»Wie lange? Das wei? ich wirklich nicht.«

»Denken Sie nach! Hat er ihn erst kurzlich gekauft?«

»Ich wei? es nicht. Ja ... ich glaube, ja! Jetzt erinnere ich mich. Ich selbst interessiere mich nicht sehr fur Porzellan, aber mir ist so, als hatte er mir diesen Krug als neuesten Zugang seiner Sammlung gezeigt.«

»Ist das weniger als zwei Monate her? Die Turners haben das Heather-Landhaus vor ungefahr acht Wochen verlassen.«

»Ja, ich glaube, es war vor zwei Monaten.«

»Besucht Ihr Onkel manchmal Auktionen?«

»Er fahrt von einer Auktion zur anderen.«

»Dann durfen wir wohl mit Recht annehmen, da? er diesen Krug auf der Versteigerung der Turnerschen Sachen erstand. Ein seltsamer Zufall - oder vielleicht das, was ich das Suchen nach der blinden Gerechtigkeit nenne. Hartington, Sie mussen sofort feststellen, wo Ihr Onkel diesen Krug gekauft hat.«

Jacks Gesicht verzog sich.

»Ich furchte, das wird nicht moglich sein. Onkel George ist nicht in England. Ich wei? nicht einmal, wohin ich ihm schreiben konnte.«

»Wie lange wird er fortbleiben?«

»Mindestens drei bis vier Wochen.«

Es entstand eine Pause. Felise blickte nervos von einem Mann zum anderen.

»Gibt es denn nichts, was wir tun konnen?« fragte sie mutlos.

»Ja, es gibt etwas«, antwortete Lavington in einem Ton zuruckhaltender Erregung. »Es ist vielleicht ungewohnlich, aber ich glaube, es verspricht Erfolg. Hartington, Sie mussen diesen Krug besorgen. Bringen Sie ihn hierher, und falls Mademoiselle erlaubt, werden wir einen Abend im Heather-Landhaus verbringen und den blauen Krug mitnehmen.«

Jack fuhlte, wie er eine Gansehaut bekam.

»Was glauben Sie, was passieren wird?« fragte er unruhig.

»Ich habe nicht die geringste Ahnung, aber ich glaube ehrlich daran, da? das Geheimnis geluftet und der Geist vertrieben wird. Hochstwahrscheinlich hat der Krug einen falschen Boden, und irgend etwas ist innen versteckt. Wenn kein Phanomen erscheint, mussen wir eben unseren Scharfsinn gebrauchen.«

Felise klatschte in die Hande.

»Das ist eine wunderbare Idee!« rief sie aus.

Aus ihren Augen leuchtete Enthusiasmus. Jack war nicht annahernd so begeistert, im Gegenteil, innerlich war er sehr beunruhigt, aber nichts hatte ihn bewegen konnen, diese Tatsache vor Felise zuzugeben. Der Doktor tat so, als ware sein Vorschlag die naturlichste Sache der Welt.

»Wann konnen Sie den Krug holen?« fragte Felise.

»Morgen«, antwortete er widerwillig.

Es war ihm nicht angenehm, aber er mu?te die Sache jetzt zu Ende bringen. Bis dahin nahm er sich vor, so wenig wie moglich an den wahnsinnigen Schrei zu denken.

Am folgenden Abend ging er in das Haus seines Onkels und nahm den betreffenden Krug mit. Als er ihn wiedersah, verstarkte sich seine Gewi?heit, da? er mit dem auf dem Bild identisch war. Aber so sorgfaltig er ihn auch untersuchte, er fand weder einen doppelten Boden noch sonst etwas Au?ergewohnliches.

Es war elf Uhr, als er mit Lavington im Heather-Landhaus ankam. Felise hatte schon auf sie gewartet und offnete leise die Tur, noch bevor sie angeklopft hatten.

»Kommen Sie herein«, flusterte sie. »Mein Vater schlaft oben. Wir durfen ihn nicht aufwecken. Ich habe hier drinnen fur Sie Kaffee vorbereitet.«

Sie fuhrte die beiden in ein kleines, gemutlich eingerichtetes Wohnzimmer.

Als Jack den chinesischen Krug aus dem Papier wickelte, keuchte sie: »Aber ja, das ist er! Ich wurde ihn uberall wiedererkennen!«

Inzwischen traf Lavington seine Vorbereitungen. Er entfernte alles von einem kleinen Tisch und stellte diesen in die Mitte des Zimmers. Rundherum verteilte er drei Stuhle. Auf dem Tisch stand nur noch der blaue Krug.

