von der Stelle, wo sie die Uberfahrt angetreten hatten.

Der Lowe streckte sich rucklings im Gras aus, damit sein nasser Bauch trockne.

«Wohin gehen wir jetzt?» fragte er, in die Sonne blinzelnd.

«Zuruck, wo unser Freund geblieben ist», antwortete Elli. «Wir konnen doch nicht weiter ziehen, ehe wir den braven Scheuch gerettet haben.»

Sie gingen gesenkten Blickes am Ufer flu?aufwarts. Es war ein langer Weg. Ihre Fu?e verhedderten sich im dichten Gras, und der Gedanke an ihren Freund, der im Flu? stak, erfullte sie mit Kummer. Plotzlich schrie der Eiserne Holzfaller:

«Schaut, schaut!»

Sie erblickten den Scheuch, der sich tapfer an seiner Stange mitten im Strom hielt. Er sah von weitem so verlassen, so klein und traurig aus, da? seinen Gefahrten die Tranen in die Augen traten. Der Eiserne Holzfaller war mehr als alle anderen aufgeregt. Sinnlos lief er am Ufer auf und ab, machte Anstalten, ins Wasser zu steigen, wich aber gleich wieder zuruck. Dann ri? er den Trichter vom Kopf, setzte ihn an den Mund und schrie, da? es weithin hallte:

«Scheuch, lieber Freund! Halte dich! Halt dich uns zuliebe und fall nicht ins Wasser!»

Der Eiserne Holzfaller verstand hoflich zu bitten.

Vom Flu? drang es leise heruber:

«… lte mich!… niem… ude…«

Was bedeuten sollte: «Ich halte mich! Ich werde niemals mude!»

Die Freunde erinnerten sich, da? der Scheuch tatsachlich niemals mude wurde, und das gab ihnen neue Hoffnung. Der Eiserne Holzfaller schrie abermals in seinen Trichter:

«La? den Mut nicht sinken! Wir gehen nicht fort, bis wir dich gerettet haben!»

Und wieder wehte es heruber: «…arte!… acht… ne… orgen.»

Das bedeutete: «Ich warte! Macht euch nur keine Sorgen!»

Der Eiserne Holzfaller schlug den Gefahrten vor, aus Baumrinde einen langen Strick zu flechten. Er werde, sagte er, ins Wasser steigen und den Scheuch von der Stange heben; der Lowe solle sie dann mit dem Strick herausziehen. Dieser schuttelte jedoch lachelnd den Kopf:

«Du schwimmst ja nicht besser als deine Axt!»

Der Holzfaller verstummte beschamt.

«Da werd ich anscheinend wieder schwimmen mussen», sagte der Lowe. «Aber wie mach ich's, da? mich die Stromung zum Scheuch tragt?…»

«Ich setz mich auf deinen Rucken und werde dich lenken», schlug Totoschka vor.

Wahrend sich die Wanderer die Sache uberlegten, tauchte in der Ferne ein langbeiniger Storch auf, der sie neugierig betrachtete. Er stelzte wurdevoll auf sie zu, blieb in sicherer Entfernung stehen, zog das rechte Bein an und verkniff das linke Auge.

«Was seid ihr fur Leute?» fragte er.

«Ich hei?e Elli, und das sind meine Freunde: der Eiserne Holzfaller, der Feige Lowe und Totoschka. Wir ziehen in die Smaragdenstadt.»

«Da seid ihr auf dem falschen Weg», meinte der Storch.

«Wir kennen den Weg. Aber der Flu? hat uns abgetrieben, und dabei ist uns ein Gefahrte abhanden gekommen.»

«Wo ist er denn?»

«Dort», Elli wies mit dem Finger auf den Flu?.

«Was will er dort?»

Der Storch war ein neugieriger Vogel, der alles genau wissen mu?te. Elli erzahlte ihm, was sich ereignet hatte.

«Ach, wenn du ihm helfen konntest», sagte sie und faltete bittend die Hande. «Wir waren dir so dankbar.»

«Ich will mir's uberlegen», erwiderte der Storch mit wichtiger Miene und kniff das rechte Auge zu (wenn ein Storch nachdenkt, schlie?t er immer das rechte Auge). Das linke Auge hatte er schon vorher zugekniffen.

