mu?te mit ihm sprechen.
Axt versuchte, sich noch etwas zu beruhigen, dann griff er zum Telefon und rief in Frankfurt an.
»Schmaler.«
»Hier spricht Helmut Axt.«
»Ach, Helmut, gut, da? du anrufst.« Schmaler war in Eile. Das horte Axt sofort. »Ich wollte mich auch schon bei dir melden. Niedner von den Geologen hat mich angerufen und mitgeteilt, da? sie ihre Untersuchungen in der Grube abgeschlossen haben.«
»Ah ja.«
»Sie sind sehr zufrieden und werden uns benachrichtigen, sobald erste Ergebnisse vorliegen.«
»Schon.«
»Er sagte, die Zusammenarbeit zwischen euch lief ganz ausgezeichnet. Das hat mich naturlich sehr gefreut.«
»Hm.«
»Du wei?t, wie wichtig Niedner fur uns ist.«
»Naturlich.«
»Ist irgend etwas, Helmut?«
»Wieso?«
»Na ja, du klingst so komisch.«
»Du, Gernot ...« Axt rausperte sich, irgend etwas in seinem Hals hinderte ihn am Sprechen.
»Ja?«
»Sitzt du gut?«
»Wie bitte?«
»Ob du gut sitzt?«
»Ich verstehe nicht.«
»Ich meine nur, bevor du dir anhorst, was ich zu sagen habe, solltest du dich in den bequemsten und weichsten Sessel setzen, den du finden kannst. Anschnallen ware auch nicht schlecht.« Axt schluckte.
»Was soll diese Geheimniskramerei, Helmut? Erzahl schon!«
»Also, wir haben da einen au?ergewohnlichen Fund gemacht.«
»Oh, wie schon! Was ist es denn?«
Nein, er wurde es nicht uber die Lippen bekommen, seine Stimme wurde diesen Unsinn einfach nicht mitmachen. Seine Zunge war zu einem harten Klumpen erstarrt und verweigerte demonstrativ die Mitarbeit.
»Ich, ah . na ja, ich wurde sagen, es sieht wie ein Hominide aus.«
»Ein was?« Axt horte formlich, wie Schmaler der Stift aus der Hand fiel.
»Ein Hominide. Spreche ich so undeutlich?«
»Bist du betrunken, Helmut?« fragte Schmaler nach einer kurzen Pause.
»Nein, leider nicht. Ich bin in meinem Leben noch nie so nuchtern gewesen. Aber die Flasche steht schon neben mir.« »Und du bist absolut sicher, da? es ein Menschenaffe ist? Das ware eine absolute Sensation.«
»Kein Menschenaffe, Gernot.« Er schrie es fast heraus.
»Du spinnst!«
»Nein, Gernot, ich spinne nicht. Ich wunschte, es ware so. Aber das ist noch lange nicht alles, es kommt noch viel dik-ker.«
»Was denn noch?«
»Es ist ein
»Also, jetzt reicht’s, Helmut! Wirklich!« Schmaler wurde argerlich. »Was ist denn in dich gefahren?«
»Wenn du mir nicht glaubst, dann komm her! Er liegt unten im Keller. Ich kann nicht mehr, Gernot. Ich bin fix und fertig. Es ist ein gottverdammter
Schweigen.
»Gernot, bist du noch dran?«
»Wei? sonst noch jemand von der Sache? Ich meine, wenn du nicht vollig ubergeschnappt bist und irgend etwas an der Geschichte dran ist, dann darf vorerst niemand davon erfahren.«
»Keine Sorge. Wir haben den Fund zwar alle zusammen geborgen, aber angeschaut hat ihn au?er mir bisher niemand. Ich habe ihnen erzahlt, da? es ein schlecht erhaltenes Krokodil ist.«
»Gut! Hast du schon eine Altersbestimmung machen lassen?« fragte Schmaler.
»Nein, ah, ich wu?te nicht ...«
»Also gut. Ich komme morgen abend und nehme dann eine Probe fur das Labor mit. Vorher kann ich leider nicht.«
Naturlich, dachte Axt, hatte mich auch gewundert. Aber er war trotzdem erleichtert.
