»Nein. Denk nach. Fur mich und die meisten auf der Sechseck-Welt mag das weit in der Vergangenheit liegen, aber das war in ihrer Geschichte das bedeutsamste Ereignis, ganz zu schweigen davon, da? es auch das demutigendste gewesen ist. Ich glaube einfach nicht, da? sie so dumm sein und das noch einmal machen werden. Das ist naturlich nur ein Gefuhl bei mir — aber hier stinkt etwas zum Himmel.«

»Ich wei? nicht…«, meinte sie zogernd.

»Wir gehen ganz nah an die Grenze heran, aber nicht gleich hinuber«, sagte er entschieden. »Ich will das Gebiet bei Tag und Nacht genauer erkunden lassen. Sie sehen Zielscheiben viel zu ahnlich.«

»Das sind Maschinengewehre, was sie da haben«, erklarte sie.

»Und Geschutzstellungen. Muhelos geht das nicht — vor allem in dem Sumpfgebiet da, das uber funfzehnhundert Meter tief ist. Sie haben es gerodet, siehst du? Wir kommen da nach den Baumen auf funfzehnhundert Meter offenem Gelande an sie heran, wo es noch dazu sumpfig ist, vielleicht sogar schlammig.«

»Du denkst zuviel an die Vergangenheit«, sagte er. »Ich kenne mich hier ein bi?chen aus. Dieser verdammte Krieg war fur mich das Interessanteste in den Geschichtsbuchern, Himmel noch mal! Nachdem die Katzchen von der Trelig-Allianz vernichtet worden waren, gab das ihrer Religion den Rest. Ich meine, wie kann man das auserwahlte Volk der Sechseck-Welt sein und so niedergemacht werden? Sie wendeten sich gegen die Priester, es gab ein gewaltiges Massaker und eine echte Revolution. Schlie?lich ubernahmen naturlich neue, starke Fuhrer das Kommando. Man richtete erneut eine harte Herrschaft ein, diesmal mit dem Rest des Militars und der Aristokratie. Sie wurden niedergetrampelt, weil sie sich mit anderen Leuten, anderen Hexagons nicht einlie?en. Niemand half ihnen. Jetzt sind sie Pragmatiker geworden, darauf kannst du dich verlassen. Und sie haben auch an ihrer Zauberei gearbeitet. Ich glaube, wir geraten in Schwierigkeiten, wenn wir hier das Erwartete tun. Ich brauche viel mehr Aufklarung — und gleich danach eine Stabsbesprechung.«

»Schon gut, schon gut«, sagte sie. »Wie du meinst.«

Asam betrachtete stirnrunzelnd die Aufnahmen.

»Wie viele Spaher haben wir hinausgeschickt?« fragte er sorgenvoll.

»Funfzehn, glaube ich«, erwiderte jemand. »Naturlich alle Flugbeobachter.«

Er nickte.

»Und wie viele sind zuruckgekommen?«

»Na, alle«, erwiderte der Offizier, ebenfalls ein Dillianer. »Ich erinnere mich nicht einmal an eine Meldung, da? jemand beschossen worden ware.«

»Das dachte ich mir«, murmelte Asam. »Verdammt! Das ergibt uberhaupt keinen Sinn. Nicht den geringsten. Funftausend Katzchen sauberlich aufgereiht, damit sie leichter anzugreifen sind, und so auffallige Geschutzstellungen, da? wir sie mit einem Luftangriff vernichten konnten. Und schie?en sie auf uns, mit ihrer gro?en Feuerkraft? Versuchen sie uns vom Himmel zu holen? Tun sie nicht! Sie sitzen da und lacheln in die Kamera. Da ist etwas faul, sage ich euch. Das stinkt ubler als ein Susafrit — bitte um Entschuldigung.«

Eine der Kommandierenden, ein fremdartiges, rundes Wesen mit kurzen, stachelartigen Haaren am ganzen Korper, zuckte nur die Achseln. Sie war daran gewohnt; fur alle au?er ihren eigenen Genossen stank ihre Rasse dann wann sie wollte. Das drang aus den Hautporen.

»Also«, fuhr Asam fort, »sehen wir uns das noch einmal an. Was ware nach Ihrer Meinung das angemessene, ubliche Militarmanover?«

»Unsere fliegenden Leute einsetzen und sie bombardieren«, sagte einer der Befehlshaber. »Wenn sie ihre Stellungen verlassen, auf beiden Seiten je ein—, zweitausend Mann angreifen lassen und die Zangenbewegung schlie?en, wenn wir mit der Hauptstreitmacht anrucken. Einschlie?en.« Es klang einfach.

»Und was wurden Sie als letztes tun?« drangte er.

»Von vorn angreifen«, sagte jemand anderer. »Selbstmord.«

Er nickte.

