das einzige Zeichen von Heiterkeit zu sein, zu dem dieser Mann fahig war, jedenfalls bisher. Schlie?lich nickte er.
Tobias war beeindruckt. »Er ist ein bekannter DinosaurierExperte«, sagte er. Das schien fur ihn die Situation von Grund auf zu verandern.
»Wirklich?« fragte Claudia, und Micha sagte: »Ach so!«, wobei ihm eigentlich selbst nicht ganz klar wahr, was diese Tatsache denn nun erklaren sollte.
Herzog winkte bescheiden ab. »Das zahlt jetzt nicht mehr.«
»Und ob das zahlt.« Tobias schien es deutlich besser zu gehen. Es war wie ein Wunder.
»Jetzt erzahlt mir lieber einmal, was euch auf die Wahnsinnsidee gebracht hat, hierherzufahren?« Sein Lacheln war verschwunden, und er sah sie mit seinem Raubvogelgesicht eindringlich an.
»Vermutlich das gleiche wie Sie«, antwortete Tobias.
Sie erzahlten ihm von Sonnenberg und Tobias’ Plan eine zweite, gemeinsame Expedition durchzufuhren.
»Sonnenberg«, murmelte Herzog. Er lachelte geheimnisvoll und schuttelte den Kopf. »Den gibt’s also immer noch.«
»Sie kennen ihn?« fragte Tobias verblufft.
Er nickte. »Allerdings, ich kenne ihn gut. Trotzdem! Ihr hattet nie hierherkommen durfen!«
Er hatte offenbar nicht vor, ihnen zu erklaren, woher er Sonnenberg kannte, denn er stand auf, ging in die Hohle und kam kurze Zeit spater mit einem ledernen Umhangebeutel und seinem Gewehr wieder heraus. Aus einer Felsennische neben dem Hohleneingang holte er einen selbstgefertigten Bogen und eine Handvoll Pfeile hervor. Das Gewehr benutze er nur in au?ersten Notfallen, sagte er spater. Sein Patronenvorrat sei sehr begrenzt. Aber es gabe hier doch so einige Savannenbewohner, gegen die er mit seinem Bogen nicht viel ausrichten konne.
»Ich habe jetzt einiges zu erledigen. Am besten ihr bleibt erst einmal hier, bevor sich noch jemand etwas bricht. Die Gegend ist fur Neulinge nicht ganz ungefahrlich.« Ohne eine Antwort abzuwarten, marschierte er los und verschwand in dem schmalen Felsdurchla?.
»Jawohl, Papa!« sagte Tobias leise, als Herzog verschwunden war.
Sie verbrachten den Rest des Tages in und vor der Hohle und beobachteten mit dem Fernglas das Leben in der Savanne, die sich unter ihnen ausbreitete. Irgendwie hatte das, was Tobias passiert war, einen Knacks bei Micha hinterlassen. Der Schock, die Verstorung sa? tief, und er war au?erstande, den au?ergewohnlichen Rundblick, den Herzogs Unterschlupf bot, zu genie?en. Claudia ging es ahnlich, das sah er an ihrem unsicheren Blick, an der Tatsache, wie oft sie Pencil streichelte und auf den Arm nahm, und an ihrem Desinteresse gegenuber dem Tierleben der Savanne. Und ausgerechnet Tobias, der ja eigentlich der Hauptleidtragende der ganzen Angelegenheit war, konnte sich vor Freude uber die schone Aussicht kaum beruhigen. Es war, als seien Claudia und Micha die Verletzten und er im Vollbesitz seiner Krafte. Mit dem Glas, das er sich mit der gesunden Hand vor die Augen hielt, suchte er die ganze Gegend ab und jubelte jedesmal, wenn er eine neue Entdeckung gemacht hatte.
Spater widmeten sie sich der Wohnhohle. Das erstaunlichste in dieser archaischen Umgebung war die Bibliothek, die neben einigen Romanen und Lyrikbanden, dicken Walzern uber Palaontologie, Evolution und Fossilien des Tertiars insbesondere auch das von Tobias erwahnte Werk ihres Gastgebers enthielt: Ernst Herzog,
Tobias meinte, da? Herzogs Werk zu den wenigen ma?geblichen Dinosaurierbuchern in deutscher Sprache zahle, obwohl es schon vor uber zwanzig Jahren geschrieben wurde. Der Rest der Bucher stelle sozusagen die Basisbibliothek jedes ernst zu nehmenden Palaontologen dar.
Auf einem primitiven selbstgezimmerten Tisch, der vor dem in den Fels geschlagenen Bucherregal stand, lag vor einem gro?en Tintenglas ein dickes, ziemlich abgegriffenes Buch. Es enthielt seitenlange handschriftliche Eintragungen und Zeichnungen, und als Micha das bemerkte, klappte er es hastig wieder zu, weil er sich plotzlich wie ein Eindringling vorkam. Auch die Fachbucher, einschlie?lich Herzogs eigenem, waren mit zahllosen Kommentaren und Randbemerkungen versehen worden. Es war ganz offensichtlich, da? Herzog hier Studien trieb, die er sorgfaltig protokollierte. Viel Zeit wurde ihm nicht dazu bleiben, denn schlie?lich mu?te er zuallererst sein Uberleben sichern, mit allem, was dazu gehorte.
