das Madchen an der Schulter — auch sie kaute — und deutete auf die Tunneloffnung, aus der wir gekommen waren. Ich hatte mir die Richtung gemerkt. Sie nickte und schwamm voraus. Na, wenigstens gab es das eine oder andere Zeichen, das wir beide verstanden.

Wir brauchten zehn oder funfzehn Minuten bis zu der Stelle, wo wir Marie zuruckgelassen hatten. Sie war naturlich nicht da. Ich hatte den Eindruck, meine Fuhrerin hatte vergessen, da? das Boot schon vor uns gestartet war, aber ich tat ihr vielleicht unrecht. Sie setzte sich jedenfalls schleunigst in jene Richtung in Bewegung, die das Boot eingeschlagen hatte, und in einer weiteren Viertelstunde hatten wir eine Stelle erreicht, an die ich mich erinnern konnte — den Gang mit dem gro?en Ventil, durch das mein Tank hineingeschafft worden war, als ich der Druckbehandlung unterzogen wurde.

Da ich die allgemeine Lage nun besser kannte, widmete ich der kleineren Schleuse mehr Aufmerksamkeit. Ein genauerer Blick zeigte mir, da? sie mit einem schwer gepanzerten ausfahrbaren Anschlu?teil ausgestattet war, der im Moment zuruckgezogen war. Diese Manschette konnte ganz einfach an die Einstiegluke eines jeden gewohnlichen Arbeitsbootes angepa?t werden.

Es wunderte mich ein wenig, da? Maries Boot noch nicht da war. Ich glaube, das Madchen wunderte sich auch. Sie sah sich ratlos um, als wu?te sie nicht, was zu tun ware. Dann sah sie mich an, als erwarte sie von mir weitere Anweisungen.

Ich beschrankte mich auf ein Nicken. Ich war ganz sicher, da? dies die richtige Stelle war. Vielleicht hatte die Tunnelgro?e die anderen zu einem Umweg gezwungen, aber dies konnte ich meinen Begleitern nicht verdeutlichen. Au?erdem hatten sie ja selbst auf diese Idee kommen konnen. Sie kannten sich hier wesentlich besser aus als ich.

Bert kreuzte als erster auf, begleitet von einem Mann in mittleren Jahren und von intelligentem Aussehen. Er stellte mir den Menschen nicht direkt vor, schrieb aber, da? dies der Arzt sei, der die Herz-Lungen-Maschine bedienen konne und dafur sorgen wurde, da? Nebenhohlen und Mittelohr wahrend der Druckanderung standig unter Beobachtung waren.

Es vergingen zehn Minuten, als das Boot aus der Richtung des Meeres-Einganges her auftauchte.

Fast gleichzeitig gesellte sich noch ein Schwimmer aus der entgegengesetzten Richtung zu uns. Ich bedachte ihn mit einem beilaufigen Blick in der Annahme, es handle sich um einen der Techniker, der bei dem Vorgang gebraucht wurde. Doch dann schlossen sich meine Augen jah, als ich von der Netzhaut jenes Bild loschen wollte, das sich, wie ich hoffte, als falsch erweisen wurde.

Als ich die Augen wieder offnete, war es aber noch immer Joey Elfven. Ich mu?te zugeben, da? der Regisseur, wer immer das sein mochte, sein Geschaft blendend verstand.

XXIII

Ich mu?te uberdies zugeben, da? wir dies hatten voraussehen mussen. Man hatte Joey nichts von den Ruckkehrplanen sagen sollen, ehe Marie und Bert nicht schon weit weg waren.

Nichts war wahrscheinlicher, als da? ihm ein paar letzte Fragen eingefallen waren, die er Bert unbedingt stellen wollte. Und er wu?te, wo er ihn antreffen wurde. Bert war augenscheinlich ebenso uberrascht wie ich, aber das nutzte uns im Moment nicht viel.

Marie sah ihn, noch ehe Bert oder ich uberhaupt einen klaren Gedanken fassen konnten. Das Boot lie? plotzlich den schwimmenden Fuhrer hinter sich. Sekunden spater brachten uns seine Wasserdusen ins Schleudern, als es unvermittelt vor uns anhielt. Ja, Marie hatte Joey gesehen. Ihre guten Manieren im Umgang mit den Eingeborenen waren wie weggeblasen.

Maries Stimme ubertonte unser aller Herzklopfen.

Ihre ersten Worte waren nicht eben das, was ich erwartet hatte, aber ich habe bereits zugegeben, da? sie um etliches schneller denken kann als ich. Nicht immer in dieselbe Richtung oder gar in die richtige, aber immerhin schneller.

