da noch Don Satarina, ein verbissener kaiserlicher Aristokrat, hundertzwei Jahre alt und bereits vollig senil. Er lebt in Familienfehde mit den Herzogen von Irukan und schnappt sich, wenn er gerade wieder einmal lebendig ist, alles, was die irukanische Grenze uberquert. Er ist sehr gefahrlich, denn unter dem Einflu? der Wirkung von Cholezistit ist er dazu fahig, Befehle auszugeben, da? die Kirchen nicht nachkommen, die Leichen aus seinen Kerkern abzuholen.
Und, schlie?lich und endlich, die Hauptsache. Nicht weil es das Gefahrlichste, sondern weil es das Allerwahrscheinlichste ist. Die graue Patrouille Don Rebas. Die Sturmowiki auf den Hauptwegen. Du konntest ganz zufallig in ihre Hande gefallen sein, Budach, dann aber kannst du nur mehr auf die Schlagfertigkeit und Kaltblutigkeit deines Begleiters hoffen. Was aber, wenn Don Reba hochstpersonlich an dir interessiert ist? Denn Don Reba zeigt manchmal solch unerwartetes Interesse … Seine Spione konnten melden, da? du durch Akanar reist, es wird dir eine Abteilung unter dem Kommando eines dienstbeflissenen Grauen Offiziers entgegengesandt, eines Hofkretins von niederem Rang, und dann sitzt du im steinernen Sack unter dem Turm der Frohlichkeit … Rumata zog noch einmal ungeduldig an der Schnur. Die Tur des Schlafzimmers offnete sich mit einem widerlichen Knarren, und herein kam ein magerer, duster blickender Knabe. Sein Name war Uno, und sein Schicksal hatte als Thema fur eine Ballade dienen konnen. Er verneigte sich an der Schwelle und scharrte dabei mit seinen zerfetzten Schuhen, trat an das Bett und setzte auf das Tischchen ein Tablett mit Briefen, Kaffee und einem Stuck Rinde zum Kauen, zur Kraftigung der Zahne und zur Reinigung. Rumata warf ihm einen argerlichen Blick zu.
»Sag mir bitte, wirst du vielleicht irgendwann mal die Tur schmieren?«
Der Knabe blickte schweigend zu Boden. Rumata warf die Decke von sich, lie? seine nackten Fu?e auf den Boden gleiten und langte nach dem Tablett. »Gewaschen heute?« fragte er.
Der Knabe trat von einem Fu? auf den andern und ging dann, ohne zu antworten, durchs Zimmer, um die verstreuten Kleidungsstucke aufzuheben.
»Mir scheint, ich hab dich gefragt, hast du dich heute gewaschen oder nicht?« sagte Rumata, wahrend er den ersten Brief offnete. »Mit Wasser wascht man seine Sunden nicht weg«, brummte der Knabe verhalten. »Wozu also, edler Don, wozu soll ich mich waschen?«
»Und was habe ich dir uber die Mikroben erzahlt?« sagte Rumata. Der Knabe legte die grune Hose seines Herrn sorgfaltig uber die Sessellehne und fuhr mit dem Daumen durch die Luft, um die bosen Geister zu verjagen.
»Dreimal des Nachts habe ich gebetet«, sagte er. »Was soll ich denn noch tun?«
»Dummkopf«, sagte Rumata und begann den Brief zu lesen. Es schrieb Dona Okana, ein Hoffraulein, die neue Favoritin Don Rebas. Sie lud ihn ein, noch am selben Abend zu ihr, der »zartlich Schmachtenden«, zu kommen. Im Postskriptum stand mit einfachen, aber deutlichen Worten geschrieben, was sie sich wirklich von dieser Begegnung erwartete. Rumata konnte sich nicht beherrschen, er lief rot an. Mit einem raschen Seitenblick auf den Knaben murmelte er: »Also, wirklich, das …« Das sollte man sich uberlegen. Hinzugehen war widerlich; nicht hinzugehen aber dumm – Dona Okana wu?te viel. Mit einem Zug trank er den Kaffee aus und steckte sich die Kaurinde in den Mund.
Das nachste Kuvert war aus festem Papier, das Siegel beschadigt. Es war offensichtlich, da? man den Brief geoffnet hatte. Er stammte von Don Ripat, einem skrupellosen Karrieristen, einem Leutnant der Grauen Rotte, der nach dem werten Wohlergehen fragte, seine Uberzeugung vom Sieg der Grauen Sache zum Ausdruck brachte und bat, die Zahlung seiner Schuld aufzuschieben, indem er auf die widrigen Umstande hinwies. »Gut, schon gut …«, brummte Rumata vor sich hin und legte den Brief weg, fa?te dann noch einmal das Kuvert und betrachtete es mit Interesse. Ja, sorgfaltiger arbeiten sie jetzt. Merklich sorgfaltiger.
Der dritte Brief enthielt eine Aufforderung zum Duell wegen einer Dona Pifa, man erklarte sich aber bereit, die Forderung zuruckzuziehen, falls Don Rumata geneigt sei, Zeugnis abzulegen, da? er, der edle Don Rumata, auf Dona Pifa keine Anspruche erhebe und niemals erhoben habe. Der Brief war von der ublichen Sorte: Den Grundtext hatte ein Kalligraph geschrieben, und in die freigelassenen Stellen waren – ungelenk und mit grammatischen Fehlern – die Namen und Fristen eingesetzt worden.
Rumata lie? den Brief fallen und kratzte seine linke Hand, die von den Mucken ganz zerbissen war. »Na, bring mir das Waschzeug!« befahl er.
Der Knabe verschwand hinter der Tur und kehrte gleich darauf mit einem holzernen Waschgefa? zuruck. Er schleifte den Zuber hinter sich her und wackelte dabei mit dem Hintern. Dann lief er noch einmal durch die Tur und zog einen leeren Kubel mit einer Schopfkelle herein.
Rumata sprang schlie?lich auf den Boden, zog sich das kunstvoll bestickte alte Nachthemd uber den Kopf und ri? mit Klirren die Schwerter aus ihrer Scheide uber dem Kopfende des Betts. Der Knabe duckte sich vorsichtshalber hinter einen Stuhl. Nachdem er zehn Minuten Attacke und Verteidigung geubt hatte, lehnte er die Schwerter gegen die Wand, beugte sich uber den leeren Holzzuber und befahl: »Das Wasser!« Ohne Seife war es zwar recht elend, aber Rumata hatte sich schon daran gewohnt. Der Knabe go? Kelle fur Kelle uber seinen Rucken, den Hals und den Kopf und murmelte dabei in einem fort: »Uberall halten sie’s wie bei Menschen sonst, nur bei uns gibt es solche Spitzfindigkeiten. Wo hat