Maschine aus. Wenn man nun die Wahl hat zwischen den originalen Betriebsanleitungen, in Hieroglyphen gedruckt, die nie gehorte Laute wiedergeben, und den Aufzeichnungen der mit den Maschinen vertrauten Techniker — was werden sich die Schuler wohl als Hausaufgabe aussuchen?
Naturlich sind die Originale erhalten und stehen noch zur Verfugung. Sie sind auch nicht sonderlich zerlesen und abgegriffen. Leider verlieren sie aber mit der Zeit an Wert, weil man moderne, neue Texte braucht. Doch gegen den modernen Text sprechen zwei Grunde.
Erstens kann kein Mensch ihn lesen. Zweitens sind sie fur Betrieb und Instandhaltung von Maschinen, die vor einem Jahrhundert konstruiert wurden, etwa so sinnvoll wie die Betriebsanleitung einer Hochleistungsdrehbank fur einen Feuersteinaxthersteller aus dem Jahre 3000 vor der Zeitwende.
Die vor so langer Zeit erzeugten Maschinen haben sich gut gehalten, zeigen aber schon Abnutzungserscheinungen. Die blo?e routinema?ige Wartung mu? immer haufiger einer gro?eren Reparatur, ja sogar dem Einbau von Ersatzteilen Platz machen.
In den ursprunglichen Buchern werden diese Probleme nicht behandelt, au?erdem kann man diese Bucher ohnehin nicht lesen. Und die Aufzeichnungen der Bedienungsmannschaft behandeln diese Probleme schon gar nicht.
Man benotigt daher Leute von oben, Ingenieure, welche die notigen Arbeiten ohne Anleitung schaffen, Fachleute, die den Inhalt neuer Bucher den hier Ansassigen verdeutlichen. Vielleicht ware Lehrer der geeignetste Ausdruck dafur.
Mit anderen Worten, man brauchte hier Joey, Bert, Marie und mich. Man braucht hier praktisch jeden, den man von der Oberflache rekrutieren kann. Man braucht uns dringend. Maries Hypothese erwies sich als vollig zutreffend. Man hat Me nschen wie uns schon jahrzehntelang geholt — jene Menschen, deren Aufzeichnungen mir alle diese Deutungen ermoglichten — und das Uberleben hier hangt davon ab, da? man diese Praktik beibehalt.
Damit aber wurde eine andere Uberlegung gespeist.
Ich wollte gern glauben, da? sich ein gewisser Prozentsatz derjenigen, die hier hergekommen waren, sei es durch Zufall oder als Ergebnis betrugerischer Anwerbung, hatte uberreden lassen, freiwillig zu bleiben. Aber mir erschien es unwahrscheinlich, da? dies bei allen der Fall war. Was war mit denen geschehen, die nicht eingewilligt hatten?
Ich sah zwei Moglichkeiten. Die eine war das Schicksal, das Marie erwartete, falls sie versuchte zuruckzugehen. Die andere war die von Bert gebotene Erklarung, namlich, da? man ihnen gestattet hatte, unversehrt zur Oberflache zuruckzukehren, da? aber die Behorde ihre Enthullungen oder Berichte vertuscht hatte.
Aber Bert war erwiesenerma?en ein Lugner. Au?erdem konnte er sich irren.
Ich fand Hinweise auf Besucher, die gekommen waren, von denen dann in weitere Folge aber nicht mehr die Rede war. Wenn sie nur vorubergehend blieben — klar, da? man sie nicht mehr erwahnte —, so oder so. Ich wollte nicht annehmen, da? man Gewalt angewandt hatte — ich glaubte lieber, da? Bert recht hatte. Aber Marie war schlie?lich auch nicht dumm, und die moralischen Grundsatze dieser isolierten Kultur ahnelten womoglich denen des vergangenen Jahrhunderts. Ja, in gewisser Weise stimmten sie mit ihnen haarscharf uberein.
Mir reichte es, da? auch nur die Moglichkeit einer Gefahr fur Marie bestand.
Diesmal war ich ausnahmsweise mit Bert ganz einer Meinung. Man mu?te sie sofort zur Ruckkehr bewegen. Zusatzlich mu?te sie gut bewacht werden, bis sie au?er Reichweite war. Von mir bewacht. Das waren zwei Aufgaben fur mich, von denen die erste sich wahrscheinlich schwieriger gestalten wurde. Marie hatte sich Berts Argumente fur ihre Ruckkehr mehrere Wochen lang angehort.
Die Folge davon war, da? ihr Vertrauen in Bert vollig untergraben war. Wie konnte ich es besser machen?
Ich behaupte von mir, da? ich ein annehmbarer Ingenieur bin. Ich kann au?erdem eine Untersuchung fachmannisch leiten, wenn es sich um ein technisches Problem handelt, wie zum Beispiel das Aufspuren von Energie-Lecks. Aber ich bin nun einmal kein Rankeschmied im richtigen altmodischen Sinn des Wortes, und dieses Problem machte mir eine ganze Weile schwer zu schaffen. Was mich so lange hemmte, war vermutlich mein naturliches Widerstreben, Marie etwas anderes als die reine Wahrheit zu erzahlen, dazu kam das noch gro?ere Widerstreben, ihr Kummer bereiten zu mussen.