»Jetzt«, sagte er, »sind wir fertig.«

Sie tranken noch ihren Kaffee, dann befahl der Arzt:

»Schalten Sie das Licht aus, und setzen Sie sich an den Tisch.«

Die anderen gehorchten. Wieder kam Lavingtons Stimme aus der Dunkelheit.

»Denken Sie an nichts - oder an alles. Zwingen Sie Ihre Gedanken nicht. Es ist moglich, da? einer von uns mediale Krafte besitzt. Wenn das so ist, wird er in Trance fallen. Denken Sie immer daran, es gibt nichts zu befurchten. Bannen Sie die Furcht aus Ihrem Herzen, und lassen Sie sich treiben . treiben .«

Seine Stimme erstarb. Von einer Minute zur anderen schien die Stille unertraglicher zu werden. Es war alles gut und schon, wenn Lavington sagte, sie sollten die Angst verscheuchen. Es war nicht Angst, was Jack fuhlte - es war Panik. Und er war fest uberzeugt, da? Felise genauso empfand. Plotzlich horte er ihre Stimme, leise und entsetzt.

»Irgend etwas Schreckliches wird geschehen, ich fuhle es.«

»Verscheuchen Sie die Angst«, sagte Lavington. »Wehren Sie sich nicht gegen die Krafte, die auf Sie zukommen.«

Die Dunkelheit schien greifbar zu werden, und die Stille hatte etwas Beklemmendes. Naher und naher kam dieses undefinierbare Gefuhl der Bedrohung. Jack fuhlte, wie es ihm den Atem nahm, dieses unheilvolle Etwas war sehr nahe .

Dann war alles vorbei. Jack trieb einen Strom hinunter, seine Lider schlossen sich, Friede . Dunkelheit. Als er langsam wieder zu sich kam, war sein Kopf schwer wie Blei. Wo war er?

Sonnenschein . Vogelgezwitscher. Er lag da und starrte in den Himmel.

Dann fiel ihm plotzlich alles wieder ein. Die Sitzung, das kleine Zimmer, Felise und der Doktor. Was war geschehen?

Er setzte sich auf und sah sich um. Er befand sich in einem kleinen Geholz, nicht weit von dem Landhaus. Niemand war in der Nahe. Er zog seine Uhr. Zu seinem Erstaunen zeigte sie halb ein Uhr an. Er sprang auf die Fu?e und rannte zu dem Landhaus hinuber. Sie mu?ten Angst bekommen haben. Vielleicht war er aus der Trance nicht aufgewacht, und sie hatten ihn in die frische Luft gebracht?

Er klopfte laut an die Tur des kleinen Hauses. Aber niemand antwortete, alles blieb still.

Sie mussen weggegangen sein, um Hilfe zu holen, dachte er.

Oder sonst? Jack fuhlte, wie eine unergrundliche Furcht sich seiner bemachtigte. Was war letzte Nacht geschehen?

So schnell wie moglich eilte er zum Hotel zuruck. Er wollte gerade ins Buro, als er einen kolossalen Sto? in die Rippen bekam, der ihn fast zu Boden warf. Verargert drehte er sich um und sah sich einem wei?haarigen alteren Herrn gegenuber, der ihn frohlich anschnaubte:

»Hast mich nicht erwartet, mein Junge. Hast mich nicht erwartet, was?«

»Aber Onkel George! Ich dachte, du warst meilenweit weg, irgendwo in Italien!«

»Nein, da war ich nicht. Landete gestern abend in Dover. Ich wollte mit dem Wagen in die Stadt, und auf dem Weg wollte ich dich besuchen. Und was mu? ich finden? Die ganze Nacht aus gewesen, hm? Nette Sachen ...«

»Onkel George«, sagte Jack, »ich mu? dir die ungewohnlichste Geschichte der Welt erzahlen. Ich wage zu behaupten, da? du sie nicht glauben wirst.«

»Ich werde mich bemuhen«, lachte der alte Herr. »Schie? los, mein Junge!«

»Aber ich mu? etwas essen. Ich bin am Verhungern.«

Zusammen gingen sie zum Speiseraum, und wahrend einer appetitlichen Mahlzeit erzahlte er die ganze Geschichte.

»Und Gott wei?, was aus ihnen geworden ist«, beendete er sie.

Sein Onkel schien am Rande eines Schlaganfalls zu sein.

»Der Krug!« brachte er schlie?lich hervor. »Der blaue Krug!«

Er brullte: »Was ist aus dem Krug geworden?«

Jack starrte ihn entgeistert an. Wahrend des Redestroms seines Onkels, der nun folgte, begann er zu

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