begreifen.
»Schmelz, einzig - Edelstein meiner Sammlung - Wert mindestens zehntausend Pfund - Offerte von Hoggenheimer, dem amerikanischen Millionar - nur ein einziges Exemplar in der ganzen Welt - verdammt! Was hast du mit meinem blauen Krug gemacht?«
Jack sturzte aus dem Speisesaal. Er mu?te Lavington finden. Die junge Dame im Buro blickte ihn kuhl an.
»Dr. Lavington ist gestern nacht abgereist. Er hat eine Nachricht fur Sie hinterlassen.« Jack ri? das Kuvert auf.
»Mein lieber junger Freund! Ist der Tag des Ubernaturlichen vorbei? Nicht ganz, aber Sie sind auch in einer neuen wissenschaftlichen Sprache verkohlt worden. Die besten Gru?e von Felise, dem kranken Vater und mir. Wir haben zwolf Stunden Vorsprung. Das sollte ausreichen.
Immer Ihr Ambrose Lavington, Doktor der Seele.«
John Harrison kam aus dem Haus, blieb einen Augenblick auf der Terrasse stehen und blickte hinaus auf den Garten. Er war ein gro?er Mann mit einem hageren, leichenblassen Gesicht. Es wirkte gewohnlich irgendwie grimmig. Wenn aber, wie jetzt, ein Lacheln seinen murrischen Ausdruck milderte, hatte er etwas sehr Attraktives an sich.
John Harrison liebte seinen Garten, und der hatte nie schoner ausgesehen als an diesem Augustabend; sommerlich, wenngleich auch schon an den Herbst mahnend. Die Kletterrosen waren noch immer schon, und der su?e Duft der Wicken wurzte die Luft.
Ein wohlbekannter quietschender Ton veranla?te Harrison, seinen Kopf abrupt zu wenden. Wer kam denn da durch das Gartentor? Im nachsten Augenblick huschte ein Ausdruck hochsten Erstaunens uber sein Gesicht. Diese stutzerhafte Gestalt, die den Weg heraufkam, war die letzte, die er in diesem Teil der Welt erwartet hatte.
»Das ist ja wundervoll!« rief Harrison. »Monsieur Poirot!«
Es war tatsachlich der beruhmte Hercule Poirot, dessen Ruf als Detektiv sich in der ganzen Welt verbreitet hatte.
»Ja«, sagte er, »ich bin's. Sie sagten einmal zu mir: >Wenn Sie je in diese Gegend kommen, besuchen Sie mich.< Ich habe Sie beim Wort genommen, und hier bin ich.«
»Und ich bin hoch erfreut«, entgegnete Harrison herzlich. »Setzen Sie sich. Darf ich Ihnen etwas zu trinken anbieten?«
Mit einer einladenden Geste deutete er auf einen Tisch auf der Veranda, auf dem eine Anzahl Flaschen stand.
»Ich danke Ihnen«, sagte Poirot und sank in einen Korbstuhl.
»Sie haben wohl keinen Fruchtsaft? Nein, nein, ich dachte es mir schon. Ein wenig klares Sodawasser dann - keinen Whisky.«
Als der andere das Glas vor ihn hinstellte, fugte er mit gefuhlvoller Stimme hinzu: »Mein Gott, ist das eine Hitze!«
»Was fuhrt Sie in diesen stillen Ort?« fragte Harrison, als er sich ebenfalls niedersetzte. »Vergnugen?«
»Nein,
»Geschafte? In diesem abgelegenen Flecken?«
Poirot nickte feierlich.
»Aber ja, mein Freund. Verbrechen werden uberall verubt, nicht wahr?«
Harrison lachte und meinte:
»Ich glaube, das war eine ziemlich dumme Bemerkung von mir. Aber was fur ein Verbrechen untersuchen Sie hier? Oder sollte ich danach lieber nicht fragen?«
»Sie durfen fragen«, erwiderte Poirot. »Ich freue mich sogar, da? Sie sich dafur interessieren.«
Harrison betrachtete ihn neugierig. Er bemerkte etwas Ungewohnliches im Benehmen des anderen.
