sich mit Claudia daruber verstandigt, da? sie den immer naher ruckenden Berghang hinaufklettern und nachschauen wurden, was dahinter lag. Wenn es auf der anderen Seite der Bergkette nicht anders als hier aussah, wurden sie umkehren, ganz egal, was Tobias davon halten mochte. Ihm wurde nichts anderes ubrigbleiben, als sich ihnen anzuschlie?en. Aber jetzt, nein, jetzt dachte er noch nicht an Umkehr. Er wollte wissen, wo er denn nun hier gelandet war, was das alles zu bedeuten hatte. Claudia ging es genauso. Jetzt waren sie schon so weit gefahren. Es war simple Neugierde. Sie wurden diese gottverdammten Berge hinaufsteigen und dann weitersehen.
Der Moment kam fruher als erwartet. Schon am nachsten Tag zogen sie das Boot an Land und versteckten es hinter einem gro?en Felsen.
Die Stromung des Flusses war zu stark geworden. Es hatte keinen Sinn mehr, mit Muskelkraft dagegen ankampfen zu wollen. Sie verbrauchten zuviel Energie dabei und zerbrachen moglicherweise noch eines der Ruder. Wenn sie wissen wollten, wie es hinter den Bergen aussah, dann mu?ten sie von jetzt ab laufen.
Sie lie?en alles im Boot zuruck, was ihnen irgendwie entbehrlich erschien, und fullten die so in den Rucksacken entstandenen Lucken mit Vorraten aus den beiden Koffern und anderen Ausrustungsgegenstanden. Samtliche geeigneten Gefa?e mu?ten mit Trinkwasser gefullt werden, da sie nicht wu?ten, wie lange es dauern wurde, bis sie wieder auf Wasser stie?en.
Es war ein beklemmendes Gefuhl, die Titanic zuruckzulassen. Als legten sie in zwanzig Meter Wassertiefe die Tauchgerate ab, um von nun an ohne Luftzufuhr weiterzuschwimmen. Alle empfanden das so, aber niemand sprach daruber.
Bald hatten sie die kahlen Berghange erreicht. Das Gelande stieg an. Claudia war sehr gut zu Fu?. Sie legte mit ihrem gro?en Rucksack ein solches Tempo vor, da? die beiden Manner kaum folgen konnten. Mit einem aufgeregten Pencil an ihrer Seite lief sie vorneweg.
Solange es ging, hielten sie sich in unmittelbarer Nahe des Flusses, dessen Wasser immer wilder wurde. Schlie?lich mu?ten sie aber auch ihn links liegen lassen, da die Uferboschung zu steil wurde. Wie unter Zwang mu?te sich Micha auf den ersten Kilometern ihres Marsches immer wieder umdrehen und zuruckschauen. Ohne das Boot gab es fur sie keine Ruckkehr.
Am Nachmittag desselben Tages stoberten sie zwischen den Felsen eine ziemlich normal aussehende Eidechse auf, wobei sie sich gegenseitig einen hollischen Schrecken einjagten. Sie war das erste lebende Wesen, das ihnen seit vielen Tagen begegnete, aber die Begru?ung fiel nicht besonders freundlich aus. Als sie dem Tier zu nahe kamen, prasentierte es plotzlich einen zackigen, bunten Hautkamm auf Rucken und Kopf und fauchte sie wutend an.
Wenig spater fanden sie einen ersten Hinweis, da? hier vielleicht auch gro?ere Tiere existierten, sogar sehr viel gro?ere.
Abends, im Licht der letzten Sonnenstrahlen, streiften sie noch etwas durch die Mondlandschaft in der Umgebung ihres Lagerplatzes. Dabei stie? Tobias auf die Fahrte eines Tieres. Als Claudia, Pencil und Micha durch sein gellendes Geschrei alarmiert und voller schlimmer Befurchtungen bei ihm eintrafen, sa? er in einem riesigen Fu?abdruck, den Rucken an die Ferse gelehnt, die Arme lassig vor der Brust gekreuzt und mit den Beinen uber Abdrucke monstroser Zehen hinausragend, wie in einem morbiden, ausgetrockneten Whirlpool.
Das waren die Spuren eines riesigen Sauriers, da konnte nicht der geringste Zweifel bestehen. Sie erstreckten sich uber etwa hundert Meter und rissen dann plotzlich ab, als ob das Tier die Lust am Laufen verloren und sich kurzerhand in die Lufte erhoben hatte. Aber wie alt war die Fahrte? War das der Beweis, auf den sie die ganze Zeit gewartet hatten? Wohl kaum, schlie?lich hatten sich eine gro?e Zahl solcher Fu?abdrucke bis in die Neuzeit erhalten. Diese hier mochten Jahrtausende, vielleicht Jahrmillionen alt sein, unter Umstanden aber auch nur wenige Wochen. Der Boden war jedenfalls steinhart. Zu dem Zeitpunkt, als das Tier hier entlanggegangen war, mu?te er weich gewesen sein, so da? sich die Spur tief eingedruckt hatte. Im Augenblick sah es wirklich nicht danach aus, aber vielleicht gab es hier doch gelegentlich heftige Regenfalle oder Uberschwemmungen. Leider wurden sie durch diese Entdek-kung nicht sehr viel schlauer, im Gegenteil. Michas Verwirrung nahm zu. Erdmittelalter, Dinosaurier, bei aller Liebe, aber das hatte ihm gerade noch gefehlt.
