»Den Metzger? Um diese Zeit?«

»Sein Geschaft ist naturlich geschlossen, Dummchen. Aber er ist sicher zu Hause. Morgen ist Sonnabend, und ich mochte, da? er mir ein paar Kalbskoteletts bringt, bevor sie mir jemand vor der Nase wegschnappt. Der gute Alte tut alles fur mich.«

Rasch ging sie ins Haus und schlo? die Tur hinter sich. Sie horte, wie Gerald ihr nachrief: »La? die Tur offen!«

»Ich will nicht, da? Nachtfalter hereinkommen«, sagte sie rasch. »Ich kann sie nicht ausstehen.« Dann fugte sie hinzu: »Hast du Angst, ich flirte mit dem Metzger, Dummerchen?«

Kaum drinnen, wahlte sie die Nummer vom Gasthaus »Traveller's Arms«. Augenblicklich war die Verbindung hergestellt.

»Mr. Windyford, bitte. Ist er noch hier? Kann ich mit ihm sprechen?«

Dann blieb ihr Herz stehen. Die Tur wurde aufgesto?en, und ihr Mann kam in die Diele.

»Geh weg, Gerald«, sagte sie empfindlich, »ich mag nicht, wenn man mir beim Telefonieren zuhort.«

Er lachte nur und lie? sich auf einem Stuhl nieder.

»Ist das wirklich der Metzger, den du da anrufst?« fragte er spottisch.

Alix war verzweifelt. Ihr Plan war schiefgegangen. Im nachsten Moment wurde Dick Windyford an den Apparat kommen. Sollte sie es wagen und um Hilfe rufen?

Und dann, wahrend sie nervos den kleinen Schlussel am Apparat, mit dem man ein Gesprach beliebig unterbrechen konnte, hin und her drehte, fiel ihr ein anderer Plan ein.

Es wird schwierig sein, sagte sie sich. Es bedeutet, da? ich den Kopf nicht verliere, die richtigen Worte wahle und nicht stottere. Aber ich glaube, ich schaffe es. Ich mu? es schaffen!

Und in diesem Augenblick horte sie Dick Windyfords Stimme am anderen Ende der Leitung.

Alix holte tief Luft, dann drehte sie den Schlussel und sprach.

»Hier ist Mrs. Martin, Haus Nachtigall. Bitte, kommen Sie« - sie drehte den Schlussel um - »morgen fruh mit sechs Koteletts«. Sie drehte den Schlussel zuruck. »Es ist sehr wichtig.« Wieder drehte sie den Schlussel. »Vielen Dank, Mr. Hexworthy. Entschuldigen Sie, wenn ich so spat noch angerufen habe, aber die Koteletts sind wirklich« - wieder Drehen - »eine Sache von Leben und Tod.« Schlusseldrehen. »Gut, morgen fruh.« Schlusseldrehen. »So schnell wie moglich.«

Sie legte den Horer auf und wandte sich ihrem Mann zu.

»So redest du also mit deinem Metzger«, sagte Gerald.

»Das ist weibliche List«, erwiderte Alix leichthin.

Die Aufregung brachte sie halb um. Er hatte nichts gemerkt. Selbst wenn Dick sie nicht verstanden hatte - kommen wurde er jedenfalls.

Sie ging hinuber ins Wohnzimmer und schaltete das elektrische Licht ein. Gerald folgte ihr.

»Du scheinst wieder bester Laune zu sein«, sagte er und beobachtete sie gespannt.

»Ja«, entgegnete sie, »meine Kopfschmerzen sind vergangen.«

Sie setzte sich in ihren Sessel und lachelte ihrem Mann zu, als er ihr gegenuber Platz nahm. Sie war gerettet. Es war erst funfundzwanzig Minuten nach acht. Lange vor neun wurde Dick kommen.

»Der Kaffee, den du mir serviert hast, hat mir nicht geschmeckt«, beschwerte sich Gerald. »Er war bitter.«

»Ich habe eine neue Sorte ausprobiert. Ich werde ihn nicht mehr nehmen, wenn du ihn nicht magst, Liebling.«

Alix nahm sich eine Handarbeit und begann zu sticken. Gerald las ein paar Seiten in seinem Buch, dann blickte er zur Uhr und legte es weg.

»Halb neun. Zeit, um in den Keller zu gehen und mit der Arbeit anzufangen.«

Die Handarbeit fiel Alix aus den Handen.