»Sie untersuchen also ein Verbrechen, sagen Sie. Einen ernsten Fall?« fugte er zogernd hinzu.
»So ernst, wie es ihn nur gibt.«
»Sie meinen .«
»Mord.«
Hercule Poirot sprach dieses Wort so ernsthaft aus, da? Harrison zuruckfuhr. Der Detektiv blickte ihn an, und wieder lag etwas Sonderbares in seinem Gesicht, da? Harrison kaum wu?te, wie er weiterreden sollte. Schlie?lich meinte er:
»Aber ich habe von keinem Mord gehort.«
»Nein«, antwortete Poirot. »Sie werden nichts davon gehort haben.«
»Wer ist ermordet worden?«
»Bisher«, sagte Poirot bedeutungsvoll, »noch niemand.«
»Wie bitte?«
»Deshalb konnen Sie noch nichts davon gehort haben. Ich untersuche ein Verbrechen, das noch nicht verubt wurde.«
»Aber ich bitte Sie, das ist doch Unsinn.«
»Keinesfalls. Wenn jemand einen Mord untersuchen kann, bevor er verubt wurde, ist das gewi? viel zweckma?iger als hinterher. Man konnte ihn sogar - das ist eine Idee von mir -verhindern.«
Harrison starrte ihn an.
»Sie scherzen, Monsieur Poirot.«
»Aber nein, ich meine es ernst.«
»Sie glauben tatsachlich, da? ein Mord verubt werden wird? Aber das ist ja absurd!«
Hercule Poirot beendete den ersten Teil des Satzes, ohne von dem Ausruf Notiz zu nehmen. »Es sei denn, wir konnen ihn verhindern. Ja,
»Wir?«
»Ich sagte wir, denn ich werde Ihre Unterstutzung brauchen.«
»Und deshalb sind Sie hierher gekommen?«
Wieder blickte Poirot ihn an, und erneut machte dieses undefinierbare Etwas Harrison unsicher.
»Ich bin hergekommen, Monsieur Harrison, weil ich -nun, weil ich Sie mag.« Und mit vollig veranderter Stimme fugte er hinzu: »Ich sehe, Sie haben dort ein Wespennest. Das sollten Sie vernichten, Monsieur Harrison.«
Erstaunt uber diesen plotzlichen Wechsel des Gesprachsthemas, zog Harrison die Stirn in Falten. Er folgte Poirots Blick und meinte etwas verwirrt:
»Tatsachlich, das habe ich auch vor, oder vielmehr, der junge Langton wird es tun. Erinnern Sie sich an Claude Langton? Er war bei der gleichen Abendgesellschaft, wo auch ich Ihre Bekanntschaft machte. Er kommt heute abend heruber, um das Nest auszuheben. Diese Arbeit macht ihm Spa?.«
»Aha«, meinte Poirot. »Und wie wird er es machen?«
»Mit Petroleum und der Gartenspritze. Er bringt seine eigene, sie ist gro?er als meine.«
»Es gibt noch eine andere Moglichkeit, nicht wahr«, fragte Poirot, »mit Zyankali?«
Harrison sah ihn uberrascht an.
»Ja, aber das ist ein ziemlich gefahrliches Zeug. Immer ein bi?chen riskant, es im Hause zu haben.«
»Ja. Es ist ein todliches Gift.« Poirot wartete einen Augenblick, dann wiederholte er feierlich: »Todlich.«
»Nutzlich, wenn man seine Schwiegermutter beseitigen will, was?« sagte Harrison und lachte.
Aber Hercule Poirot blieb ernst.
»Und Sie sind ganz sicher, da? es Petroleum ist, mit dem Monsieur Langton Ihr Wespennest ausrauchern will?«
»Ganz sicher. Warum?«
»Ich habe mich im stillen gewundert. Heute nachmittag war ich in der Apotheke in Barchester. Fur eine