wurde…»

Uber das Gesprach merkten sie gar nicht, da? sie plotzlich wieder vor einer Schlucht standen, die breiter und tiefer war als die erste. Der Lowe weigerte sich, uber sie zu springen, dies ginge uber seine Krafte, erklarte er. Alle standen schweigend da und wu?ten nicht, was sie tun sollten. Da sagte der Scheuch:

«Am Abgrund steht ein hoher Baum. Der Holzfaller konnte ihn so umlegen, da? er uber die Schlucht zu fallen kommt und uns als Brucke dient.»

«Ein guter Einfall!» sagte der Lowe anerkennend. «Man konnte meinen, du hattest ein Gehirn im Kopf.»

«O nein», wehrte der Scheuch bescheiden ab, wobei er, wie um sich zu vergewissern, seinen Kopf betastete. «Ich hab mich blo? erinnert, da? der Eiserne Holzfaller das schon einmal getan hat, als wir Elli vom Menschenfresser erretteten.»

Mit ein paar wuchtigen Schlagen hieb der Eiserne Holzfaller eine tiefe Kerbe in den Baum, und dann stemmten sich alle, auch Totoschka, gegen den Stamm — mit Handen, Tatzen, Pfoten oder Stirn -, und der Baum fiel drohnend uber die Schlucht.

«Hurra!» schrien alle wie aus einem Munde.

Sie bewegten sich, an den Zweigen Halt suchend, vorsichtig den Stamm entlang, als eingedehntes Heulen aus dem Walde drang. Auf die Schlucht zu sausten zwei ungeheuerliche Tiere, aus deren Rachen, blanken Sabeln gleich, wei?e Hauer ragten.

«Die Sabelzahntiger…», hauchte der Lowe, an allen Gliedern bebend.

«Ruhe!» gebot der Scheuch. «Geht weiter!»

Der Lowe, der den Zug schlo?, wandte sich zu den Tigern um und brullte so furchtbar, da? Elli vor Schreck beinahe in die Schlucht gefallen ware. Die Tiger stutzten und blickten den Lowen verblufft an. Sie konnten nicht begreifen, wie ein so unscheinbares Tier so laut brullen konnte.

Diese Pause ermoglichte es unseren Wanderern, die andere Seite der Schlucht zu erreichen. Mit drei Satzen holte der Lowe sie ein. Die Sabelzahntiger, die sich die Beute nicht entgehen lassen wollten, traten gleichfalls auf den Stamm. Sie setzten vorsichtig eine Tatze vor die andere, hielten nach jedem Schritt inne, knurrten drohend und bleckten ihre

wei?en Zahne. Ihr Anblick war so furchtbar, da? der Lowe zu Elli sagte:

«Wir sind verloren! Lauft, so schnell ihr konnt, ich will die Bestien aufzuhalten versuchen. Leider bin ich nicht dazu gekommen, mir bei Goodwin ein bi?chen Mut zu holen! Ich werde aber trotzdem bis zum letzten Atemzug kampfen!»

Der Strohkopf des Scheuchs hatte an jenem Tag glanzende Einfalle. Er stie? den Holzfaller mit dem Ellbogen an und schrie:

«Hau den Baum durch!»

Der lie? sich's nicht zweimal sagen. Er schwang seine Riesenaxt so ungestum, da? die Spitze des Baumes nach drei Hieben abbrach und der Stamm donnernd in die Tiefe sturzte. Die Ungeheuer sausten hinab und zerschellten an den spitzen Felsen des Abgrunds.

«Hu!» atmete der Lowe erleichtert auf und reichte dem Scheuch feierlich die Tatze. «Schonen Dank! Also werden wir weiterleben. Ich glaubte schon, das Zeitliche segnen zu mussen. Es ware kein Vergnugen, solchen Ungeheuern zwischen die Zahne zu kommen. Hort, wie mein Herz hammert!»

«Ach», seufzte der Eiserne Holzfaller, «wie wunschte ich mir, da? mein Herz so schlage!»

Die Freunde wollten den dusteren Wald so schnell wie moglich verlassen, denn sie furchteten, da? noch andere Sabelzahntiger auftauchen konnten. Aber Elli war so mude und verangstigt, da? sie einfach nicht weiter konnte. Der Lowe setzte sie und den kleinen Totoschka auf seinen Rucken, und sie schritten schneller aus. Bald sahen sie zu ihrer gro?en Freude, da? sich der Wald mehr und mehr lichtete. Die Sonne schien hell auf den Weg hinab, und bald kamen die Wanderer an einen breiten, rei?enden Strom.

«Jetzt brauchen wir uns nicht mehr zu furchten», sagte der Lowe. «Die Tiger verlassen niemals ihren Wald, diese Bestien scheuen aus irgendeinem Grunde die weite Flur…»

Allen wurde es leichter ums Herz, aber da stellten sich schon neue Sorgen ein.

