«Rennt nach dem Westen! Dort ist ein kleines Madchen mit ihren Spie?gesellen frech in mein Land eingedrungen. Zerrei?t sie alle.»

«Warum machst du sie nicht zu deinen Sklaven?» fragte der Anfuhrer des Rudels.

«Das Madchen ist ein schwachliches Ding, und ihre Gefahrten taugen auch nicht zur Arbeit: Der eine ist mit Stroh ausgestopft, der andere aus Eisen, und der dritte ist ein Lowe, von dem ich mir keinen Nutzen verspreche.»

Das alles hatte Bastinda mit ihrem einzigen Auge erspaht!

Die Wolfe rannten davon.

«Zerfetzt sie! Zerfetzt sie!» schrie die Zauberin ihnen nach.

Der Scheuch und der Eiserne Holzfaller schliefen aber nicht! Von weitem sahen sie die Wolfe nahen.

«Wecken wir den Lowen», sagte der Scheuch.

«Nicht notig», erwiderte der Holzfaller, «ich werde mit ihnen schon selber fertig. Sie sollen mich kennenlernen!»

Er trat vor, und als der Anfuhrer des Rudels, den roten Rachen weit aufgesperrt, auf ihn zusturzte, schwang der Holzfaller seine scharfe Axt und hieb ihm den Kopf ab. Die Wolfe liefen in langem Zug, einer hinter dem anderen. Als sich der Nachste auf den Holzfaller werfen wollte, hatte dieser die Axt bereits wieder erhoben und hieb auch diesem im Nu den Kopf ab.

Vierzig rei?ende Wolfe besa? Bastinda, und vierzigmal lie? der Eiserne Holzfaller die Axt auf ihre Nacken niedersausen. Als er sie zum einundvierzigsten Male schwang, war kein Wolf mehr am Leben. Sie lagen alle tot zu seinen Fu?en.

«Das nenn ich eine Schlacht!» rief der Scheuch begeistert.

«Baume fallen ist schwerer», sagte der Holzfaller bescheiden.

Als Elli am Morgen erwachte und die toten Wolfe um sich sah, war sie starr vor Schreck. Der Scheuch erzahlte ihr von der nachtlichen Schlacht, und Elli dankte dem Eisernen Holzfaller von Herzen. Nach dem Fruhstuck setzten die Gefahrten ihren Weg fort.

Die alte Bastinda pflegte sich am Morgen lange im Bett zu rekeln. Sie stand auch diesmal spat auf und ging hinaus, um die Wolfe zu fragen, wie sie die dreisten Wanderer zerfleischt hatten.

Wie ergrimmt aber war sie, als sie die Wanderer unversehrt sah, wahrend ihre treuen Wolfe tot herumlagen!

Bastinda stie? zwei Pfiffe aus, und alsbald sah man in der Luft einen Schwarm Krahen mit eisernen Schnabeln kreisen. Die Zauberin schrie ihnen zu:

«Fliegt nach Westen! Dort sind Fremde ins Land gedrungen. Zerhackt sie mit euren Schnabeln. Los, los!»

Mit wildem Gekrachz sausten die Krahen den Wanderern entgegen. Elli erschrak bei ihrem Anblick. Doch der Scheuch beruhigte sie:

«Die nehme ich auf mich! Ich bin doch nicht umsonst ein Krahenscheuch! Stellt euch hinter meinen Rucken.»

Er schob sieh den Hut tiefer in die Stirn, spreizte die Arme und gab sich das Aussehen einer Scheuche, wie sie im Buche steht.

Die Krahen waren so uberrascht, da? sie hin und her zu flattern begannen. Da rief ihr Anfuhrer mit heiserer Stimme:

«Wovor furchtet ihr euch denn? Vor einer Scheuche, die mit Stroh ausgestopft ist? Na warte, mein Junge!»

Der Anfuhrer wollte sich auf des Scheuchs Kopf setzen, doch dieser packte ihn am Flugel und drehte ihm den Hals um. Eine zweite Krahe, die dem Anfuhrer nacheilte, teilte sein Los. Vierzig wilde Krahen mit eisernen Schnabeln hatte die bose Bastinda in ihrem Besitz, und allen vierzig machte der tapfere Scheuch den Garaus.

Die Gefahrten dankten ihm fur seine Tat und zogen weiter nach Osten.

Als Bastinda ihre treuen Krahen tot ubereinander liegen sah, wahrend die Fremden furchtlos ihren Weg fortsetzten, uberkam sie Wut und Entsetzen.

«Wie? Reicht meine Zauberkunst nicht, um dem frechen Madchen und ihren Gefahrten Einhalt zu gebieten?»

Bastinda stampfte mit den Fu?en und stie? drei Pfiffe aus, worauf ein Schwarm schwarzer Bienen angeflogen kam, deren Bisse todlich waren.

«Fliegt nach Westen», brullte die Zauberin. «Sturzt euch auf die Eindringlinge und stecht sie zu Tode. Los! Los!»