Er machte ein Foto von Tobias, wie er in dem Fu?abdruck sa? und so tat, als ob er sich einseife und abdusche. Sie hatten sich schon lange nicht mehr richtig gewaschen. Wahrscheinlich stanken sie zum Himmel. Claudia kicherte, aber ihm ging Tobias’ Getue schon bald auf die Nerven. Es waren nur ziemlich leicht durchschaubare Versuche, mit albernen Scherzchen Schonwetter zu machen.
In der nachsten Nacht traumte Micha von einer gro?en Herde Hadrosaurier. Tobias ging darin aus und ein, spielte in den gro?en Nestern mit den ubermutigen Jungtieren herum und wurde von den riesigen Echsen begru?t und beschnuffelt wie ein alter Bekannter. Sobald Micha aber versuchte sich ihnen zu nahern, wandten sie ihm ihre riesigen Kopfe mit den flachen Entenschnabeln zu, knurrten bedrohlich und brullten in ohrenbetaubender Lautstarke. In den Morgenstunden legte Claudia ihre Matte dicht neben Michas und schlief eng an ihn geschmiegt wieder ein. Danach horten endlich die Alptraume auf.
Sie naherten sich der Pa?hohe. Der Anstieg in der zunehmenden Tageshitze war morderisch, und Micha wurde es ab und zu schwarz vor Augen, er stolperte und mu?te einige Minuten ausruhen. Der Flu? lag jetzt linker Hand tief unter ihnen und brauste dort mit elementarer Gewalt durch eine enge Schlucht. Hinter ihnen erstreckte sich die Wuste. Irgendwo da unten lag ihr Boot. Unmittelbar vor ihnen ragten jetzt King und Kong in die Hohe wie ein gigantisches Victory-Zeichen. Ihr Weg wurde sie ganz nah an den beiden Felsturmen vorbeifuhren.
Jetzt hatte Tobias die Fuhrung ubernommen. Er kletterte immer schneller zwischen den uberall verstreuten Felsbrocken hindurch in Richtung Gipfel. Als er oben war, verschwand er aus Michas Blickfeld, aber er horte ihn irgend etwas rufen.
Bald hatte auch Micha die letzten Meter zuruckgelegt und stand schwer atmend auf einem breiten Bergsattel. Er suchte Tobias und fand ihn hundert Meter weiter an einen Felsen gelehnt. Er hielt sich das Fernglas vor die Augen. Auch Claudia und Pencil waren schon dort eingetroffen. Sie wuchtete gerade den schweren Rucksack vom Rucken und trank anschlie?end aus ihrer Wasserflasche. Micha schleppte sich noch ein paar Schritte weiter und lie? sich neben den anderen erschopft auf den Boden fallen.
Unten, auf der anderen Seite, erstreckte sich eine weite goldgelbe Hochebene, durch die sich als breites grunes Band der Flu? schlangelte. In diesiger Ferne erkannte man dicke Wolken am Himmel, darunter kegelformige Berge, Vulkane. Tobias blickte angestrengt durch das Fernglas, schwenkte mal hierhin, mal dorthin. Hin und wieder gab er ein Schnauben oder Grunzen von sich.
»Na, gibt’s wenigstens was zu sehen?« fragte Claudia. Ihr Gesicht war von der Anstrengung gerotet und glanzte vor Schwei?.
»Allerdings«, brummte Tobias. »Allerdings!«
Er machte keine Anstalten, das Glas abzusetzen.
Da unten ruhrte sich etwas. Micha erkannte jetzt einzelne kleine Punkte in der Ebene, die sich zu bewegen schienen. Es waren viele. Weit weg.
Plotzlich ging ein Ruck durch Tobias. Sein Rucken straffte sich. Er versuchte sich lang zu machen, stellte sich auf die Zehenspitzen.
»Was hast du denn?«
Einen Moment lang ruhrte sich Tobias nicht, dann setzte er das Fernglas ab, bot es Micha an und grinste. »Hier! Schau selbst! Damit durften dann wohl alle Unklarheiten beseitigt sein.«
»Was meinst du?« Micha konnte oder wollte zunachst nichts Besonderes erkennen. Sein Kopf war trage nach dem anstrengenden Aufstieg. Seine Augen begannen zu tranen, weil ihm bei?ender Schwei? hineinlief. Er mu?te blinzeln. Erst nach und nach sickerte in sein Bewu?tsein, was diese Bilder zu bedeuten hatten.
Unten am Flu?ufer gab es dichte Vegetation, ein Galeriewald. Da waren die Baume, die sie gesucht hatten. Kein Dschungel, aber immerhin gro?e, weit ausladende Baumriesen, dichtes Gestrauch. Und ... Was war das? Ja, naturlich, das waren Vogel .
»Nein, nicht da«, sagte Tobias, fa?te ihn an den Schultern und drehte ihn herum. »Du mu?t weiter rechts gucken. Ja, weiter rechts. Noch weiter.«
»Oah!«
Micha mu?te vor Schreck das Glas absetzen. Aber jetzt sah er sie auch mit blo?en Augen, vier schwarze Punkte, die gemachlich in Richtung Flu? trotteten. Drei Alte und ein Kalb.
Aus der Entfernung sahen sie zunachst wie ganz normale Dickhauter aus, ahnliche Gro?e, dieselben