«Wie kommen wir nun ans andere Ufer?» fragten Elli, der Eiserne Holzfaller, der Feige Lowe und Totoschka fast gleichzeitig und hefteten ihre Augen auf den Scheuch.

Durch die allgemeine Aufmerksamkeit geschmeichelt, setzte dieser eine wichtige Miene auf und pre?te den Finger an die Stirn. Er dachte aber nicht lange nach.

«Wasser ist nicht Land, und Land ist nicht Wasser», sagte er belehrend. «Uber einen Flu? kann man nicht gehen, folglich…»

«Folglich?» wiederholte Elli.

«Folglich mu? der Eiserne Holzfaller ein Flo? zimmern, das uns uber den Flu? tragt.»

«Wie gescheit du doch bist!» riefen alle bewundernd.

«Ihr seid sehr liebenswurdig!» Der Scheuch verneigte sich.

Der Holzfaller legte Baume um und schleppte sie mit dem starken Lowen zum Flu? hin. Elli setzte sich ins Gras, um auszuruhen. Der Scheuch, der wie gewohnlich nicht untatig sein konnte, ging am Ufer entlang und entdeckte Baume mit reifen Fruchten.

Die Wanderer beschlossen, hier zu ubernachten. Elli a? die schmackhaften Fruchte und schlief bald ein, von ihren wackeren Freunden behutet. Im Traum sah sie die wunderliche Smaragdenstadt und Goodwin, den Gro?en Zauberer.

DIE FAHRT UBER DEN FLUSS

Die Nacht verlief ruhig. Am Morgen baute der Eiserne Holzfaller das Flo? zu Ende, hieb zwei lange Stocke fur sich und den Scheuch ab und hie? die Gefahrten Platz nehmen. Elli, mit Totoschka auf den Armen, setzte sich in die Mitte des Flo?es. Als der Feige Lowe sich hinaufschwang, legte sich das Flo? auf die Seite und kenterte beinahe. Elli sto? einen Schrei des Entsetzens aus, doch im gleichen Augenblick sprangen der Eiserne Holzfaller und der Scheuch auf die andere Seite und stellten das Gleichgewicht wieder her. Sie trieben das Flo? dem anderen Ufer zu, wo herrliche grune Haine zu sehen waren, die im hellen Sonnenschein leuchteten. Alles ging glatt bis zur Mitte des Flusses, wo die schnelle Stromung das Flo? erfasste und mitri?. Die Sto?stangen reichten nicht bis auf den Grund des Wassers. Verwirrt blickten sich die Wanderer an.

«Schlimme Lage!» sagte der Eiserne Holzfaller. «Die Stromung treibt uns in das Violette Land, und dort wird uns die bose Hexe zu Sklaven machen.»

«Dort bekomme ich kein Gehirn!» rief der Scheuch.

«Und ich keinen Mut!» klagte der Lowe.

«Und ich kein Herz!» sagte der Eiserne Holzfaller. «Wir werden unser Kansas niemals wiedersehen!» stie?en Elli und Totoschka hervor.

«Mitnichten! Wir mussen die Smaragdenstadt unbedingt erreichen!» rief der Scheuch und stemmte sich mit allen Kraften gegen die Stange.

Zum Ungluck war das Wasser an dieser Stelle sehr seicht, und die Stange versank tief im Schlamm. Ehe sich's der Scheuch versah, glitt ihm das Flo? unter den Fu?en weg, und er blieb mitten im Flu? an seiner Stange hangen.

«Auf Wiedersehen!» konnte er den Gefahrten noch zurufen.

Seine Lage war verzweifelt. 'Hier ist es fur mich noch viel schlimmer als vor der Begegnung mit Elli', dachte der Armste. 'Dort konnte ich wenigstens die Krahen scheuchendas war immerhin eine Beschaftigung. Was aber soll ich mitten im Flu? anfangen? Ich werde wahrscheinlich niemals zu einem Gehirn kommen!'

Das Flo? scho? den Strom hinab, und bald war der Scheuch hinter einer Krummung verschwunden…

«Ich werde ins Wasser steigen mussen», sagte der Feige Lowe, an allen Gliedern zitternd. «Wie ich mich davor furchte, wenn ihr wu?tet! Hatte mir Goodwin Mut gegeben, dann brauchte ich jetzt keine Angst vor dem Wasser zu haben… Es gibt aber keinen anderen Ausweg, irgendwie mussen wir das Ufer erreichen. Ich will schwimmen, haltet euch an meinem Schwanz fest.»

Der Lowe schwamm, vor Anstrengung keuchend, und der Eiserne Holzfaller umklammerte das Ende seines Schwanzes. Es war keine leichte Arbeit, das Flo? zu ziehen, aber der Lowe kam trotzdem vorwarts. Bald wurde das Wasser seichter, und Elli konnte mit dem Stab nachhelfen. Vollig erschopft erreichten sie das Ufer, sehr weit

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