»Warum nur eine Frau? Sag denen, du willst zwei kennenlernen!«, brullte ich.

»Sei still«, zischte Andrej und machte grausame Grimassen. »Eine gro?e, junge blonde Frau. Oder eine brunette. Kann auch klein sein, ist egal.«

Die Moderatorin stellte ihm die obligatorischen Fragen:

»Was sind Ihre kulturellen Interessen?«

Das war naturlich eine Falle, aber Andrej lie? sich nicht einschuchtern.

»Kino«, sagte er. »Theater und Konzerte. Ich liebe die Natur, gehe gern spazieren und ah... essen.«

»Was wurden Sie auf eine einsame Insel mitnehmen?«, lie? die Moderation nicht locker.

»Sie«, sagte Andrej.

»Mich?«, wunderte sich die Moderatorin.

»Nicht Sie, ich meine die Frau!«, erklarte Andrej.

»Und was wurden Sie auf der Insel tun?«, fragte die Moderatorin interessiert.

»Folgendes also«, sagte Andrej. »Ich werde sie kussen und streicheln, dann werden wir zusammen baden und, na ja, und so weiter halt, hehe...«

Die Moderatorin kundigte eine Musikpause an, wahrenddessen die Braute anrufen sollten. Es war eine sehr lange Musikpause, ein Doubleplay wie es beim Rundfunk hei?t, und danach kam nichts. Niemand rief an.

»Wenn es in diesem Radio etwas zu gewinnen gibt«, wutete Andrej, »dann rufen sie schon nach zehn Sekunden an!«

»Es tut mir leid, Alexander. Du hattest heute Pech! Ruf uns nachste Woche noch mal an, vielleicht hast du dann mehr Gluck!«, flotete die Moderatorin und verabschiedete sich hoflich.

»Dabei ist sie noch ganz nett«, erklarte mir mein Nachbar.

Neulich hatte er beim russischen Radio, das es neuerdings in Berlin gibt, mit derselben Absicht angerufen. Die dortige Verkuppelungssendung wird von zwei jungen Mannern moderiert, die ihn sofort zusammengeschissen hatten.

»Wovon lebst du?«, hatten sie gefragt. »Von Arbeitslosenhilfe? Was willst du dann mit einer Frau? Leg auf, Junge, und ruf hier nie wieder an, bevor du nicht einen anstandigen Job gefunden hast!«

»Echt krass, diese Russen!«, schuttelte er den Kopf. »Die deutsche Moderatorin war dagegen reine Sahne. ›Nachste Woche hast du vielleicht mehr Gluck...‹«

Jeder ist ein Dichter  

Mein Nachbar Sergej hat mit seinem Ford Escort Schei?e gebaut. Er hat ein paar von diesen rotwei? gestreiften Dingern gerammt, die um jede Baustelle herumstehen. Sofort war die Polizei zur Stelle und packte ihn in Handschellen. Sergej erklarte, dass er unschuldig sei und nur habe helfen wollen. Es sei an dem Tag zu schnell zu dunkel geworden und das gestreifte Ding habe nicht geblinkt.

»Es sollte doch blinken, oder?«, fragte er die Beamten. Er habe gedacht, die Absperrung hatte ausgedient und irritiere jetzt nur die Autofahrer, erklarte Sergej. Also habe er uberflussige Absperrung unauffallig und unburokratisch aus dem Weg raumen wollen.

Sein Alkoholtest war hervorragend. Das Gerat zeigte 0,34 Promille, beim zweiten Versuch sogar nur 0,26 - das Bier vom Vortag quasi. Die Polizei lie? ihn trotzdem nicht weiterfahren. Die Beamten nahmen Sergej mit aufs Revier, wo er noch einmal durchsucht wurde. Au?erdem wurde ihm Blut abgenommen und ein Drogentest durchgefuhrt. Der Arzt fragte ihn, welcher Wochentag sei, und zwang ihn, sich mit der rechten Hand mehrmals an das linke Ohr zu fassen. Die Polizisten rieben sich schadenfroh die Hande.

»Mindestens neun Monate Fahrverbot«, prophezeite der eine.

»Wenn alles gut lauft, vielleicht sogar noch mehr«, sagte der andere.