Ich wei? nicht, was schlie?lich diese Blockade aufhob. Plotzlich erschien mir eines sonnenklar: Wenn Marie entschlossen war, hier unten zu bleiben, solange sie glaubte, Joey konnte am Leben und hier unten sein, wurde sie vermutlich zuruckkehren, wenn man sie uberzeugen konnte, da? er hier unten sein Leben gelassen hatte.
Die Idee gefiel mir eigentlich gar nicht. Ich mag Lugen nicht, schon gar nicht Lugen gegenuber Menschen, die mir vertrauen, im besonderen gegenuber Marie. In meiner Kindheit durchlief ich die ubliche Phase in der einem eine Luge als der einfachste Weg aus allen Schwierigkeiten erscheint.
Ein paar ausgezeichnete Lehrer und verstandnisvolle Eltern im Verein mit einem guten Freund mit einer schlagkraftigen Rechten, der funfzehn Pfund mehr wog als ich, halfen mir, dieses Stadium zu uberwinden. Im vorliegenden Falle mu? te ich mir standig vorsagen, da? es um Maries Sicherheit ging, ehe ich mich zu der Ansicht durchgekampft hatte, da? es anstandig ware.
Ob es den Kummer wert war, den ich ihr mit Sicherheit damit bereiten mu?te, daruber zerbrach ich mir lieber nicht den Kopf. Kaum hatte ich mich namlich endgultig zu meinem Entschlu? durchgerungen, als mir der ganze Plan auch schon so einfach erschien, da? ich mich fragte, warum Bert eigentlich nicht selbst darauf verfallen war.
Schlie?lich schien er meine Vorurteile gegen Falschheit und Lugen nicht zu teilen.
XIX
Bei der erstbesten Gelegenheit unterbreitete ich Bert den Vorschlag, und auch er konnte nicht verstehen, wieso ihm dieser Plan nicht schon langst eingefallen war. Er lobte mich so wortreich, da? mir bei wortgetreuer schriftlicher Wiedergabe seiner Hymnen ein Schreibkrampf sicher ware. Dann machte er sich unverzuglich an die Ausarbeitung der Einzelheiten.
Der Plan war ureinfach. Joeys U-Boot war noch vorhanden. Wir wollten es zerstoren und sodann Marie sagen, wir hatten die Uberreste gefunden.
Notigenfalls wurden wir ihr das Wrack zeigen. Die Registrier-Nummer und andere zur Identifizierung notige Einzelheiten wollten wir sorgsam erhalten.
Gesagt, getan. Wir machten uns auf den Weg zu dem Dock, an dem das Boot lag. De n sofortigen Arbeitsbeginn hinderte allein die Tatsache, da? sich wahrend des halbstu ndigen Schwimmweges ein jeder uber die Einzelheiten Gedanken gemacht hatte, und das ohne Verstandigungsmoglichkeit mit dem Partner. Als wir nun unsere Verstandigung wieder aufnehmen konnten, tauchten Unstimmi gkeiten auf, die erst nach einer halben Stunde ausgebugelt waren. Damit, mit der Arbeit und mit Berts Suche nach Leuten, die uns beim Transport helfen wurden, vergingen mehr als sechs Stunden, ehe wir das Boot in Bewegung setzen konnten.
Wir wollten erst gar nicht versuchen, es mit Eigenenergie zu bewegen, obgleich es moglich gewesen ware. Nach Joeys Umwandlung hatte man es mit der Lebens-Flussigkeit gefullt. Wir konnten also muhelos an den inneren Instr umenten herumhantieren. Es tauchte sogar der Plan auf, es in den „Umwandlungsraum“ zu schaffen und mit der Schleuse zu verbinden, damit wir Raum und Boot auf Oberflachendruck pumpen konnten, aber dann fiel mir etwas Einfacheres ein.
Wie alle Tiefsee-Arbeits-Boote hatte auch Joeys Schiff gro?e Auftriebs— und Ballast-Tanks. Erstere funktionierten noch, nach dem gegenwartigen Auftrieb zu schlie?en. Die Ballast-Tanks waren jetzt naturlich mit jener Flussigkeit gefullt, die unsere Umgebung bildete. Die Tanks bildeten zwei Einheiten, welche die volle Lange des Schiffsrumpfes parallel zum Kiel fast vollig einnahmen. Jede Einheit war durch Schotten in vier Zellen unterteilt.
Diese Schotten waren mit Ventilen und Pumpen versehen.
Wir offneten nun samtliche Ventile. Dann brachen wir die Wartungsoffnungen auf, ohne sie ganzlich zu offnen, so da? die Flussigkeit zwischen Rumpf-Inneres und Ballast-Tanks eindringen konnte. Die Ballast-