durchsuchte sie beilaufig. Er stie? auf Asams Zigarren, zog eine heraus und betrachtete sie prufend, als versuche er dahinterzukommen, was das sei. Er fuhr mit einer schmalen, rosigen Zunge uber die Hulle, legte den Kopf auf die Seite, als denke er nach, zuckte dann leicht die Achseln und steckte die Zigarre in eine unsichtbare, beuteltierartige Bauchtasche.
Schlie?lich schien er zufrieden zu sein, bis er die Karte von Gedemondas bemerkte. Er entrollte sie und betrachtete sie kurze Zeit. Aus seinem Inneren drang ein seltsames, rasch klickerndes Gerausch, das ein leises Lachen sein mochte. Mit seinen sonderbaren biegsamen Handen — drei Finger und Daumen — rollte er die Karte wieder zusammen und legte sie zuruck. Im Ruhestand bildeten die Hande fast kreisrunde Polster, die kaum Ahnlichkeit mit Handen besa?en.
Das Wesen drehte sich um und ging nach hinten, wo die Stalle waren. Es betrachtete Asam kurz, der friedlich schlief.
Dann ging es zum nachsten Stall, wo Mavra jetzt in tiefem Schlummer lag, wie betaubt.
Die beiden kleinen Polster griffen zuerst zu ihrem Kopf und schienen ihn zu streicheln. Eine Hand entrollte sich und zog vorsichtig die langen blonden Haare weg, so da? die ha?lich aussehende Beule an ihrem Kopf deutlich sichtbar wurde. In der Hoffnung, sie werde sich von selbst entleeren und abheilen, war sie von den Dillianern nicht verbunden worden.
Die Hand formte sich wieder zu einem Polster, und aus der merkwurdig aussehenden behaarten rosigen Handflache drang eine klebrig aussehende Absonderung. Der Gedemondaner hielt mit seiner anderen Hand die Haare fest und legte das kleine Polster mit der Absonderung wie eine Kompresse auf die Schwellung.
Zum erstenmal schien das Wesen zu bemerken, da? die blauen Flecken eben dies waren und die Verbande andere Wunden bedeckten. Vorsichtig nahm es die Verbande ab und betrachtete die Verletzungen. Es fiel ihm ein wenig schwer, Mavra hinten aufzustellen, und einmal zog er sie sogar vorsichtig aus dem Stall heraus, aber weder sie noch Asam wurden wach.
Ein zweiter Gedemondaner kam herein und betrachtete die beiden Schlafer, dann nickte er dem ersten zu, der sich mit Mavra beschaftigte. Er schien sofort zu spuren, da? die beiden verletzt waren, und machte sich bei Asam ans Werk, dessen Wunden — tiefer und schwerer, als er Mavra oder den anderen gegenuber zugegeben hatte — schmerzhafter waren.
Im Verlauf ihrer geheimnisvollen Behandlung gab der zweite Gedemondaner einen Brummlaut von sich und zeigte auf Asams Kehle. Der erste nickte, zeigte auf Mavra und schuttelte den Kopf. Der Sinn war klar. Asam hatte einen Ubersetzer-Kristall; mit ihm konnten sie reden, aber nicht mit Mavra, und es war unverkennbar, da? sie mit Mavra sprechen wollten.
Sie begriffen, da? sie vor einem Problem standen. Sie brauchten einen Sprachenspezialisten, aber den gab es hier nicht. Sie mu?ten die beiden an einen anderen Ort transportieren, fragten sich jedoch, wie weit die zwei fortgebracht werden konnten. Aber sie befanden sich wahrend der Jagdzeit in einer offentlich zuganglichen Hutte an einem ofter benutzten Steig. Keiner wollte hier warten und Gefahr laufen, entdeckt zu werden.
Sie dachten beide nach. Die Debatte war vollig stumm gefuhrt worden, nicht einmal telepathisch. Sie hatten einfach die Worter gekannt, auf die es ankam, und mit der einen oder anderen Geste war ein ganzes Gesprach bewaltigt worden.
Einer von ihnen traf eine Entscheidung und ging zu Asam, der immer noch schlief, um Laute von sich zu geben, die wie das Jaulen eines kleinen Hundes klangen. Immer noch erfa?t von der Kraft, die beide gebrauchten, also nach wie vor im Hypnoseschlaf, begann Asam zu sprechen.
»Mavra Tschang, hore uns.«
»Ich hore euch«, erwiderte sie wie in Betaubung, die Augen geschlossen, gleichma?ig atmend, und als sie es sagte, wiederholte Asam es.
Der Gedemondaner nickte, offenbar zufrieden. Der andere verstand ihn instinktiv. Es war nicht ideal, aber man mu?te mit dem zurechtkommen, was man zur Verfugung hatte.