»Und trotzdem habe ich genau das vor. Ein begrenzter Luftangriff und den Gro?teil des Heeres in Reserve halten, als Flankenschutz. Dann schicken wir zuerst unsere gro?ten und am gefahrlichsten aussehenden Truppen, von der Art, die dort nicht zum Stillstand gebracht wird. Au?erdem mochte ich, da? ein Geschwader von Fliegern — diese Fledermauswesen sind geeignet — vor Morgengrauen jede Menge Felsbrocken und Schrot auf den Sumpf losla?t. Sehr viel — und aus gro?er Hohe.«

Mavra beobachtete ihn mit wachsender Bewunderung und Faszination. Das war seine erste Schlacht in gro?em Ma?stab, aber er trat auf wie die gro?en Generale der Vergangenheit. Knapp, erfahren, uberlegt.

»Schrot?« warf jemand ein.

Er nickte.

»Da mussen Minen sein. Die Artillerie soll ihre Geschutze ebenfalls in Reihen auffahren lassen. Ich will einen Feuerschirm, der langsam fortschreitet, bis er das ganze Gebiet erfa?t — bevor unsere Truppen angreifen. Und machen Sie den Leuten klar, da? sie vorrucken mussen, solange sie kein Ruckzugssignal horen. Verstanden? Die Reserven folgen der ersten Welle in Abstanden, Welle um Welle. Fuhrt sie hinein und la?t die Artillerie so rasch wie moglich nachrucken. Rechnet mit Flankenangriffen. Und wenn ihr bei den Baumen seid, macht ihr folgendes…«

Mavra horte seinen genauen Anweisungen verblufft zu. Nachdem die Offiziere gegangen waren, um ihre Truppen zu unterrichten, sagte sie:»Wenn du dich irrst, kostet das viele ihr Leben.«

»Und wenn ich recht habe, auch«, erwiderte er ernsthaft. »Aber das wird unsere Prufung sein, wie unsere Disziplin funktioniert, wie unsere Truppen zusammenwirken. Und wenn ich recht habe — und das habe ich —, werde ich das Genie sein, das die Schlacht gewonnen hat.«

* * *

Asam hatte recht gehabt, was die Minen anging, aber das Artillerie-Sperrfeuer brauchte er kaum. Die Olbornier verstanden inzwischen naturlich viel mehr vom Krieg, doch sie selbst hatten seit tausend Jahren keine praktische Erfahrung mehr. Nach der Theorie, da? man um so mehr Feinde totete, je mehr Minen man hatte, hatten sie sie zu Hunderten im Sumpf versenkt. Als das Luftbombardement von Felsbrocken und Schrotkornern endlich eine Mine traf, brachte sie fast alle anderen gleichzeitig zur Explosion; es sah aus, als floge die ganze Welt in die Luft. Die Explosionen hallten auf Kilometer in allen Richtungen wider, waren fur praktisch alle Seiten ohrenbetaubend und rissen beinahe mehrere geisterhafte Flieger vom Himmel.

Asam, der die ganze Nacht nicht geschlafen hatte, befahl der Artillerie sofort, auf das Sperrfeuer zu verzichten und es weiter nach vorn zu verlagern. Er war jetzt gewi?, da? man die Minen in dichten Reihen ausgelegt hatte und eine einzige, die getroffen wurde, die ganze Reihe zur Explosion bringen mu?te.

So war es.

Mavra, die so etwas noch nie gesehen hatte, blickte unruhig auf die explodierende, blubbernde Masse.

»Du erwartest, da? die Truppen da hineinsturmen?« fragte sie entsetzt.

Er nickte.

»Im Laufschritt und ununterbrochen feuernd.«

Als es hell wurde, gab er das Signal zum Angriff, und gleichzeitig starteten auf beiden Seiten fliegende Nachtwesen, wahrend andere emporflogen und Explosivstoffe, vor allem Brandbomben, in die Baume warfen.

Die Olbornier, obwohl in Verwirrung durch die Bomben, wu?ten, da? der Angriff begann, und gingen in ihre Stellungen. Sie hatten eine feste Abwehrlinie aufgebaut — aus der Luft war zu erkennen, da? sie Bastionen aufgeworfen hatten, sternformige Redouten, die einander in jeder Richtung Deckung geben konnten. Um ein Gebiet zu sichern, mu?te man gleichzeitig drei Bastionen einnehmen, wahrend die anderen auf beiden Seiten noch immer von den weiter entfernten heftig beschossen wurden.

Die olbornische Artillerie wartete, bis die vorderste Linie die Mitte der freien Flache fast erreicht hatte, bevor die auf ihr Ziel eingestellten Geschutze zu feuern begannen. Palim, Dillianer, Slongornier, Dymeks, Susafrits — alle begannen hinzusturzen. Wesen, die krebsartig waren, halfen Wesen von Insektenart; Wesen, die elefantenahnlich waren, schutzten Zentaurenartiges. Und jede Welle ruckte rasch heran, um an die Stelle der gefallenen Kameraden zu treten.

Asam beobachtete das Schlachtfeld durch einen Feldstecher und nickte anerkennend.

»Richtig. Sie halten zusammen, Ihre Leute.«

»Das sind religiose Fanatiker«, murmelte sie zynisch. »Sie sterben gern fur die gro?e Sache.« Trotzdem

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