»Gut, Gernot, bis morgen«, sagte Axt. »Ich danke dir!«
»Ja, bis morgen. Malt die Ohren steif! Ach, Helmut, bevor ich es vergesse .«
»Ja?«
»Ich habe da eine Einladung zu einem Vortrag nach Berlin bekommen, ins Institut fur Allgemeine Zoologie der FU. Du wei?t schon, das Ubliche, ein paar Dias, einige unserer Praparate, ein bi?chen was zur Historie und zur Praparationstechnik. Kannst du das nicht fur mich erledigen?«
Axt glaubte, seinen Ohren nicht zu trauen. Da qualte er sich seit Wochen mit diesem Skelett herum, wu?te nicht mehr ein noch aus, fuhlte sich ausgelaugt und hilflos, stritt sich wegen jeder Kleinigkeit mit seinen Mitarbeitern und sogar mit Marlis herum, und dieser Oberpalaontologe hatte nichts Besseres zu tun, als .
»Helmut? Bist du noch dran?«
»Ja, ich bin noch dran.« Er mu?te sich beherrschen, um nicht aus der Haut zu fahren. »Sag mal, hast du eigentlich verstanden, was ich dir gerade erzahlt habe? Gernot, wir haben hier ein menschliches Skelett.«
»Naturlich, ich hab schon verstanden. Wir klaren das morgen. Das kann doch nur ein Irrtum sein. Mach dir keine Gedanken! Was ist, Helmut, kann ich mit dir rechnen?«
Er lie? langsam den Horer sinken und legte ihn mit einem leisen Klicken auf die Gabel.
Was hatte Schmaler gesagt?
Das war nicht nur enttauschend, das war niederschmetternd. Er stie? ein bitteres Lachen aus. Wirklich grandios, genau die Art von Rat, die er jetzt brauchte.
Er go? sich einen Whisky ein und behielt die scharfe Flussigkeit so lange im Mund, bis das Bei?en auf der Zunge unertraglich wurde.
Vielleicht ware es gar nicht schlecht, nach Berlin zu fahren und diesen Vortrag zu halten. Das brachte ihn vielleicht einmal auf andere Gedanken. Er konnte bei Marlis’ Eltern ubernachten. Dann fiel ihm die Sache mit der Altersbestimmung wieder ein, wenigstens ein vernunftiger Vorschlag seitens seines gro?en Gurus. Aber da? er darauf nicht selber gekommen war, schockierte ihn. Was war nur los mit ihm? Naturlich fuhrten sie nicht mehr an jedem Fundstuck solche Bestimmungen durch, dazu waren diese Untersuchungen viel zu teuer. Au?erdem wu?ten sie mittlerweile ziemlich genau, wie alt ihre Fossilien waren. Aber in diesem Fall .
Eine Altersbestimmung wurde alles aufklaren. Einen Moment lang klammerte er sich an diesen Gedanken wie an einen Rettungsring und genehmigte sich noch einen Whisky zur Beruhigung. Dann fiel ihm ein, da? die Grabungsstelle und der Schiefer vollig unversehrt gewesen waren. Er hatte es ja selbst gesehen, hatte mit Hand angelegt.
Am nachsten Abend, als alle anderen die Station lange verlassen hatten, uberzeugte sich Gernot Schmaler selbst von der Richtigkeit dessen, was Axt ihm am Telefon gesagt hatte. Danach wirkte der grauhaarige beleibte Mann um Jahre gealtert. Aber im Gegensatz zu seinem jungeren Mitarbeiter erholte er sich schnell.
Als sie anschlie?end in Axts Arbeitszimmer zusammensa?en, hielt Schmaler ihm einen Vortrag, der seine Geduld auf eine harte Probe stellte. Er hatte jetzt selbst gesehen, was da in dem Schieferblock ruhe, sagte Schmaler mit ernster, bedeutungsvoller Miene - er hat sein Direktorengesicht aufgesetzt, dachte Axt -, und nun sei es von allergro?ter Bedeutung, da? sie nichts davon nach au?en verlautbaren lie?en. Das Ansehen ihrer Wissenschaft, des Museums, ja, der Grube als weltberuhmter Fossilienlagerstatte ware gefahrdet, wenn ohne