Nach zwei Wochen bekam mein Nachbar jedoch seinen Fuhrerschein wieder zuruck, zusammen mit einem Schreiben der Amtsanwaltschaft. Dort stand:

»Sehr geehrter Herr Silberstein,

anliegend erhalten Sie Ihren polizeilich sichergestellten Fuhrerschein vorbehaltlich des Ausganges des noch gegen Sie anhangigen Ermittlungsverfahrens zunachst zuruck. Hochachtungsvoll, Justiz Struck.«

»Sie machen sich lustig uber mich«, witterte Sergej. »Man sieht es doch, sie schicken mir Briefe in Reimen! Diese Schweinedichter!«

Im Internet las er dann, dass sie eigentlich kein Recht hatten, ohne sein Einverstandnis sein Blut fur irgendwelche Drogentests zu missbrauchen.

»Ich mochte mich beschweren, wenn moglich ebenfalls in Reimen. Du bist doch Dichter, kannst du fur mich nicht einen Brief in Reimen aufsetzen?«, fragte er mich.

»Ich bin kein Dichter«, entgegnete ich. »Au?erdem kann ich in diesem Schreiben keine Reime finden. Im Deutschen kann man doch fast alle Worte grammatikalisch so biegen dass sie die gleichen Buchstaben am Ende haben.«

Bei uns im Hof hangt auch seit Ewigkeiten so ein Reim: »Das Anschlie?en von Fahrradern an der Wasserleitung ist zu unterlassen, sonst muss die Verwaltung sie kostenpflichtig entfernen lassen.« So gesehen ist in Deutschland jeder Hauswart ein Dichter. In Indonesien ubrigens ist es noch scharfer. Dort ist »Dichter« fast ein Schimpfwort - ein hoflicher Ersatz fur »faule Sacke«, weil sich im Indonesischen alles reimt. Wenn dort zum Beispiel ein Mann gefragt wird, was seine Frau mache, und er darauf antwortet: »Sie dichtet«, dann hei?t das, die Frau hat nichts zu tun. Man hat mir erzahlt, dass auch in Sudindien, in Kerala, alle leicht zu Dichtern werden, weil fast jedes Wort in ihrem Dialekt mit »lam« endet.

»Ach so«, sagte Sergej, »alles klar. Dann mache ich es halt alleine.«

Eine Stunde spater zeigte er mir den Entwurf seines gereimten Briefes an die Amtsanwaltschaft:

»Bezuglich Ihres Schreibens, das ich bekam, mochte ich mich beschweren lam lam lam. Der Brief gibt keine Antwort, wie es dazu kam, dass ich mit 0,26 Promille zwei Stunden in Handschellen lam lam lam. Wie schadenfroh der Beamte mir das Blut abnahm, das krankt mich immer noch lam lam lam. Angesichts der Tatsache, dass ich doch davonkam, bezeichne ich ihre Arbeit als lam lam lam.«

Meine Frau und ich waren begeistert. Seitdem lebt die Poesie in unserem Haus und in unseren Herzen.

Die Kirche

Genau wie ich war Andrej absolut zufallig in Berlin gelandet. Sein Erscheinen hier war kein sauber geplanter Karriereschritt, sondern Ergebnis dunkler politischer Machtspiele im Bundestag. Dazu gehorte die Diskussion uber »Kinder statt Inder«, die Deutschland zu diesem Zeitpunkt erschutterte. Plotzlich hatte das Land zu wenig Computerspezialisten, und die Bundesregierung uberlegte, wer auf die Schnelle einspringen konnte - die preiswerten zuverlassigen Inder oder teure, aber dafur hundertprozentig deutsche Kinder. Es kamen weder die einen noch die anderen: Die Inder hatten zu tun, und die Kinder blieben bis auf weiteres in ihren Kitas. Also bewarben sich die Russen um den Job. Andrej bekam ein verlockendes Angebot von einer internationalen Firma mit Sitz in Berlin.

In einer Nacht-und-Nebel-Aktion packte er und fuhr nach Berlin, in der Hoffnung auf ein neues spannendes Leben im Ausland. Erst nach einem Jahr in Berlin dammerte es ihm langsam, wo er eigentlich gelandet war, und er fing an zu meckern. Standig verglich er seine Berliner Existenz mit seinem fruheren Leben in St. Petersburg. Er konnte die Reize der deutschen Hauptstadt nicht erkennen. Nichts gefiel ihm au?er seinem Gehalt: Die Wurst schmeckte nicht, die Wirte waren unfreundlich, die Hauser schlecht gebaut, die Frauen schlecht gelaunt. Selbst die Badewanne in seiner WG war ihm zu klein, er konnte sich kaum darin bewegen. Auch das Autofahren in Berlin

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