Gesicht, doch der von den Zeichnern benutzte seltsame Ma?stab wollte mir einfach nicht in den Kopf. Gewi? lag das Kraftwerk so tief, da? auch gepanzerte Anzuge hier keinen Schutz mehr gegen den Druck boten.

Der Raum selbst war so gro?, das man kaum bis ans andere Ende sehen konnte. Vielleicht habe ich vergessen zu erwahnen, da? die Flussigkeit das Licht streute und weiter entfernten Gegenstanden ein verschwommenes Aussehen verlieh.

Als Steuerzentrum war der Raum eigentlich erschreckend unkonventionell. An einer Wand sah ich ein Liniengewirr, das sogar ich unschwer als Verteilernetz erkannte. Darunter ein anderes Schema, schwieriger zu erkennen, jedoch von eindeutig vertikaler Orientierung. Ich vermutete, da? es die Flussigkeitskreise zwischen der tief unten liege nden Warmequelle, den Umformern und dem oben gelegenen Warmeabzug darstellte. Eine Warmemaschine, egal welcher Art, funktioniert nach grundlegenden thermodynamischen Prinzipien. Die Diagramme ahneln einander daher, ob es sich nun um eine Dampfturbine oder um ein Thermoelement handelt.

Entlang dieser Diagramm-Linien waren Me?apparate angebracht, gro?tenteils vom bekannten Skala-Nadel- Typ, Schalter und Rheostate. Nichts Geheimnisvolles also. Auf den ersten Blick als Steuerzentrum eines Kraftwerks zu erke nnen. Auf den ersten Blick allerdings nur als solches zu erkennen. Um sich hier zurechtzufinden, wurde man mit Gluck und Geschick einen oder zwei Monate brauchen.

Drei?ig bis vierzig Schwimmer, gekleidet und behelmt wie wir trieben in einem gewissen Abstand vor der Instrumentenwand und lie?en die Instrumente nicht aus den Augen. Das war ein wenig erstaunlich. Bei einem Kraftwerk dieser Gro?enordnung hatte ich weniger Operatoren erwartet.

Falls die hier alle notig waren, um alles von Hand aus zu regeln, dann sprach diese Tatsache nicht fur den technischen Wissensstand hier unten — ahnlich wie die scharfe Gurtelschnalle. Ich hoffte stark, da? eventuelle Koordinationsschwachen nur zu Pannen und zu keiner Katastrophe fuhrten. Sicherlich waren Sicherheitssysteme vorhanden, au?erdem konnte ich in den Diagrammen so etwas wie Notaggregate entdecken, aber diese Vielzahl an Operatoren verlieh der Anlage einen Anstrich von Laienhaftigkeit. Ich sah genau zu. Die mit uns Gekommenen, sahen ebenso interessiert zu, das spurte ich. Ich hatte den Eindruck, da? sie ebenfalls zum ersten Mal hier waren. Das war gut moglich. Die Bevolkerung konnte sich ja nicht ausschlie?lich aus Energietechnikern zusammensetzen.

Das Geheimnis war jedoch noch unergrundlicher, weil ich wu?te, da? auch Bert keiner war. Er hatte zwar wie ich einen allgemeinen technischen Hintergrund, denn beim Aufstobern von Energieverschwendern geht es ohne entsprechende Ausbildung nicht ab. Aber aus welchem Grund besa? er hier unten Autoritat?

Er drehte sich um und verstandigte sich mit unserer Begleitung mittels Handbewegungen. Sodann schrieb er fur mich eine Mitteilung auf.

„Geh nicht zu nahe heran, damit du die Leute nicht ablenkst. Mehr als die Halfte sind Praktika nten.“ Jetzt sah die Situation schon besser aus.

„Hier nimmt man die Ausbildung offenbar sehr ernst“, antwortete ich.

„Darauf kannst du dich verlassen. Du wirst auch bald sehen warum. Schwimm umher und sieh dir an, was du willst — du wei?t genugend Bescheid, so da? ich dich nicht standig im Auge behalten mu? wie die anderen. Komm blo? keinem Operator in die Quere.“

Ich nickte. Die nachste halbe Stunde verwandte ich so, wie er es mir empfo hlen hatte. Ich studierte das gesamte Schaltbrett so eingehend wie nur mo glich. Mit der Zeit wurde mir alles immer besser verstandlich. Der erstaunliche Grund dafur war die Tatsache, da? die Me?gerate und Kontrollschalter mit ganz gewohnlichen Zahlen gekennzeichnet waren. Das hatte ich nicht erwartet, nachdem ich gesehen hatte, welche Art von Schrift hier verwendet wurde.

Leider standen die Zahlen allein da — ohne Angaben wie Volt oder Megabar. Trotzdem lie? die Lage eines jeden Instrumentes auf dem Diagramm einen Schlu? auf seinen Zweck zu. Nach einer knappen Stunde hatte ich das Gefuhl, ich wurde mich in dem System leidlich auskennen.

Zehn Schachte fuhrten zu den Warmeabsorbern an der Quelle — hochstwahrscheinlich einer Magma-Hohle. Die Einzelheiten der Absorber selbst konnte ich der Schema-Tafel nicht entnehmen, doch hatte ich von vulkanischen Anlagen genugend Ahnung, um es mir ungefahr vorstellen zu konnen.