Mit ohrenbetaubendem Gesumme flogen die Bienen den Wanderern entgegen. Der Holzfaller und der Scheuch gewahrten sie schon von weitem.

«Zieh das Stroh aus mir heraus», rief der Scheuch, ohne lange nachzudenken, dem Holzfaller zu, «und streu es uber Elli, den Lowen und Totoschka, damit die Bienen an sie nicht herankommen.»

Behende knopfte er seinen Rock auf, aus dem das Stroh herausfiel, mit dem der Holzfaller den Lowen, Elli und Totoschka, die sich hingeworfen hatten, schnell bedeckte. Dann richtete sich der eiserne Mann in seiner ganzen Gro?e auf.

Als der Bienenschwarm sich wutend auf ihn sturzte, lie? er es lachelnd geschehen. Die Bienen zerbrachen ihre giftigen Stacheln an seinem eisernen Korper und fielen tot zu Boden, denn eine Biene kann, wie man wei?, ohne Stachel nicht leben. Den ersten folgten andere, die ihre Stacheln gleichfalls in den eisernen Korper zu bohren suchten.

Bald lagen alle Bienen tot auf der Erde, als war' es ein Haufen schwarzer Kohlenstucke.

Der Lowe, Elli und Totoschka aber krochen unter dem Stroh hervor, rafften es zusammen und stopften den Scheuch wieder damit aus. Dann zogen sie weiter.

Die bose Bastinda knirschte mit den Zahnen und zitterte an allen Gliedern, als sie nun auch ihre Bienen tot sah. Sie raufte sich die Haare, schaumte vor Wut und konnte lange kein Wort hervorbringen. Als sie sich etwas beruhigte, rief sie ihre Diener, die Zwinkerer, herbei und befahl ihnen, sich zu bewaffnen und die dreisten Eindringlinge zu vernichten. Die Zwinkerer, die nicht gerade tapfer waren, begannen angstlich zu blinzeln, und Tranen rannen ihnen aus den Augen. Doch wagten sie nicht, ihrer Herrin den Gehorsam zu verweigern, und begannen eifrig nach Waffen zu suchen. Weil sie sich aber noch nie in ihrem Leben geschlagen hatten (es war das erstemal, da? Bastinda sie zu Hilfe rief) und daher keine Waffen besa?en, so griffen sie zu Kasserollen, Pfannen und Blumentopfen und manche sogar zu Knallbonbons, die viel Gerausch machten.

Als der Lowe die Zwinkerer, einer hinter dem Rucken des anderen Schutz suchend und sich gegenseitig vorwartssto?end und angstlich blinzelnd, nahen sah, brach er in schallendes Gelachter aus.

«Mit diesen werden wir uns nicht lange zu schlagen brauchen!» sagte er, trat vor, sperrte seinen gewaltigen Rachen auf und stie? ein Gebrull aus, da? den Zwinkerern Horen und Sehen verging. Sie warfen ihre Topfe, Pfannen und Knallbonbons fort und liefen auseinander.

Die bose Bastinda wurde grun und gelb vor Schreck, als sie die Wanderer unaufhaltsam naher kommen sah.

Sie mu?te zu ihrem letzten Zaubermittel greifen, einem Goldenen Hut, den sie in einem Geheimfach ihres Spinds aufbewahrte. Wer diesen Hut besa?, konnte jederzeit die machtige Herde der Fliegenden Affen rufen und ihnen Befehle erteilen. Der Hut konnte aber nur dreimal benutzt werden, und Bastinda hatte die Hilfe der Fliegenden Affen schon zweimal in Anspruch genommen: das erste Mal, um Herrscherin uber das Land der Zwinkerer zu werden, das zweite Mal, um die Truppen Goodwins des Schrecklichen abzuwehren, der das Violette Land befreien wollte.

Deswegen furchtete auch Goodwin die bose Bastinda so sehr, und deswegen hatte er Elli gegen sie kampfen geschickt, weil er der Macht ihrer silbernen Schuhe vertraute.

Bastinda zauderte, den Hut zum dritten Mal zu benutzen, wu?te sie doch, da? dann ihre Zauberkraft zu Ende sein wurde. Da sie aber nun keine Wolfe, Krahen oder schwarze Bienen mehr besa? und die Zwinkerer sich als unverla?liche Kampfer erwiesen hatten, holte sie den Hut aus dem Spind, setzte ihn auf und begann zu zaubern. Sie stampfte mit dem Fu? auf und stie? laut die Zauberformel hervor:

«Bambara, tschufara, loriki, joriki, pikapu, trikapu, skoriki, moriki! Eilt herbei, ihr Fliegenden Affen!»

Der Himmel wurde schwarz von dem Rudel Affen, die, von ihren machtigen Schwingen getragen, zum Schlo? Bastindas rasten. Der Anfuhrer flog auf Bastinda zu und sagte:

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