»Der Schacht ist beschadigt«, sagte der Gedemondaner durch Asam. »Wir wissen es. Wir spurten es, als es geschah. Er ist eine Maschine, aber in vieler Beziehung auch wie ein lebender Organismus. Er ist in hochster Qual. Wir haben euch medizinisch behandelt, und das fiel leicht. Der Schacht braucht diese Hilfe auch, kann sich aber nicht selbst helfen. Das ist uns ebenfalls klar. Wir werden euch helfen, das zu tun, denn unser eigener Blick ist unklar, unsere Gemuter werden davon beeinflu?t, weil wir auf den Schacht eingestimmt sind.« Er schwieg kurze Zeit. »Sprich jetzt zu uns.«
»Brazil versucht den Schacht zu reparieren«, erklarte sie. »Die Nationen tun sich zusammen, um ihn aufzuhalten. Es wird Krieg geben. Jede Hilfe ist dringend notig.«
»Wir verstehen den Plan«, teilte ihr der Gedemondaner mit. »Wir hatten auch unseren Anteil an Neuzugangen, aber im Gegensatz zu den meisten anderen Sechsecken sind euch diese von geringem Nutzen. Sie gleichen uns au?erlich, gewi?, doch unsere Krafte entstehen durch Ausbildung, Studium, immense Konzentration schon vor der Geburt, sogar durch Zuchtwahl im Hinblick auf gewisse Dinge. Das ist nichts, was man uber Nacht lernen kann, nur im Laufe eines ganzen Lebens. Sprich jetzt.«
»Aber wir brauchen eure Krafte«, sagte sie. »Wir brauchen sie um jeden Preis.«
»Wir verstehen. Du mu?t begreifen, da? wir nur Boten sind. Wir erfuhren von eurer Gegenwart erst, als wir die Heftigkeit des Uberfalls auf euch spurten. Wir beiden waren euch am nachsten und beeilten uns, so gut wir konnten. Aber wir sind nicht jene, die ihr braucht, oder jene, die entscheiden. Wir konnen von euch nur die Tatsachen ubernehmen und sie an Weisere weitergeben. Sprich jetzt.«
»Dann mussen wir mit euch dahin gehen, wo jene sind, die helfen konnen«, betonte sie.
»Das ist nicht moglich«, erwiderte der Gedemondaner. »Es bleibt nicht genug Zeit. Eine Versammlung findet statt. Es ist notig, da? du teilnimmst. Sprich jetzt.«
»Ich wei? von keiner solchen Versammlung«, gab sie zuruck. »Wer hat sie einberufen, und zu welchem Zweck?«
»Deine eigenen Leute, um in gro?erem Rahmen zu planen. Sie soll an dem Ort namens Zone stattfinden, dort, wo man Raume fur uns reserviert hat, die wir nicht brauchen. Sprich jetzt.«
»In der Botschaft von Gedemondas?« murmelte sie und wirkte sogar in ihrem Zustand leichter Hypnose erstaunt. »Dann mu? ich zu einem Zone-Tor.«
»Dein Zone-Tor ist weit von hier«, erklarte der Gedemondaner. »Du mu?t so schnell dorthin, wie du kannst. Nach der Versammlung konnten wir bereit sein, uns mit dir erneut in Verbindung zu setzen. Sprich jetzt.«
»Euer eigenes Zone-Tor ware naher«, meinte sie. »Wir sollten dorthin gebracht werden.«
Das Wesen starrte sie einen Augenblick lang an, als sei es fassungslos. Es war zu sehen, da? das machtige wei?e Geschopf auf diesen Gedanken nicht gekommen war; in der Erinnerung aller war ihr Zone-Tor nie benutzt worden, so da? sie es in ihre Gedanken nicht mit aufnahmen.
»Du konntest unser Tor benutzen?« fragte der Gedemondaner. Selbst durch den leichten Nebel, in den sie versetzt worden war, spurte Mavra die Verbluffung des Wesens und empfand ein wenig Befriedigung. Tief in ihrem Inneren, wenn auch in ihrem Unbewu?ten verborgen und nicht muhelos verfugbar, wurde die neue Erkenntnis Platz finden, da? die Gedemondaner weder allwissend noch allmachtig waren.
Der erste Gedemondaner stapfte zu Asams Traglast, zog erneut die Karte heraus, entrollte sie und betrachtete sie genau, dann nickte er seinem Begleiter zu. Sie hatte recht. Ihr Zugang war viel naher, vor allem durch die Tunnels von Gedemondas, in denen sich nur die Einheimischen auskannten.
Die Entscheidung wurde an Ort und Stelle getroffen. Man versetzte die beiden in noch tieferen Schlaf und rief sie hinaus. Man half ihnen in ihre dicke Schutzkleidung, aber die Traglasten blieben unbeachtet. Dann gingen die beiden Gedemondaner langsam und bedachtig zur Tur hinaus, und die beiden verzauberten Fremdwesen folgten ihnen gehorsam.
Stunden waren vergangen, als sie tiefer nach Gedemondas eindrangen. Dann hatte sich eine Felswand geteilt, und sie hatten die warmen Tunnels des fremdartigen, unerforschten Hexagons betreten und gingen nun durch das unendliche Labyrinth, Stunde um Stunde, ohne Pause oder Klage. Die beiden waren starker gefesselt, als hatte man sie verschnurt und Schu?waffen an ihre Kopfe gehalten. Sie wu?ten von dem Marsch uberhaupt nichts, nichts von dem Zug durch viele belebte Gange und Zentren gedemondanischer Tatigkeit. Mehr als einmal wechselten ihre Huter, aber sie gingen weiter.