Ich hatte einmal in Java eine Untersuchung geleitet.

Dort war Wasser das Arbeitsmedium gewesen. Die Destillieranlage, die Meerwasser aufnahm und es entsalzte, die elektrolytischen Einheiten, die aus den gewonnenen Salzen Alkalimetalle zogen, und die Ioneneinspritzanlage waren aus der Planskizze ersichtlich.

Die MHD-Umwandler, zehn an der Zahl, wurden in einem gewohnlichen Kuhler entluftet, der offe nbar mit Meerwasser gekuhlt wurde. Er diente nicht als Vorheizung fur die Destillieranlage, was in meinen Augen eine Verschwendung war.

Ohne Einheitsangaben an den Instrume nten konnte ich mir uber die gewonnene Netzspannung keine Klarheit verschaffen, doch mu?te es sich um Megawatt handeln.

Ich hatte das Gerausch, vor dem Bert mich gewarnt hatte, noch nicht wahrgenommen. Das hatte ich gewi? dem Anzug zu verdanken. Ich riskierte es und lockerte ganz leicht die Manschette zwischen Armel und Handschuh. Ja, da war ein Gerausch, ein schweres Drohnen wie von einer gro?en Orgelpfeife und zweifellos derselben physikalischen Ursache zu verdanken. Es verursachte keine Beschwerden, doch ich konnte mir denken, da? es unklug gewesen ware, den schutzenden Anzug abzulegen. Ich fragte mich, wie nahe wir den Dampf-Kanalen wohl waren, welche die Quelle des Gesummes sein mu?ten. Noch neugieriger war ich auf die Art und Weise ihres Funktionierens, aber im Augenblick mu?te ich mich ohne Einzelheiten zufrieden geben.

Die Schwimmer, die zusammen mit Bert und mir gekommen waren, hielten sich vom Schaltbrett weiter entfernt, vermutlich auf Grund seiner Anordnungen. Eine Weile sahen sie zu, dann aber fingen sie, nach ihren Handbewegungen zu urteilen, ein Gesprach an. Sie erinnerten mich stark an Schulkinder, denen der vorgefuhrte Film langweilig wird. Wieder fiel mir auf, wie seltsam es doch war, da? Bert Anordnungen geben, ja sogar als Fuhrer fungieren konnte.

Er selbst kummerte sich um die Leute, die mit uns gekommen waren, nach den ersten paar Minuten uberhaupt nicht mehr. Er hatte mir mit einer Geste zugewunken, die ich dahingehend deutete, da? er in Kurze zuruck sein wolle. Und schon war er fortgeschwommen. Ich widmete mich weiter der Betrachtung des Schaltbrettes.

Das Madchen und ihre Begleiter blieben mir auf den Fersen, kamen aber den Anlagen und den Operatoren nicht so nahe wie ich. Ihr Interesse galt augenscheinlich mehr mir als der Technik. Im Falle des Madchens war mir dies verstandlich, und ich nahm an, die Manner wollten eben dem Madchen nicht von der Seite weichen.

Schlie?lich war ich mit meiner Inspektion fertig und wurde ungeduldig, weil Bert noch nicht wieder da war. Fragen konnte ich nicht. Er hatte das Schreibzeug mitgenommen, uberdies hatte sich die Fruchtlosigkeit dieser Methode bereits gezeigt. Nun war wohl der geeignete Moment fur die ersten Lernversuche der hier ublichen Zeichensprache gekommen.

Ich schwamm zu der gegenuberliegenden Wand, gefolgt von den anderen, und begann etwas, das ich fur eine Sprachlektion nach Standard-Methode hielt. Ich deutete auf einzelne Dinge und versuchte die anderen dazu zu bringen, ihre Zeichensprache dafur anzuwenden.

Zu sagen, da? es schlecht ging, ware eine Untertreibung. Es ging so miserabel, da? ich nicht mal sicher sein konnte, ob sie kapiert hatten, was ich wollte. Sie vollfuhrten jede Menge Hand-, Armund Fingerbewegungen, mir gegenuber als auch untereinander, doch ich konnte nicht unterscheiden, ob sie damit die Namen der gezeigten Dinge meinten oder ob es Symbole fur die Verben waren, die ich ausfuhrte. Moglich, da? mir die subtileren Bewegungen und Ausdrucksweisen entgingen, aber ich konnte kein Schema entdecken, das genugend oft wiederholt wurde, damit ich es mir hatte me rken konnen. Das war die frustrierendste Erfahrung, die ich seit — na, seit einigen Stunden gemacht hatte.

Als Bert schlie?lich wieder aufkreuzte und sah, was da vor sich ging, bekam er wieder einen Beinahe- Lachanfall.

„Das habe ich auch versucht“, schrieb er mir,

„damals, als ich hier herkam. Ich galt immer als sprachbegabt, aber hiermit bin ich nicht vorangekommen. Man schafft es nur, wenn man als kleines Kind anfangt, glaube ich.“

„Du mu?t es aber doch ein wenig erlernt haben.“

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