So stand er nun mit geschlossenen Augen da und wiegte sich auf dem linken Bein, wahrend der Scheuch an seiner Stange uberm Flu? hing und im Winde schaukelte. Die Wanderer waren vom Warten schon ganz nervos.

«Ich will mal horen, woruber er nachdenkt», sagte der Holzfaller und trat leise an den Storch heran.

Er horte aber nur die gleichma?igen, pfeifenden Atemzuge des Vogels und rief verwundert:

«Er schlaft ja!»

Der Storch war tatsachlich beim Nachdenken eingeschlafen.

Da brullte der Lowe grimmig:

«Ich werd ihn fressen!»

Der Storch, der einen leisen Schlaf hatte, offnete sofort die Augen.

«Ihr glaubt wohl, ich schlafe?» fragte er schlau. «Gefehlt. Ich dachte nur nach! Eine schwere Aufgabe… Ich wurde euren Freund schon ans Ufer tragen, wenn er nicht so gro? und schwer ware.»

«Was redest du da?» rief Elli. «Wei?t du denn nicht, da? der Scheuch mit Stroh ausgestopft

und federleicht ist! Sogar ich konnte ihn tragen.»

«Na, dann will ich's versuchen», meinte der Storch. «Damit ihr's aber wi?t: ist er zu schwer, so werf ich ihn ins Wasser. Es ware naturlich besser, ihn vorher auf der Waage abzuwagen, da das aber nicht moglich ist, verzichte ich darauf.»

Der Storch war ein sehr umsichtiger Vogel.

Er breitete seine gro?en Schwingen aus und flog zum Scheuch hinuber, schlug ihm die starken Krallen in die Schultern, hob ihn dann muhelos auf und trug ihn ans Ufer, wo Elli und die anderen warteten.

Der Scheuch fiel den Freunden um den Hals und wandte sich dann an den Storch mit den Worten:

«Ich dachte schon, ich wurde ewig an der Stange mitten im Flu? hangen und die Fische verscheuchen mussen. Nun wei? ich gar nicht, wie ich dir danken soll, denn ich hab doch nur Stroh im Kopf. Aber wenn ich von Goodwin zuruckkehre, werde ich dich bestimmt aufsuchen, und dann wirst du sehen, wie einer zu danken wei?, der ein Gehirn hat.»

«Das freut mich sehr», erwiderte der Storch wurdevoll. «Ich helfe gern, wenn einer in Not ist, insbesondere, wenn es mich keine gro?e Anstrengung kostet… Aber ich hab schon zu viel Zeit mit euch verschwatzt, Frau und Kinder warten auf mich. Ich wunsche euch, wohlbehalten 1 die Smaragdenstadt zu erreichen und alles zu bekommen, wonach ihr ausgezogen seid!»

Er hielt ihnen, hoflich, wie er war, sein rotes, runzliges Storchbein hin, das sie gefuhlvoll druckten. Der Scheuch schuttelte es so kraftig, da? er es beinahe ausri?.

Dann flog der Storch davon, und die Wanderer setzten ihren Weg am Ufer fort. Der Scheuch strahlte vor Freude, hupfte und sang:

«Oho-oho-oho! Ich bin wieder bei Elli!»

Und dann, nach drei Schritten:

«Oho-oho-oho! Ich bin wieder beim Eisernen Holzfaller!»

Und so zahlte er alle der Reihe nach auf, Totoschka nicht ausgenommen, um dann wieder von vorn zu beginnen. Es war ein ungereimtes, aber frohliches Lied, das von Herzen kam.

EIN TUCKISCHES MOHNFELD

Die Wanderer gingen frohlich uber eine mit herrlichen wei?en und blauen Blumen ubersate Wiese. An vielen Stellen wuchs roter Mohn, der viel gro?er war, als man ihn gewohnlich zu sehen bekommt, und stark duftete. Es war allen leicht ums Herz: Der Scheuch war gerettet, weder der Menschenfresser noch die Schluchten, noch die Sabelzahntiger oder der sturmische Flu? hatten sie aufhalten konnen, und alle Gefahren schienen vorbei zu sein.

«Welch herrliche Blumen!» rief Elli.

«Sie sind schon!» seufzte der Scheuch. «Hatte ich ein Gehirn, so wurde ich mich naturlich viel mehr uber die Blumen freuen als jetzt.»

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