von oben an der rechten Seite meines Schreibtisches, nehme den Revolver heraus, den ich dort liegen habe, lade ihn und trete ans Fenster. Und dann . und dann .«

»Ja?«

Im Flusterton sagte Benedict Farley: »Dann erschie?e ich mich.«

Schweigen. Nach einer Weile sagte Poirot:

»Und das ist Ihr Traum?«

»Ja.«

»Jede Nacht derselbe?«

»Ja.«

»Was geschieht, nachdem Sie sich erschossen haben?«

»Ich wache auf.«

Poirot nickte langsam und nachdenklich vor sich hin.

»Haben Sie eigentlich einen Revolver in dieser besonderen Schublade? Es wurde mich interessieren.«

»Ja.«

»Warum?«

»Aus alter Gewohnheit. Man mu? auf alles vorbereitet sein.«

»Worauf, zum Beispiel?«

Gereizt erwiderte Farley:

»Ein Mann in meiner Stellung mu? auf der Hut sein. Alle reichen Leute habe Feinde.«

Poirot verfolgte das Thema nicht weiter. Er schwieg eine Weile und fragte dann:

»Warum haben Sie mich eigentlich kommen lassen?«

»Das will ich Ihnen sagen. Zuallererst konsultierte ich einen Arzt - drei Arzte, genauer gesagt.«

»Und was sagten sie?«

»Der erste setzte mir auseinander, da? es nur eine Diatfrage sei. Es war ein alterer Mann. Der zweite war jung und gehorte der modernen Richtung an. Er versicherte mir, da? der ganzen Geschichte ein gewisses Ereignis meiner Kindheit zugrunde liege, das um diese besondere Zeit - drei Uhr achtundzwanzig - stattfand. Ich sei so fest entschlossen, mich nicht an dieses Ereignis zu erinnern, da? ich es durch meinen Selbstmord symbolisiere. Das ist seine Erklarung.«

»Und der dritte Arzt?« fragte Poirot.

Benedict Farleys Stimme schrillte vor Zorn.

»Er ist ebenfalls ein junger Mann und hat eine geradezu lacherliche Theorie. Er behauptet, da? ich selbst des Lebens uberdrussig sei, da? mein Leben mir so unertraglich erscheine, da? ich es vorsatzlich zu enden wunschte! Aber da die Anerkennung dieser Tatsache gleichbedeutend sei mit dem Eingestandnis, da? ich im wesentlichen versagt hatte, weigerte ich mich im Wachzustande, der Wahrheit ins Auge zu sehen. Doch wenn ich schliefe, wurden alle Hemmungen beseitigt, und ich fuhrte das aus, was ich in Wirklichkeit zu tun wunschte. Ich machte meinem Dasein ein Ende.«

»Dann ist er also der Ansicht, da? Sie, ohne es zu wissen, Selbstmord begehen mochten, nicht wahr?« sagte Poirot.

Benedict Farley erwiderte schrill:

»Und das ist unmoglich - unmoglich! Ich bin durchaus glucklich! Ich habe alles, was ich mir wunsche, alles, was man mit Geld kaufen kann! Es ist phantastisch, einfach unglaublich, so etwas uberhaupt anzudeuten!«

Poirot betrachtete ihn voller Interese. Vielleicht sagte ihm etwas in dem ganzen Gebaren - die zitternden Hande, die bebende, schrille Stimme - da? die Beteuerungen zu heftig und damit an sich schon verdachtig seien. Aber er begnugte sich mit der Bemerkung:

»Und was habe ich mit alledem zu tun, Monsieur?«

Benedict Farley beruhigte sich plotzlich wieder und klopfte nachdrucklich mit dem Finger auf den neben ihm stehenden Tisch.

»Es besteht noch eine andere Moglichkeit. Und wenn etwas daran sein sollte, sind Sie der Mann, der damit fertig werden kann! Sie sind beruhmt. Sie haben Hunderte von Fallen bearbeitet - phantastische, unwahrscheinliche Falle! Sie wurden es wissen, wenn es irgend jemand tate.«

»Wovon reden Sie eigentlich?«

Farleys Stimme sank zu einem Gefluster herab.

