mir auch, Madam, ich kann Sie genauso gut jetzt, bevor Sie wegfahren, nach Ihren Wunschen fur die Rabatten fragen. Sie wissen wohl nicht, wann Sie zuruckkommen, Madam?«

»Aber ich fahre gar nicht fort.«

George starrte sie an.

»Fahren Sie denn morgen nicht nach London?«

»Nein. Wie kommen Sie auf diese Idee?«

George ruckte mit einer langsamen Bewegung seine Mutze ins Genick.

»Mr. Martin hat es mir erzahlt, als ich ihn gestern im Dorf traf. Er sagte, Sie beide fahren morgen nach London, und es ware ungewi?, wann Sie wieder zuruckkamen.«

»Unsinn«, lachte Alix. »Sie mussen ihn mi?verstanden haben.«

Trotzdem wunderte sie sich, was Gerald wohl zu dem alten Mann gesagt hatte. Nach London fahren? Sie wollte niemals wieder nach London fahren.

»Ich hasse London«, sagte sie plotzlich scharf.

»Aha«, meinte George gelassen. »Na, dann werd' ich mich wohl verhort haben. Und doch, er sagte es ja ganz deutlich. Ich bin froh, da? Sie hierbleiben. Ich halte nichts von dieser Umherstreicherei, und von London halte ich uberhaupt nichts. Ich habe, Gott sei Dank, nie hinfahren mussen. Zu viele Autos - das ist das Schlimmste heutzutage. Wenn die Leute erst mal ein Auto haben, dann konnen sie nicht mehr an einem Platz bleiben. Mr. Ames, dem dieses Haus fruher gehorte, war immer ein friedlicher, ruhiger Mann, bis er sich so ein Ding kaufte. Noch nicht einen Monat hat er es gehabt, als er auch schon das Haus zum Verkauf anbot. Und 'ne Menge Geld hatte er hier 'reingesteckt, mit Wasserbecken in allen Schlafzimmern und dem elektrischen Licht und so. >Das Geld kriegen Sie nie wiederc, sagte ich ihm, aber er meinte, er bekame zweitausend Pfund fur dieses Haus, und zwar auf den Penny. Und richtig, er bekam es auch.«

»Es waren dreitausend«, unterbrach Alix lachelnd seinen Redeschwall.

»Zweitausend«, wiederholte George. »Die Summe, die er damals verlangte, wurde lange genug besprochen.«

»Es waren wirklich dreitausend«, sagte Alix.

George war nicht zu uberzeugen. »Damen verstehen Zahlen nie«, meinte er. »Sie wollen mir doch nicht weismachen, da? Mr. Ames den Nerv hatte, von Ihnen dreitausend zu verlangen?«

»Er verlangte es nicht von mir, sondern von meinem Mann«, antwortete Alix.

George kniete sich wieder hin.

»Der Preis war zweitausend«, murmelte er storrisch.

Alix hatte keine Lust, sich mit ihm zu streiten. Sie ging zu einem anderen Beet und pfluckte sich einen Armvoll Blumen.

Als sie ihren Strau? ins Haus bringen wollte, bemerkte sie im Vorbeigehen einen kleinen dunkelgrunen Gegenstand, der zwischen einigen Blattern hervorschaute. Sie buckte sich, hob ihn auf und sah, da? es das Notizbuch ihres Mannes war.

Sie offnete es und durchblatterte amusiert die Eintragungen. Gleich zu Beginn ihres Ehelebens hatte sie erkannt, da? Gerald, der impulsiv und gefuhlvoll war, einen ausgepragten Sinn fur Ordnung und Systematik besa?, was eigentlich nicht zusammenpa?te. Er war geradezu versessen darauf, da? die Mahlzeiten punktlichst eingehalten wurden, und plante seinen Tagesablauf mit der Prazision eines Stundenplanes voraus.

Wahrend sie das Notizbuch durchstoberte, entdeckte sie zu ihrer Erheiterung die Eintragung vom 14. Marz: Alix heiraten, 14.30 Uhr, St.-Peters-Kirche.

»Der gro?e Junge«, murmelte sie und blatterte weiter. Plotzlich hielt sie ein.

»>Mittwoch, 18. Juni< - das ist ja heute!«

In dem Raum, der fur dieses Datum zur Verfugung stand, war mit Geralds gestochener Schrift eingetragen: 21.00 Uhr. Sonst nichts.

Was hatte Gerald um neun Uhr abends vor? Alix uberlegte. Sie lachelte, denn sie sagte sich, wenn das eine Geschichte ware, eine solche, wie man sie ofter liest, ware unzweifelhaft mehr daruber aus dem Notizbuch zu entnehmen gewesen. Zumindest hatte es den Namen der anderen Frauen enthalten.

Langsam durchblatterte sie auch die zuruckliegenden Eintragungen. Es gab Verabredungen, Besprechungstermine, geheime Anmerkungen uber Geschaftsabschlusse, aber nur einen Frauennamen, namlich ihren eigenen.