»Oh, noch nicht. La? uns bitte bis neun warten.«

»Nein, mein Kind. Halb neun. Diese Zeit habe ich mir vorgenommen. Um so fruher kannst du zu Bett gehen.«

»Aber ich mochte lieber bis neun Uhr warten.«

»Du wei?t, wenn ich eine Zeit festsetze, halte ich mich daran. Komm, Alix. Ich werde keine Minute langer warten.«

Alix blickte zu ihm auf, so sehr sie sich auch dagegen wehrte, eine Welle des Entsetzens durchflutete sie. Die Maske war gefallen. Gerald zupfte an seinen Fingern. Seine Augen leuchteten vor Aufregung. Immer wieder fuhr er mit der Zunge uber seine trockenen Lippen. Jetzt machte er sich nicht mehr die Muhe, seine Erregung zu verbergen.

Alix dachte: Es ist wahr. Er kann es nicht abwarten. Er benimmt sich wie ein Wahnsinniger.

Er kam auf sie zu und beruhrte ihre Schulter. Sie sprang auf.

»Komm, mein Schatz. Oder ich werde dich tragen.«

Seine Stimme klang frohlich, aber eine unmi?verstandliche Grausamkeit schwang im Unterton mit. Mit letzter Kraft machte sie sich frei und hielt sich kauernd an der Wand fest. Sie war machtlos. Sie konnte nicht weglaufen. Sie konnte uberhaupt nichts tun. Und er kam immer naher.

»Also, Alix ...«

»Nein - nein!« Sie schrie. Kraftlos streckte sie ihre Hande aus, um ihn abzuhalten.

»Gerald, halt ein. Ich mu? dir etwas sagen, etwas beichten!«

»Beichten?« fragte er neugierig.

»Ja, beichten.« Sie hatte dieses Wort aufs Geratewohl gewahlt. Verzweifelt redete sie weiter und versuchte, damit seine Aufmerksamkeit zu fesseln.

»Ein ehemaliger Liebhaber, nehme ich an«, sagte er hohnisch.

»Nein«, antwortete Alix. »Etwas anderes. Man nennt es -ich glaube, man nennt es ein Verbrechen.«

Sofort merkte sie, da? sie den richtigen Ton angeschlagen hatte.

Intensiv horte er ihr zu. Als sie das bemerkte, beruhigten sich ihre Nerven etwas. Noch hatte sie eine Chance. Sie ging durch das Zimmer und setzte sich wieder in den Sessel.

»Du solltest dich auch lieber hinsetzen«, sagte sie leise.

Sogar ihre Handarbeit hatte sie wieder aufgenommen. Aber ihre Ruhe war auch nur eine Fassade. Sie mu?te eine Geschichte erfinden, die ihn fesselte, bis Hilfe kam.

»Ich erzahlte dir«, begann sie, »da? ich funfzehn Jahre lang als Stenotypistin gearbeitet habe. Das ist nicht ganz die Wahrheit. Es gab zwei Unterbrechungen. Die erste passierte, als ich zweiundzwanzig Jahre alt war. Ich begegnete einem Mann, einem alteren Herrn, der ein wenig Besitz hatte. Er verliebte sich in mich und wollte mich zur Frau. Ich sagte zu, und wir heirateten.« Sie machte eine kleine Pause. - »Ich brachte ihn dazu, eine Lebensversicherung zu meinen Gunsten abzuschlie?en.«

Alix sah das au?erordentliche Interesse im Gesicht ihres Mannes und fuhr mit neuer Sicherheit fort.

»Wahrend des Krieges arbeitete ich in der Arzneimittelabteilung eines Krankenhauses. Ich hatte dort die Verwaltung von Medikamenten und Giften unter mir.«

Wieder unterbrach sie sich. Jetzt hatte sie ihn gepackt. Daran bestand kein Zweifel. Morder haben Interesse an Mordgeschichten. Sie hatte damit gerechnet und Erfolg gehabt. Verstohlen blickte sie auf die Uhr. Es war funfundzwanzig Minuten vor neun.

»Es gibt ein Gift - so ein kleines wei?es Pulver. Eine Prise davon bringt den Tod. Kennst du dich vielleicht ein wenig mit Giften aus?«

Sie bebte, als sie diese Frage stellte. Wenn er mit Giften Bescheid wu?te, mu?te sie auf der Hut sein.

»Nein«, antwortete Gerald. »Ich wei? sehr wenig davon.«

Ein Seufzer der Erleichterung kam uber ihre Lippen.

»Du hast sicher schon einmal etwas von Hyoszamin gehort? Das Gift, von dem ich spreche, hat die gleiche Wirkung, nur ist es absolut unnachweisbar. Jeder Arzt wurde den Totenschein auf Herzschlag ausstellen. Ich habe ein kleines Quantum davon gestohlen und aufbewahrt.«

Sie schwieg und ordnete ihre Gedanken.

»Weiter!« befahl Gerald.

»Nein. Ich habe Angst. Ich kann es dir nicht sagen. Ein andermal.«

»Jetzt«, rief er ungehalten. »Ich will es jetzt horen!«

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