»Mr. Farley hatte die Gewohnheit, jeden Nachmittag in seinem eigenen Zimmer im ersten Stock zu arbeiten. Wie ich hore, stand eine gro?e Verschmelzung im Geschaftsleben bevor ...«
Er blickte fragend zu Hugo Cornworthy hinuber, der erlauternd hinzusetzte: »Vereinigte Buslinien.«
»In diesem Zusammenhang«, fuhr Inspektor Barnett fort, »hatte Mr. Farley sich bereit erklart, zwei Pressemitgliedern ein Interview zu gewahren. Etwas, das er sehr selten tat -nur alle funf Jahre einmal, wie ich hore. Demgema? erschienen zwei Reporter - einer von den Associated Newsgroups und einer von den Amalgamated Press-Sheets -um ein Viertel nach drei, wie verabredet. Sie warteten im ersten Stock vor Mr. Farleys Tur - der ubliche Platz fur alle, die eine Verabredung mit Mr. Farley hatten. Um zwanzig nach drei erschien ein Bote vom Buro der Vereinigten Buslinien mit wichtigen Papieren. Er wurde in Mr. Farleys Zimmer gefuhrt, wo er ihm die Dokumente aushandigte. Mr. Farley begleitete ihn zur Tur und sprach von dort mit den beiden Pressemitgliedern. Er sagte:
>Es tut mir leid, meine Herren, da? ich Sie warten lassen mu?, aber ich habe eine dringende Sache zu erledigen. Ich werde mich nach Moglichkeit beeilen.<
Die beiden Herren, Mr. Adams und Mr. Stoddart, versicherten Mr. Farley, da? es ihnen nichts ausmache zu warten. Er ging dann ins Zimmer zuruck, schlo? die Tur -und wurde nicht wieder lebend gesehen!«
»Fahren Sie bitte fort«, bat Poirot.
»Kurz nach vier Uhr«, berichtete der Inspektor weiter, »kam Mr. Cornworthy aus seinem Zimmer, das neben Mr. Farleys Raum liegt, und sah zu seiner Uberraschung, da? die beiden Reporter immer noch warteten. Er brauchte Mr. Farleys Unterschrift fur einige Briefe und hielt es auch fur angebracht, ihn an diese beiden Herren zu erinnern. Also ging er in Mr. Farleys Raum. Zu seinem Erstaunen konnte er Mr. Farley zunachst gar nicht sehen und nahm schon an, da? der Raum leer sei. Dann fiel sein Blick auf einen Schuh, der hinter dem Schreibtisch hervorragte - dieser steht quer vor dem Fenster. Er ging rasch hinuber und entdeckte Mr. Farley tot am Boden und neben ihm einen Revolver.
Mr. Cornworthy verlie? dann eilends das Zimmer und wies den Butler an, Dr. Stillingfleet telefonisch herbeizurufen. Auf Anraten des Arztes benachrichtigte Mr. Cornworthy auch die Polizei.«
»Wurde der Schu? nicht gehort?« fragte Poirot.
»Nein. Der Verkehr ist hier sehr laut, und das Fenster auf dem Treppenabsatz war offen. Bei dem vielen Gehupe und dem Donnern der Lastwagen war es ein Ding der Unmoglichkeit.«
Poirot nickte nachdenklich. »Wann ist er vermutlich gestorben?«
Stillingfleet erwiderte:
»Ich habe die Leiche sofort nach meiner Ankunft untersucht, und das war zweiunddrei?ig Minuten nach vier. Mr. Farley war da seit mindestens einer Stunde tot.«
Poirots Gesicht hatte einen sehr ernsten Ausdruck.
»Dann erscheint es also durchaus moglich, da? der Tod um die Zeit, die er mir gegenuber erwahnte, eingetreten ist -namlich um achtundzwanzig Minuten nach drei.«
»Ganz recht«, sagte Stillingfleet.
»Sind Fingerabdrucke auf dem Revolver?«
»Ja, seine eigenen.«
»Und der Revolver selbst?«
Der Inspektor schaltete sich wieder ein.
»War derjenige, den er in der zweiten Schublade an der rechten Seite seines Schreibtisches aufbewahrte, wie er Ihnen gesagt hatte. Mrs. Farley hat ihn mit Bestimmtheit identifiziert. Au?erdem hat der Raum nur einen Zugang, namlich die Tur nach der Diele. Die beiden Reporter sa?en dieser Tur direkt gegenuber, und sie schworen, da? niemand das Zimmer betreten hat von dem Augenblick an, als Mr. Farley mit ihnen sprach, bis Mr. Cornworthy kurz nach vier hineinging.«
»So da? man mit Sicherheit annehmen kann, da? Mr. Farley Selbstmord begangen hat.«
Inspektor Barnett lachelte ein wenig.
