jeder Beobachter eine recht gute Beschreibung von mir haben.«

»Die einzige andere Moglichkeit fur uns ist die, weiterzugehen«, betonte er. »Und keiner von uns ist so bei Kraften, da? er volles Gepack tragen oder einen Geschwindmarsch aushalten konnte. In ein paar Tagen, ja, aber nicht jetzt. Sie sind immer noch wacklig auf den Beinen, und von hier an wird der Steig sehr schwierig.«

Sie trat an den Tisch, an dem Asam gestanden hatte, als sie zu sich gekommen war. Dort lag eine Karte von Gedemondas ausgebreitet, eine topographische Karte mit Pfaden, Schutzhutten und Biwakunterkunften. Es war leicht zu finden, wo sie sich jetzt befanden, die erste Hutte uber der Schneegrenze. Sie studierte die Karte, und er kam heran und blickte uber ihre Schulter.

»Wonach suchen Sie?« fragte er.

»Nach einem eingesturzten Vulkan«, antwortete sie. »Ein riesengro?er Krater, hoch oben, umgeben von hohen Gipfeln.«

»Ein Gro?teil von Gedemondas ist vulkanisch«, stellte er fest. »Viele sind auch noch aktiv. Nicht sehr gefahrlich, die meisten. Im Notfall konnte man vor einem Lavastrom davonlaufen. Von den gro?en paffen aber einige ziemlich stark.«

Sie nickte.

»Die Gedemondaner leben in Vulkanhohlen und benutzen miteinander verbundene Lavarohren, um unter der Oberflache voranzukommen. Das Netz ist von enormer Gro?e. Sie verwenden Vulkandampf auch fur Hitze- und einfache Energieerzeugung — obwohl das ein nicht-technologisches Hex ist, haben sie statt maschinenerzeugter naturliche Dampfexplosion. Da ist es auch behaglich warm.«

Er zog erstaunt die Brauen hoch.

»Dampfkraft? Und wofur benutzen sie die?«

»Ich habe keine Ahnung«, erwiderte sie offen. »Wir haben Gerausche gehort, die von der Drehung von Zahnradern und Hebeln einer riesigen Maschine stammen konnten, und kamen auf den Gedanken, da? da vieles vorging, wovon wir nie etwas erfuhren. Wir haben aber nur gesehen, was man uns zeigte — und ich war in einer schlechteren Lage als die meisten, um genau aufzupassen. Ich glaube jedoch, da? alle Eingange sich weiter im Inneren befinden, im Hochland.«

»Vielleicht an manchen der alten und wenig benutzten Steige?«

Sie schuttelte verneinend den Kopf.

»Nein. Es spielte keine Rolle, wo — es kann ruhig auch bequemer sein. Wir mussen nur hoher hinauf…« Ihre Stimme verklang, als sie die Karte genauer betrachtete und ihr Blick sich auf einen Kreis konzentrischer Ringe, ahnlich Jahresringen an einem Baum, richtete; in der Mitte war eine freie Stelle. »In dieser Richtung«, sagte sie zu ihm und zeigte darauf. »Ich wei?, da? von ihrem Hauptkomplex aus Offnungen in diesen Krater fuhren.«

Er sah sich die Stelle an.

»Oder vor Jahrhunderten fuhrten«, sagte er halblaut mit sorgenvoller Stimme.

»Wir gehen hin. Stufenweise, ohne uns anzustrengen. Einverstanden?«

Er grinste.

»Das wissen Sie. Aber ob es uns gefallt, ich finde, wir sollten erst morgen fruh losziehen, nicht gleich jetzt. Wir brauchen die zusatzliche Ruhepause, damit alles ein bi?chen halt« - sie wu?te, da? er sie meinte —, »und sollten uns vergewissern, da? diese Leute zuruckgebracht werden. Warten wir wenigstens auf den Rettungstrupp.«

Sie wollte das eigentlich nicht, aber ihr Kopf hammerte, und sie fuhlte sich sehr schwach und mude.

»Also gut, Asam. Morgen fruh.«

* * *

Obwohl der Pfad gut markiert war, kamen sie beide nur mit Muhe voran. Der Wind schnitt in ihr Fleisch, und selbst die kleineren Traglasten schienen auf jede Wunde und Prellung zu drucken. Asam verzog ab und zu das Gesicht, beklagte sich aber nie, sowenig wie sie selbst. Trotzdem beherrschten dustere Gedanken ihren Aufstieg, vor allem ihre inneren Zweifel an dem, was sie tat. Stand sie wirklich auf der richtigen Seite? Nicht, da? sie auf der Seite des Schachtes stehen sollte, aber warum uberhaupt auf irgendeiner?

Sie kannte darauf die Antwort naturlich. Brazil hatte sich geweigert, den Schacht zu reparieren, wenn sie nicht dabei war, wenn sie es nicht ausdrucklich anordnete. Sie fragte sich, wer den Auftrag geben sollte, wenn sie bei diesem irren Kampf ums Leben kommen wurde. Vielleicht niemand. Vielleicht wurde er einfach in den Schacht gehen, sich im eigentlichen Universum an die Stelle zuruckversetzen, wo er gerne sein wollte, und auf die letztendliche Zerstorung warten. Die Verantwortung lag bei ihr, nicht bei ihm. Das hatte er praktisch ausgesprochen.