»Nehmen wir einmal an, da? jemand mich toten will . Konnte er es auf diese Weise tun? Konnte er bewirken, da? ich Nacht fur Nacht diesen Traum habe?«

»Durch Hypnose, meinen Sie?«

»Ja.«

Hercule Poirot uberlegte eine Weile.

»Moglich ware es vielleicht, nehme ich an«, sagte er schlie?lich. »Aber ein Arzt konnte Ihnen diese Frage besser beantworten.«

»Ist Ihnen ein derartiger Fall noch nicht vorgekommen?«

»Nein, nicht gerade in dieser Form.«

»Sie sehen aber doch, worauf ich hinauswill. Man veranla?t mich, denselben Traum Nacht fur Nacht, Nacht fur Nacht zu traumen - und dann - eines Tages wird mir diese Suggestion zuviel, und ich setze sie in die Tat um. Ich tue, was ich so oft getraumt habe - ich tote mich!«

Langsam schuttelte Hercule Poirot den Kopf.

»Sie halten es fur unmoglich?« fragte Farley.

»Unmoglich?« Poirot schuttelte abermals den Kopf. »Mit diesem Wort habe ich nicht gern etwas zu schaffen.«

»Aber Sie halten es fur unwahrscheinlich?«

»Hochst unwahrscheinlich.«

Benedict Farley murmelte leise: »Der Arzt war derselben Meinung.« Dann hob sich seine Stimme wieder, und er fragte: »Aber warum habe ich diesen Traum? Warum? Warum nur?«

Hercule Poirot schuttelte den Kopf, und Benedict Farley sagte unvermittelt:

»Sind Sie ganz sicher, da? Ihnen so etwas in Ihrer Praxis noch nicht vorgekommen ist?«

»So einen Fall habe ich noch nie gehabt.«

»Das wollte ich gern wissen.«

»Gestatten Sie mir eine Frage?«

»Was ist es? Was ist es? Fragen Sie, was Sie wollen.«

»Wen haben Sie im Verdacht, wenn Sie sagen, da? jemand Sie toten mochte?«

»Niemand«, lautete die barsche Antwort. »Uberhaupt keinen.«

»Aber der Gedanke war Ihnen doch gekommen.«

»Ich wollte nur wissen, ob die Moglichkeit existiere.«

»Nach meinen eigenen Erfahrungen zu urteilen, mochte ich sagen: nein. Sind Sie ubrigens schon einmal hypnotisiert worden?«

»Naturlich nicht. Glauben Sie etwa, ich gebe mich zu solchem Unsinn her?«

»Dann kann man wohl sagen, da? Ihre Theorie ganz entschieden unwahrscheinlich ist.«

»Aber der Traum, Sie Tor, der Traum!«

»Der Traum ist sicherlich bemerkenswert«, sagte Poirot nachdenklich. Er schwieg und fuhr dann fort: »Ich mochte gern den Schauplatz dieses Dramas sehen - den Tisch, die Uhr und den Revolver.«

»Aber gewi?. Kommen Sie mit ins Nebenzimmer.«

Wahrend er den Schlafrock enger um sich zog, erhob sich der alte Mann halbwegs aus seinem Sessel, lie? sich dann aber wieder zurucksinken, als sei ihm plotzlich etwas eingefallen.

»Nein«, erklarte er. »Es gibt dort nichts zu sehen. Ich habe Ihnen alles eingehend geschildert.«

»Aber ich mochte mich gern selbst uberzeugen.«

»Durchaus nicht notwendig«, sagte Farley schroff. »Sie haben mir Ihre Ansicht gesagt. Damit ist der Fall erledigt.«

Poirot zuckte die Achseln. »Wie Sie wunschen.« Er stand auf. »Ich bedaure sehr, Mr. Farley, da? ich Ihnen nicht helfen konnte.«

Benedict Farley starrte unverwandt geradeaus.

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