohl beizutragen imstande war.
Das war alles.
Wie oft in der Vergangenheit hatte ich nach einem ausfuhrlichen Gesprach feststellen mussen, da? mir, kaum war der Partner au?er Sicht, noch etliche Punkte einfielen, die ich vergessen hatte vorzubringen. Hier unten aber war das die Norm.
Es handelte sich dabei gar nicht um vergessene Punkte. Hier war nicht einmal ausreichend Zeit, alle abzuhandeln, die man sich vorgemerkt hatte.
Noch nie im Leben hatte ich die Gabe des Sprechens so schatzen gelernt. Leser, die nach Lekture dieses Berichtes zu der Ansicht gelangen, ich hatte gewisse Hauptfa ktoren schon viel fruher entdecken mussen, mogen sich gefalligst diese Schwierigkeit vor Augen halten. Ich behaupte gar nicht, da? ich nicht schneller hatte kombinieren konnen, kann jedoch fur mein Versagen immerhin eine Entschuldigung in Anspruch nehmen.
Das alles war nicht nur argerlich, nein, es gestaltete sich so, da? ich als arms eliger Dummkopf dastand, dummer als je zuvor, und dummer, als ich je wieder sein werde. Und das eigentlich Peinliche daran ist, da? gewi? viele, die meiner Geschichte bis zu diesem Punkt gefolgt sind, bereits wissen, an welchem Punkt ich in die Irre ging.
Fur die Betatigung auf dem Agrarsektor fehlte mir nun jedwede Begeisterung, obgleich es mich interessiert hatte, wie man hier unten Landwirtschaft betrieb. Noch mehr hatte mich allerdings die Energiequelle interessiert, aber auch diesen Punkt mu?te ich mir vorerst verkneifen. Als erstes bat ich Bert namlich, er moge mich zu Marie fuhren. Er nickte und schwamm mir voraus.
Unterwegs gab es keine Verstandigung. Mag ja sein, da? Bert schon so schwimmgewohnt war, da? er dabei hatte schreiben und lesen konnen wie eine Sekretarin, die unterwegs zum Mittagessen ihr Kreuzwortratsel lost, ich jedenfalls war es nicht.
Wahrend des Schwimmens sah ich mich eifrig nach allen Seiten um und versuchte mir moglichst viel zu merken.
Die Tunnels waren lang und gro?tenteils gerade, bildeten aber fur mich einen hoffnungslosen Irrgarten. Es wurde gewi? sehr sehr lange dauern, bis ich mich hier allein zurechtfand. Falls es uberhaupt etwas gab, das einem Verkehrsschild annahernd entsprach, so ubersah ich es. An den Wanden sah ich alle moglichen Farbmuster, konnte aber nicht unterscheiden, ob sie eine Bedeutung hatten oder rein dekorativen Zwecken dienten. Alles war hell erleuchtet.
Die Anlage bestand auch nicht ausschlie?lich aus Tunnels. Es gab hier gro?e Raumlichkeiten in den verschiedensten Formen, von denen einige Einkaufsze ntren oder Theater oder alles Mogliche sein konnten. Jedenfalls war hier Platz fur gro?e Menschenansammlungen. Zwar bekam ich selten richtige Menschenscharen zu Gesicht, aber die Schwimmer waren doch so zahlreich, um der Behauptung eine gewisse Wahrscheinlichkeit zu verleihen, da? namlich die Bevolkerung ziemlich gro? sei, kein Wunder, wenn die Sache hier schon seit mehreren Generationen lief. Allmahlich gewohnte ich mich daran, die Anlage als ganzes Land anzusehen, wie Bert behauptet hatte, und nicht nur als eine Organisation von Gesetzesbrechern. Ein Land, das seine Identitat niemals aufgegeben hatte und dem Energieabkommen nicht beigetreten war. Ja, so verhielt es sich vielleicht wirklich — die Anlage war womoglich alter als die Energiebewirtschaftung. Ich wu?te ja nicht, um wie viel mehr als die achtzig Jahre, die Bert genannt hatte, die hiesige Geschichte dauerte. Auch das mu?te ich erst herausfinden.
Beim Abschatzen von Entfernungen im Schwimmen war ich nie sehr gut, und einige der Korridore leisteten