Neben dem Tisch, den Buchern und dem mit aufgewuhlten Decken bedeckten Felsenbett enthielt der in schummriges Licht getauchte Hohlenraum nur wenige primitive Einrichtungsgegenstande: ein schiefes Holzregal, in dem sich seine Kuchenutensilien befanden, einige Holzschalen und zerbeulte Topfe, eine alte durchsichtige Plastiktute voller grober, mit Sand verunreinigter Salzklumpen, die vielleicht hier irgendwo aus der Gegend stammten, etliche Einweckglaser, in denen sich getrocknete Krauter und andere zum Teil ratselhafte Dinge befanden, zwei gro?e Eimer, die mit Wasser gefullt waren, und im hinteren Ende der Hohle eine aus Latten zusammengezimmerte Tur, hinter der allerhand Werkzeug lagerte. Das war alles. Neben dem Bett stand ein kleiner Holzrahmen mit einer Schwarzwei?fotografie. Sie zeigte ein junges Paar, sie in wei?em Kleid mit Ruschen an Armeln und Kragen, eine zierliche Person mit schulterlangen lockigen Haaren, er ein schlanker, schuchtern dreinblickender Mann mit Schnurrbart im dunklen Anzug. Ein Hochzeitsfoto. Neben dem Buch, das er geschrieben hatte, der einzige erkennbare Anhaltspunkt, da? dieser Mann auch einmal ein anderes Leben gefuhrt hatte, ohne wassergefullte Blecheimer, ohne Felsenbetten, ohne klapprige Holzregale. Das Bild wanderte von Hand zu Hand.
»Na, habt ihr etwas Interessantes entdeckt?«
Herzogs Silhouette zeichnete sich im Hohleneingang ab.
Claudia, die gerade das Foto in der Hand hielt, deponierte es erschreckt wieder an Ort und Stelle. »Wir dachten, Sie hatten nichts dagegen, wenn wir uns etwas umsehen«, sagte sie kleinlaut.
»Hier gibt es sowieso nichts Besonderes, fur jemanden wie euch, der aus der Zivilisation kommt, meine ich.« Er trat hinein und legte Gewehr und Lederbeutel neben der Tur ab.
»Sie und Ihre Frau?« Claudia deutete auf das Foto.
»Ja.«
»Hat Sie mit Ihnen hier gelebt?« fragte Tobias.
»Um Gottes Willen, nein.« Er lachte trocken. Es klang, als schuttele man eine Rassel. »Das hatte sie nie gewollt, nein, bestimmt nicht. Sie ist schon lange tot.«
»Das tut mir leid«, sagte Claudia leise, noch immer auf das Foto blickend.
Tobias pulte gelangweilt an dem trockenen Lehmverband herum.
»Tut dir denn der Arm gar nicht mehr weh?« fragte Claudia unglaubig.
»Doch, sicher, hin und wieder schon.«
»Er lugt«, sagte Herzog schmunzelnd. »Er hat noch gro?e Schmerzen, und das wird auch noch eine Weile so bleiben. In den nachsten Tagen mussen wir den Arm noch einmal anschauen und den Lehmverband erneuern. Er halt nicht so lange wie Gips.«
Tobias sagte nichts, verzog nur das Gesicht.
»Ubrigens, fur heute und morgen uberlasse ich dir noch einmal mein Bett. Aber danach mu?t du auf dem Boden schlafen wie deine Freunde.«
»Alles klar. Kein Problem. Ich kann heute nacht schon auf dem Boden schlafen. Wirklich! Ich will Sie doch nicht aus ihrem Bett vertreiben.«
»Heute und morgen noch«, sagte Herzog nur und lachelte in seinen Bart hinein. »Ihr konnt mich ruhig Ernst nennen.«
Die Sonne war schon untergegangen, und es wurde kuhl. Licht gab es hier naturlich keines, und so beeilten sie sich, ihre Schlafgelegenheiten herzurichten, solange es hell war. Spater zeigte ihnen Herzog seine kleine Ollampe, die er aber nur benutzte, um abends an seinem Schreibtisch arbeiten zu konnen. Das Ol, das er aus den Fruchten einer Palme gewann, die unten in der Savanne wuchs, war einfach zu kostbar. Auch mit dem Holz fur seine Kochstelle war er sehr sparsam, da er jedes einzelne Holzscheit hierherauf zur Hohle schleppen mu?te.
Das gleiche galt in noch viel strengerem Ma?e fur das Wasser. Da verstand Herzog keinen Spa?. Immer wieder scharfte er ihnen ein, sparsam mit Wasser umzugehen, und als sie spater einmal den gut anderthalbstundigen Marsch zum Flu? hinunter ubernommen und die wassergefullten, schweren Eimer dann wieder zuruckgeschleppt hatten, wu?ten sie, warum.
Die nachsten Tage verliefen ereignislos, wenn man einmal davon absah, da? sie durch ihre Gesprache