mu?te fur die Schulkosten eines jungeren Bruders aufkommen.

Unerwartet war es dann plotzlich mit der taglichen Plackerei zu Ende. Eine entfernte Kusine war gestorben und hatte Alix ihr Geld hinterlassen. Es waren ein paar tausend Pfund, genug, um ein paar hundert im Jahr einzubringen. Fur Alix bedeutete es Freiheit, Leben, Unabhangigkeit. Nun brauchten Dick und sie nicht langer zu warten.

Aber Dick reagierte eigenartig. Er hatte niemals offen zu Alix uber seine Liebe gesprochen, und jetzt schien er es weniger denn je zu beabsichtigen. Er ging ihr aus dem Wege, wurde murrisch und verschlossen.

Alix erkannte den Grund sehr schnell. Dick war zu feinfuhlend und stolz, um ausgerechnet jetzt, da sie Geld hatte, um ihre Hand anzuhalten. Sie liebte ihn dafur noch mehr und hatte sich schon vorgenommen, selbst den ersten Schritt zu tun, als zum zweitenmal das Unerwartete in ihr Leben trat.

Im Hause einer Freundin lernte sie Gerald Martin kennen. Er verliebte sich sturmisch in sie, und eine Woche spater waren sie verlobt. Alix, die von sich selbst uberzeugt gewesen war, da? ihr so etwas nie passieren konnte, war im siebenten Himmel.

Damit hatte sie unwissentlich den Weg gefunden, um Dick Windyford wachzurutteln. In Rage und voller Emporung war er zu ihr gekommen.

»Dieser Mann ist ein vollig Fremder fur dich. Du wei?t uberhaupt nichts uber ihn«, hatte er ihr vorgehalten.

»Ich wei?, da? ich ihn liebe.«

»Wie kannst du das nach einer Woche?«

»Nicht jeder braucht elf Jahre, um herauszufinden, da? er in ein Madchen verliebt ist«, hatte sie ihn argerlich angeschrien.

Sein Gesicht war wei?.

»Ich habe dich geliebt, seit ich dich zum erstenmal sah. Ich dachte, du liebst mich auch.«

Alix war ehrlich. »Ich glaubte das auch«, gab sie zu. »Aber das war, weil ich nicht wu?te, was Liebe ist.«

Dick war au?er sich gewesen. Bitten, Flehen, sogar Drohungen - Drohungen gegen den Mann, der ihn verdrangt hatte, stie? er aus. Alix war erstaunt, als sie den Vulkan erlebte, der unter dem reservierten Au?eren des Mannes steckte, von dem sie glaubte, ihn so gut zu kennen.

Als sie an diesem sonnigen Morgen an dem Gartentor des Landhauses lehnte, wanderten ihre Gedanken zuruck zu diesem Gesprach. Einen Monat lang war sie verheiratet, und sie war wunschlos glucklich. Jetzt, da ihr Mann, der ihr alles bedeutete, nicht da war, schlich sich trotzdem ein Beigeschmack von Angst in ihr perfektes Gluck. Und der Grund fur diese Angst war Dick Windyford.

Dreimal seit ihrer Hochzeit hatte sie denselben Traum gehabt. Die Umgebung war stets eine andere, aber die Hauptsache war immer die gleiche: Sie sah ihren Mann tot daliegen, und Dick Windyford stand uber ihn gebeugt, und sie wu?te, da? es Dick war, der ihn erschlagen hatte. Aber so schrecklich das auch war, es gab noch etwas Entsetzlicheres, und zwar nach dem Erwachen, denn im Traum schien es vollig naturlich und unvermeidlich zu sein. Sie, Alix Martin, war froh, da? ihr Mann tot war. Sie streckte dem Morder die Hande entgegen, manchmal dankte sie ihm. Der Traum endete immer gleich: sie war in Dick Windyfords Arme geschmiegt.

Sie hatte ihrem Mann nichts von diesem Traum erzahlt, aber innerlich hatte er sie tiefer beunruhigt, als sie zugeben wollte. War es eine Warnung - eine Warnung vor Dick Windyford?

Alix wurde aus ihren Gedanken gerissen, als das schrille Lauten des Telefons aus dem Hause drang. Sie ging hinein und nahm den Horer ab. Plotzlich schwankte sie und hielt sich an der Wand fest.

»Wer, sagten Sie, ist am Apparat?«

»Aber, Alix, was ist denn los mit dir? Ich hatte deine Stimme fast nicht erkannt. Hier ist Dick.«

»Oh«, brachte sie hervor. »Oh! Wo - wo bist du?«

»In >Traveller's Armsc, so hei?t das wohl, nicht wahr? Oder kennst du nicht einmal eure Dorfwirtschaft? Ich habe Urlaub, mochte ein bi?chen fischen hier. Hast du etwas dagegen, da? ich euch heute nach dem Abendessen besuche?«

»Nein!« antwortete Alix scharf. »Du darfst nicht kommen!«

Nach einer kleinen Pause kam Dicks veranderte Stimme wieder.