Sie hatte aber nicht nach dieser Verantwortung verlangt, sagte sie sich, und wollte nichts von ihr wissen. Das war nicht gerecht. Nichts in ihrem ganzen verdammten Leben war jemals gerecht gewesen, aber sie hatte wenigstens daruber zu bestimmen gehabt. Jetzt hatte man ihr sogar das genommen.

Es gab auch Zweifel an ihrer Rolle bei dem Ganzen. Sie sollte sich in ihrem Hex einrichten und auf Anweisungen warten. Das war alles, was man ihr erklart hatte — das und die Tatsache, da? die Neuzugange sich spater um sie scharen, zu einer vielrassigen Streitmacht werden wurden, einer von mehreren, die auf ein Signal hin zu einem bestimmten Ort stromen und sich zu einer ungeheuren Armee vereinigen sollte, vielleicht zu der gro?ten, die man auf der Sechseck-Welt jemals erlebt hatte: eine Armee, aufgefullt, ernahrt und versorgt auf dem Marsch von anderen Hexagons, von anderen Neuzugangen und Diplomaten-Freunden, die, so unterstellte man, mit allem, was gebraucht wurde, jederzeit aufwarten konnten. Das horte sich verdammt riskant an.

Aber wenn Asam recht hatte, wurde Dillia ihr folgen. Im Augenblick wurde man ihr folgen — naturlich nicht alle, aber genug fur eine betrachtliche Streitmacht. Das war alles, was man von ihr gefordert hatte. Warum war sie in Gedemondas? Auf eine Ahnung hin? Oder lag es am Wunsch ihres Unbewu?ten, ein unbestimmbares Element ins Spiel zu bringen, damit sie, wie ublich, ihren Einflu? vergro?ern konnte?

Eine neue Nacht, eine neue Hutte. Sie fuhlten sich besser, schliefen besser, als der Marsch weiterging, und aus der Kameradschaft im Kampf des ersten Tages war echte Ubereinstimmung geworden.

Auch das machte ihr Sorgen. Er war Asam, ein gro?er Mann und guter Freund, gewi?. Aber auch ein Zentaur Dillias, geboren auf der Sechseck-Welt, und aus eben diesem Grund konnte er sie nie verlassen. Sie war nur an der Oberflache Dillianerin; innerlich war sie immer noch die alte Mavra Tschang, immer noch dieselbe Frau von einer ganz anderen Rasse und, daruber hinaus, einer sehr anderen Zeit und Kultur. Am Ende des Ganzen stand das Unbekannte. Vielleicht kannte Brazil sich aus, aber wo war er?

Und so wies sie Asams Zuneigung ab, freundlich, aber entschieden. Sie sah, da? ihn das schmerzte, und aus diesem Grund tat es ihr auch weh. Doch alles andere war einfach nicht fair, fur sie und fur ihn nicht.

Am vierten Tag ihrer Wanderschaft waren sie der Erschopfung nahe. Es war sehr hart gewesen, die Eishange zu begehen, wo niemals eine Schmelze eintrat, und die Gipfel besa?en nur wenige und schwer zu bewaltigende Passe. Sie wu?te, da? sie alle beide nicht mehr lange durchhalten konnten. Sie erreichten die Hutte, ein viel kleineres Gebaude als sonst, weil das ein Ubergangspunkt zu anderen Talern und kein Hauptlager war. Als es dunkel wurde, machten sie es sich bei einem hellodernden Kaminfeuer bequem, und sie waren so mude, da? sie kaum ein Wort miteinander sprachen. Mit der Nacht sank eine Stille herab, die so absolut war, da? sie unnaturlich erschien, unterbrochen nicht einmal von Worten. Es gab nichts als das knackende Feuer und ihre langsamen Atemzuge, als sie eindosten.

Sie schlief unruhig, weil sie einfach zu mude war, und das Knirschen, so, als stapfe ein schweres, gro?es Tier durch den Schnee, nahm sie nur halb wahr. Hatte es das wirklich gegeben, oder war es ein Traum? Oder vielleicht ein Echo ihrer Hoffnungen? Sie wu?te es nicht und war viel zu erschopft, um sich damit zu befassen.

Die Tur offnete sich laut knarrend, aber sie regten sich beide nicht. In Gedemondas regte man sich, wenn das erwunscht war.

Der Gedemondaner stand aufrecht wie ein Mensch oder Affe, und mit fast drei Metern Hohe beruhrte er beinahe die Decke. Sein Gesicht war hundeahnlich, mit einer langen, schmalen Schnauze, vorne schwarz, aber seine Augen glichen in hohem Ma? denen eines Menschen oder Dillianers. Sie waren gro? und von dunstigem, hellem Blau. Er war bedeckt mit schneewei?em, fast blendendwei?em Pelz, sehr wolligem, wie dem eines Schafes, und an beiden Kopfseiten hingen lange Ohrschlappen herab.

Der Gedemondaner schenkte den Schlafenden zunachst wenig Beachtung, ging zu den Traglasten und

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