Dennoch, als sie das Buchlein in die Tasche steckte und mit ihrem Blumenstrau? zum Haus ging, spurte sie eine leichte Unruhe. Dick Windyfords Worte kamen ihr in den Sinn, als hatte er sie in diesem Moment wiederholt: »Dieser Mann ist ein vollig Fremder fur dich. Du wei?t uberhaupt nichts uber ihn.«

Das stimmte. Was wu?te sie von ihm? Gerald war immerhin vierzig. In vierzig Jahren mu?te eine Frau in seinem Leben eine Rolle gespielt haben ...

Alix schuttelte ungeduldig den Kopf. Sie durfte solchen Gedanken keinen Platz einraumen. Sie hatte ein viel brennenderes Problem. Sollte sie ihrem Mann erzahlen, da? Dick angerufen hatte, oder sollte sie es nicht tun? Es war ja moglich, da? Gerald ihn sowieso im Dorf getroffen hatte. In diesem Fall wurde er es sicher, sobald er nach Hause kam, erwahnen. Dann ware die Sache ohne ihr Zutun entschieden.

Wenn nicht, was dann? Alix gestand sich ein, da? sie lieber nichts sagen wurde. Wenn sie ihrem Mann davon erzahlte, wurde er sicher vorschlagen, Dick einzuladen. Dann mu?te sie ihm erklaren, da? Dick sich schon selbst einladen wollte, da? sie aber eine Ausrede gebraucht hatte, um sein Kommen zu verhindern. Und wenn Gerald sie dann fragen wurde, weshalb sie das getan habe - was sollte sie dann sagen? Ihm ihren Traum erzahlen? Er wurde doch nur lachen, oder, was noch schlimmer ware, er wurde sagen, er verstehe nicht, warum sie diesem Traum eine derartige Wichtigkeit beimesse.

Endlich beschlo? Alix, nichts zu erwahnen. Es war das erste Geheimnis, das sie von ihrem Mann hatte, und sie war nicht glucklich dabei.

Als sie horte, wie Gerald kurz vor dem Mittagessen aus dem Ort zuruckkam, eilte sie in die Kuche, und um ihre Verlegenheit zu verbergen, gab sie sich sehr beschaftigt mit dem Kochen. Sie merkte sofort, da? Gerald Dick Windyford nicht getroffen hatte. Alix war erleichtert und zugleich beklommen. Jetzt war sie zur Verschwiegenheit verdammt.

Erst am Abend nach dem Essen, als sie in dem eichengetafelten Wohnzimmer sa?en, fiel Alix das Notizbuch wieder ein.

»Hier hast du etwas, mit dem du die Blumen gegossen hast«, sagte sie und warf es ihm in den Scho?.

»Das habe ich wohl in den Randbeeten verloren, was?«

»Ja. Und jetzt kenne ich alle deine Geheimnisse.«

»Nicht schuldig«, lachte Gerald und schuttelte den Kopf.

»Wie steht's mit deinem Vorhaben heute abend um neun Uhr?«

»Ach, das?« Er schien einen Augenblick etwas uberrumpelt, dann lachelte er, als ob ihm irgend etwas ganz besonderen Spa? machte.

»Es ist eine Verabredung mit einem au?ergewohnlich netten Madchen, Alix. Sie hat braunes Haar, blaue Augen und ist dir sehr ahnlich.«

»Ich verstehe nicht«, antwortete Alix mit vorgetauschter Strenge.

»Du weichst mir aus.«

»Nein, das tue ich nicht. Spa? beiseite - ich wollte nur nicht vergessen, heute abend einige Negative zu kopieren. Ich mochte gern, da? du mir dabei hilfst.«

Gerald Martin war ein begeisterter Fotograf. Er besa? eine altmodische Kamera mit hervorragenden Linsen und entwickelte seine Filme in einem kleinen Keller, den er als Dunkelkammer eingerichtet hatte.

»Und das mu? genau um neun Uhr sein«, neckte ihn Alix.

»Mein liebes Kind«, erwiderte Gerald, und eine Spur Gereiztheit lag in seiner Stimme, »man sollte eine Sache immer fur eine ganz bestimmte Zeit planen. Dann erledigt man seine Arbeit ordnungsgema?.«

Alix sa? eine oder zwei Minuten still und beobachtete ihren Mann, wie er in seinem Sessel lag und rauchte, betrachtete den zuruckgeworfenen dunklen Kopf, die klargezeichneten Linien seines glattrasierten Gesichts, die gegen den dusteren Hintergrund abstachen. Und plotzlich, aus heiterem Himmel, uberfiel sie eine Welle der Panik, und bevor sie sich zuruckhalten konnte, rief sie: »Ach, Gerald! Ich wunschte, ich wu?te mehr uber dich!«

Ihr Mann wandte sich ihr mit erstauntem Gesicht zu.

»Aber, meine liebe Alix, du wei?t alles uber mich. Ich habe dir von meiner Jugendzeit in Northumberland

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