man so etwas schon gesehen, sich mit zwei Eimern zu waschen? Jeden Tag ein frisches Handtuch … Und er selbst springt in aller Fruh, nackt und ohne vorher gebetet zu haben, mit zwei Schwertern herum …« Wahrend er sich kraftig frottierte, sagte Rumata mit erzieherischem Ton in der Stimme:
»Ich bin ein Mitglied des Hofes und nicht irgendein lausiger Baron. Ein Hofling mu? immer sauber sein und wohlriechend.«
»Seine Konigliche Hoheit wird aber kaum an Ihnen riechen«, entgegnete der Knabe. »Und jeder wei?, da? seine Hoheit Tag und Nacht beten, fur uns Sunder. Und dann Don Reba, der wascht sich doch uberhaupt nie. Das habe ich selbst gehort, aus erster Hand, sein Lakai hat es mir selber gesagt.«
»Schon gut, brumm nicht«, sagte Rumata und zog sein Nylonunterleibchen uber. Der Knabe blickte mit Unbehagen auf dieses Unterhemd. Seit langem schon kursierten daruber gewisse Geruchte in der Dienerschaft von Arkanar. Aber Rumata konnte nichts dagegen tun, einfach aus allzu naturlichen Grunden der mannlichen Mentalitat. Als er seine Unterhose anzog, drehte der Knabe ruckartig den Kopf weg und machte mit den Lippen eine Bewegung. als wolle er den Unreinen verscheuchen.
Es ware aber trotzdem ganz gut, hier Unterwasche in Mode zu bringen, dachte Rumata. Doch solche Neuerungen waren naturgema? nur mit Hilfe der Frauen durchzufuhren, und er zeichnete sich ungluckseligerweise auch auf diesem Gebiet durch – fur einen Spion eigentlich unstatthaft hohe – Anspruche aus. Fur einen Kavalier und Mann von Welt, wie er es war, fur einen gro?e Kenner der Hofetikette und fur jemanden, den man in die Provinz schickte, um dort Duelle in Sachen Liebe auszufechten, gehorte es sich einfach, mindestens zwanzig Geliebte zu haben. Rumata unternahm heroische Anstrengungen, sein Renommee aufrechtzuerhalten. Die halbe Belegschaft seiner Agentur verbreitete, anstatt sich mit ernsteren Dingen zu befassen, die abscheulichsten Geruchte, welche dazu angetan waren, den Neid und das Entzucken der Junglinge aus der arkanarischen Garde zu erwecken. Dutzende entzuckt-enttauschter Damen, bei denen sich Rumata – absichtlich Gedichte rezitierend – bis in die spate Nacht hinein aufhielt (dritte Nachtwache: bruderlicher Ku? auf die Wange der Damen und Sprung uber den Balkon – in die Arme des Kommandeurs der Wache, eines ihm gut bekannten Offiziers), ubertrumpften einander in Erzahlungen uber den wahrhaften Stil eines echten Kavaliers aus der Hauptstadt. Auf dieser Linie arbeitete Rumata nur mit der Eitelkeit jener bis zur Widerlichkeit ausschweifenden Weiber … Doch das Problem der Unterwasche wurde dabei nicht beruhrt …
Wieviel einfacher war es da doch mit den Taschentuchern! Gleich beim ersten Ball zog er mit Schwung aus seiner Westentasche ein elegantes Seidentuchlein und trocknete sich damit die Lippen. Und schon beim nachsten Ball trockneten sich die mannhaften Junglinge aus der Garde ihre schwei?triefenden Gesichter mit gro?en und kleinen Stucken Stoff verschiedener Farbe, bunt bestickt und mit Monogrammen. Und innerhalb eines Monats tauchten die Salonlowen auf und trugen uber der abgewinkelten Hand ganze Leintucher, deren Enden sie elegant am Boden nachschleiften … Rumata zog seine grune Hose und ein wei?es Batisthemd mit zuruckgebugeltem Kragen an. »Hat sich jemand melden lassen?« fragte er.
»Der Barbier wartet«, sagte der Knabe. »Und au?erdem sitzen zwei Dons im Salon, Don Tameo mit Don Sera. Sie lie?en sich Wein bringen und streiten bis aufs Messer. Sie erwarten Euch zum Fruhstuck.«
»Geh und ruf den Barbier. Den edlen Dons sag, da? ich gleich komme. Aber rede nicht grob zu ihnen, verstehst du, immer schon hoflich …«
Das Fruhstuck war nicht sehr opulent und lie? Platz fur ein baldiges Mittagessen. Man servierte einen stark gewurzten Braten und in Essig eingelegte Hundeohren. Man trank irukanischen Schaumwein, den dickflussigen braunen estorischen und wei?en soanischen. Wahrend er mit gro?er Geschicklichkeit unter Benutzung von zwei Dolchen eine Hammelkeule zerlegte, beschwerte sich Don Tameo uber die anma?ende Frechheit der niederen Schichten. »Ich werde an allerhochster Stelle Beschwerde einbringen«, erklarte er. »Der Adel fordert, da? es dem Bauern- und Handwerkergesindel untersagt wird, sich auf offentlichen Platzen und auf der Stra?e blicken zu lassen. Sollen sie uber die Hofe und Hintereingange gehen. In solchen Fallen aber, wo das Erscheinen eines Bauern auf der Stra?e unausweichlich erscheint, wenn sie zum Beispiel Brot, Fleisch oder Wein liefern, so sollen sie sich eine besondere Bewilligung vom >Ministerium zum Schutz der Krone< holen.« – »Ein gescheiter Kopf!« sagte Don Sera ganz entzuckt und verspruhte dabei Speichel und Fleischsaft. »Aber gestern abend bei Hof …« Und er erzahlte die letzten Neuigkeiten. Die neue Leidenschaft Don Rebas, das Hoffraulein Okana, tappte unvorsichtigerweise dem Konig auf seinen kranken Fu?. Seine Hoheit gerieten in Zorn, und, zu Don Reba gewandt, befahlen sie, die Verbrecherin beispielhaft zu bestrafen. Worauf Don Reba, ohne mit der Wimper zu zucken, antwortete: »Wird ausgefuhrt, Eure Hoheit. Noch heute nacht!« – »Ich hab so lachen mussen«, sagte Don Sera und verdrehte dabei den Kopf, »da? mir zwei Knopfe von meiner Weste gesprungen sind …« Protoplasma, dachte Rumata. Einfach fressendes und sich vermehrendes Protoplasma.
»Ja, edle Dons«, sagte er. »Don Reba ist wirklich ein sehr, sehr kluger Mensch …«
»Oho, oho!« sagte Don Sera. »Was denn! Er ist eine geistige Leuchte …!«
»Ein hervorragender Staatsmann«, sagte Don Tameo wissend und mit Gefuhl.
»Jetzt scheint es sogar seltsam, wenn man sich erinnert«, fuhr Rumata freundlich lachelnd fort, »was man noch vor einem Jahr alles uber ihn erzahlt hat. Erinnern Sie sich, Don Tameo, wie witzig Sie sich uber seine krummen Beine auszudrucken beliebten?« Don