„Joey!“ Das hatte ein willkommen hei?ender Ausruf sein sollen, doch auch die besondere Situation, in der wir uns befanden, lie? klar erkennen, da? es dies nicht war. Kaum zu glauben, da? ein Madchen, das fur einen Ma nn so viel auf sich genommen hatte, eben diesen Mann mit dem Ton einer strengen Tante ansprechen konnte, aber die Ahnlichkeit war unverkennbar. „Joey, seit wann wei?t du schon, da? ich hier bin?“

Joey sah sich nach den Schreibutensilien um. Ich handigte sie ihm mit dem gro?ten Vergnugen aus.

„Ich hatte bis zu diesem Augenblick keine Ahnung“, schrieb er.

„Seit wann wei?t du, da? Bert hier ist?“

„Ein paar Wochen. Genau wei? ich es nicht. Einen oder zwei Tage, nachdem ich selbst hier ankam.“

Ich ahnte, was als nachstes kommen wurde, aber zum Gluck hatte ich mich geirrt.

Marie war keine Technikerin. Naturlich kann sie ein U-Boot steuern, wenn es der Dienst verlangt, aber mit allen an Bord befindlichen Instrumenten und Zusatzgeraten ist sie nicht ganz vertraut. Aus diesem Grund war es mir schleierhaft, wie sie es fertigbrachte, ihren nachsten Schachzug so vollendet uber die Buhne zu bringen. Eine der kleineren Greifzangen schnellte aus ihrem Lager und fa?te Bert feinsauberlich um den Hals. Erst als Marie ihn fest im Griff ha tte, lie? sie der Tat die Worte folgen.

„Du dreckiger Lugner! Du schleimiger Schmutzfink! Ich sollte dir den Schadel vom verlogenen Hals drehen! Ich wurde dich am liebsten auf der Stelle erwurgen! Du wu?test, warum ich kam und wen ich suchte. Du wu?test, da? er hier war. Du hast ihm nicht gesagt, da? ich gekommen war, und du hast mich angelogen und gesagt, du hattest ihn nicht gesehen. Du hast den armen Tummy herumgekriegt, so da? er bei deiner krummen Tour mi tmachte!“

Ich stie? mich ein wenig an ihrer Au?erung, da? es mir an Verstand oder Initiative fehlte und ich fur mein Verhalten nicht verantwortlich ware, doch widerstand ich der Versuchung, sie zu unterbrechen und ihr klarzumachen, da? dieser Teil des Planes auf meiner Eigeninitiative beruhte. Ich erhob nicht einmal einen Einwand dagegen, da? sie einen der mir verha?ten Spitznamen gebrauchte. Ich lie? sie reden, bis ihr die Worte ausgingen.

Mehr will ich hier gar nicht anfuhren. Ich habe es ihr versprochen. Bert tat mir ein wenig leid, da der Griff um den Hals ziemlich schmerzhaft sein mu?te, doch hatte Marie ja selbst gesagt, da? sie ihn hier nicht gut erwurgen konnte. Ich war ubrigens davon uberzeugt, da? sie es auch nicht getan hatte, wenn es ihr mo glich gewesen ware.

Nicht Marie.

Die anderen schienen besorgt. Das Madchen und ihr standiger Begleiter sturzten sich auf den Greifarm und zerrten daran, erfolglos, wie es sich erwies. Auch der Arzt machte sich erfolglos an der Greifzange zu schaffen. Joey versuchte es erst gar nicht. Er winkte Marie zu und schuttelte den Kopf, in dem Bemuhen sie aufzuhalten. Es war eine Szene, wie geschaffen, von lebhafter Musik untermalt zu werden, begleitet von Schreien, dem Aufschlag von Fausten und dem Geklirr zerbrochenen Glases.

Und doch rollte alles in geisterhafter Stille ab.

Keine Schreie, die hier unten unmoglich waren, keine Fauste, die in diesem Medium keine gro?e Geschwindigkeit entwickeln konnten, kein Apparat in Reichweite, der zertrummert hatte werden ko nnen.

Joey schaffte es, dem allem ein Ende zu ma chen.

Er hielt noch immer die Tafel in der Hand und schrieb nun in den gro?tmoglichen Buchstaben:

„Du wirst ihn toten!“

Das hielt er so gegen die Scheibe, da? Marie praktisch nur die Tafel sehen konnte.

Nach wenigen Sekunden harte sie ihre funf Sinne wieder beisammen und offnete den Greifer. Berts Gesicht war violett, er hatte das Bewu?tsein verloren. Der Arzt packte sein Handgelenk, nicht um den Puls zu fuhlen, wie ich zunachst glaubte, sondern einfach, um ihn abzuschleppen. Die beiden verschwanden im Umwandlungsraum.

Ich zogerte sekundenlang, weil ich schwankte, was nun wichtiger ware, dann schwamm ich ihnen nach. Das Madchen und sein Freund folgten mir.

Maries Fuhrer blieb drau?en beim Boot. Joey machte zunachst ein Gesicht, als wolle er uns nach, anderte dann aber seine Absicht.

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