»Es tut mir leid«, sagte er formlich, »ich mochte dich naturlich nicht belastigen -«

Alix unterbrach ihn hastig. Er mu?te ihr Benehmen als reichlich ungewohnlich betrachten. Es war auch ungewohnlich. Ihre Nerven hatten sie im Stich gelassen.

»Ich meinte nur, da? wir fur heute abend schon verabredet sind«, erklarte sie und versuchte ihrer Stimme einen moglichst naturlichen Klang zu geben. »Mochtest du nicht -wurdest du morgen zum Abendessen kommen?«

Aber Dick hatte offenbar den plotzlichen Meinungsumschwung bemerkt.

»Vielen Dank«, antwortete er, »aber ich werde wohl wieder weiterfahren. Es hangt davon ab, ob ein Freund von mir herkommt oder nicht. Auf Wiedersehen, Alix.« Er hielt einen Moment inne und fugte dann hastig hinzu: »Viel Gluck, Alix.«

Mit einem Gefuhl der Erleichterung legte Alix den Horer auf die Gabel. Er darf nicht herkommen, wiederholte sie in Gedanken. Er darf nicht herkommen. Gott, was bin ich dumm, mich so aufzuregen! Trotzdem bin ich froh, da? er nicht kommt.

Sie nahm einen Strohhut vom Tisch und ging wieder hinaus in den Garten. Einen Moment blieb sie stehen und blickte auf den Namen, der drau?en am Tor eingeschnitzt war: Haus Nachtigall.

»Ist das nicht ein sehr eigentumlicher Name?« hatte sie zu Gerald gesagt, bevor sie heirateten. Er hatte gelacht.

»Du kleines Londoner Stadtkind«, hatte er liebevoll geantwortet. »Ich glaube, du hast noch nie eine Nachtigall gehort. Ich bin froh daruber. Wir werden sie an einem Sommerabend zusammen vor unserem eigenen Haus horen.«

Als sich Alix jetzt daran erinnerte, errotete sie vor Gluck.

Es war Gerald, der Haus Nachtigall gefunden hatte. Er war zu Alix gekommen, vor Aufregung ganz au?er sich: er habe genau das Richtige fur sie auf getrieben, ein Juwel, die Chance des Lebens. Gewi?, die Lage war ziemlich einsam, zwei Meilen vom nachsten Dorf entfernt. Aber das Haus selbst war so auserlesen mit seinem an fruhere Zeiten erinnernden Aussehen und seinem andererseits soliden Komfort mit Badezimmern, Hei?wassersystem, elektrischem Licht und Telefon, da? Alix diesen Reizen sogleich erlegen war. Doch dann stellte sich heraus, da? die Sache einen Haken hatte. Der Besitzer, ein reicher Mann, lehnte ab zu vermieten. Er wollte nur verkaufen.

Gerald Martin war nicht imstande, sein Kapital anzuruhren. Er hatte zwar ein gutes Einkommen, aber das Au?erste, was er aufbringen konnte, waren tausend Pfund gewesen. Der Besitzer wollte dreitausend. Aber Alix hatte ihr Herz schon an dieses Haus verloren, und sie wu?te Rat.

Ihr eigenes Geld konnte leicht flussiggemacht werden, da es in Pfandbriefen angelegt war. Sie wurde die Halfte davon zur Verfugung stellen, um ihr Heim zu kaufen. So wurde Haus Nachtigall ihr Eigentum, ein Entschlu?, den Alix bisher keinen Augenblick bereut hatte. Sicher, die Dienstboten mochten die landliche Abgeschiedenheit nicht, darum hatte sie im Moment auch keine Hilfe. Aber Alix, jahrelang nur den eintonigen Burobetrieb gewohnt, machte es Spa?, Leckerbissen zu kochen und nach dem Haus zu sehen. Fur den Garten, in dem prachtvolle Blumen wuchsen, hatte sie einen alten Mann aus dem Dorf, der zweimal wochentlich, und zwar immer montags und freitags, kam.

Sie war deshalb erstaunt, ihn heute, Mittwoch, hinter dem Haus mit einem Blumenbeet beschaftigt, anzutreffen.

»Nanu, George, was machen Sie denn hier?« fragte sie, als sie auf ihn zukam.

Der alte Mann richtete sich muhsam auf und hob zwei Finger an das Schild seiner uralten Mutze.

»Ich dachte mir schon, da? Sie sich wundern wurden, Madam. Aber es ist so. Auf dem Gut wird am Freitag ein Fest gefeiert, und ich sagte mir, weder Mr. Martin noch seine junge Frau werden etwas dagegen haben, wenn ich mal statt Freitag schon am Mittwoch komme.«

»Ist schon in Ordnung«, antwortete Alix. »Ich wunsche Ihnen viel Vergnugen.«

»Das werde ich haben«, meinte George treuherzig, »Es ist 'ne feine Sache zu wissen, da? man sich vollessen kann, ohne selbst zu bezahlen. Der Graf ist bei seinen Leuten nie kleinlich gewesen. Und dann dachte ich

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