»Daran ware uberhaupt nicht gezweifelt worden, wenn man nicht etwas entdeckt hatte.«
»Und was war das?«
»Der an Sie gerichtete Brief.«
Poirot lachelte ebenfalls.
»Ich verstehe! Wo Hercule Poirot beteiligt ist, da erhebt sich sofort ein Mordverdacht!«
»Ganz recht«, bestatigte der Inspektor trocken. »Nachdem Sie jedoch die Situation geklart haben -«
»Einen kleinen Augenblick«, unterbrach ihn Poirot und wandte sich dann an Mrs. Farley. »Ist Ihr Gatte jemals hypnotisiert worden?«
»Niemals.«
»Hatte er die Frage der Hypnose studiert? Interessierte er sich fur diesen Gegenstand?«
»Ich glaube nicht.« Plotzlich schien sie ihre Selbstbeherrschung zu verlieren. »Dieser gra?liche Traum! Es ist unheimlich! Da? er das Nacht fur Nacht getraumt hat - und dann - es ist beinahe, als ware er - zu Tode
Poirot erinnerte sich daran, wie Benedict Farley sagte:
»Ist Ihnen je der Gedanke gekommen, da? Ihr Gatte die Versuchung spurte, sich das Leben zu nehmen?«
»Nein - das hei?t, manchmal war er sehr merkwurdig .«
Joanna Farleys Stimme ertonte plotzlich, klar und verachtlich.
»Vater hatte sich niemals das Leben genommen. Er war viel zu sehr auf sein Wohlergehen bedacht.«
Dr. Stillingfleet erwiderte darauf:
»Wissen Sie, Miss Farley, die Menschen, die immer mit Selbstmord drohen, begehen diese Tat gewohnlich nicht. Daher erscheint mancher Selbstmord so unbegreiflich.«
Poirot erhob sich.
»Ist es gestattet«, fragte er, »da? ich den Raum sehe, wo die Tragodie stattfand?«
»Gewi?. Dr. Stillingfleet wird Sie vielleicht begleiten.«
Der Arzt erhob sich und ging mit Poirot nach oben.
Benedict Farleys Zimmer war bedeutend gro?er als das des Sekretars nebenan. Es war luxurios ausgestattet mit tiefen Ledersesseln, einem dicken Veloursteppich und einem prachtvollen, riesigen Schreibtisch.
Poirot trat hinter den Schreibtisch, wo gerade vor dem Fenster ein dunkler Fleck auf dem Teppich zu sehen war. In Gedanken horte er den Millionar sagen:
Er nickte langsam vor sich hin und sagte:
»Stand das Fenster offen, wie jetzt?«
»Ja. Aber niemand hatte auf diese Weise eindringen konnen.«
Poirot blickte hinaus. Es war nichts zu sehen: keine Fensterschwelle, kein Vorsprung, keine Rohre. Nicht einmal eine Katze hatte sich einschleichen konnen. Gegenuber erhob sich die glatte Wand des Fabrikgebaudes - eine blinde Wand ohne Fenster.
»Seltsam«, meinte Stillingfleet, »da? ein reicher Mann sich einen Raum mit solcher Aussicht als Arbeitszimmer gewahlt hatte. Es ist ja, als ob man auf eine Gefangniswand blickte.«
»Ja«, stimmte ihm Poirot zu, wahrend er den Kopf zuruckzog und auf die ode Backsteinflache starrte. »Ich glaube, da? die Wand eine wichtige Rolle spielt.«
»Meinen Sie - vom psychologischen Standpunkt aus?«
Poirot war inzwischen an den Schreibtisch getreten. Scheinbar mu?ig nahm er eine sogenannte Faulenzerzange in die Hand. Er pre?te die Griffe zusammen, und die Zange scho? in ihrer ganzen Lange heraus. Sorgfaltig hob er damit ein abgebranntes Streichholz vom Boden, das in einiger Entfernung neben einem Sessel lag, und beforderte es geschickt in den Papierkorb.
»Eine geistreiche Erfindung«, murmelte Hercule Poirot und legte die Zange wieder sauberlich auf den Schreibtisch. Dann setzte er hinzu: »Wo waren Mrs. Farley und Miss Farley zur Zeit des - Todes?«
»Mrs. Farley ruhte in ihrem Zimmer, das im nachsten Stock liegt, und Miss Farley malte in ihrem Atelier