»Und unsere Leute sollen dafur sorgen, da? der Brazil bei der Hauptarmee nicht untertaucht«, fugte Sangh hinzu. »Ich wunsche kein plotzliches Verschwinden, keine unerklarlichen Vorkommnisse. Ich wunsche, da? der Mann dort bleibt, wo ihn einer von uns standig im Auge behalten kann. Verstanden?«

»Ich hore, Heiligkeit, aber ich bin nicht sicher, da? ich alles verstanden habe.«

»Das ist auch nicht notig«, gab Sangh zuruck. »Aber wenn du schon uber solche Dinge nachdenken mu?t, dann beantworte diese Frage: Warum, wenn man einen zweiten Brazil hat, sich so viel Muhe machen, sein Vorhandensein geheimzuhalten? Warum ihn auf so kostspielige Weise heimlich einschmuggeln, wenn er nur ein Ablenkungsmanover ist? So raffiniert eingefadelt, da? wir ihn eigentlich lediglich durch einen glucklichen Zufall gefa?t haben? Das ergibt nur in einer Beziehung Sinn, Sagrah.«

Der andere Dahbi uberlegte.

»Als Ablenkung mu?te er fruher oder spater zulassen, da? man ihn entdeckt«, meinte er. »Das hei?t, er sollte an einem bestimmten Ort und zu einer bestimmten Zeit erkannt werden.«

»Sehr gut«, lobte Sangh. »Und da er fruher entdeckt worden ist? Siehst du? Sorg fur beides, Sagrah. Achte darauf, da? der andere Brazil bei der Hauptarmee bleibt, und setze unseren Ruckversicherungsplan ins Werk. Wir konnen noch siegen, Sagrah. Auf eine von zwei verschiedenen Weisen. Geh jetzt!«

Der Adjutant entfernte sich, wahrend Gunit Sangh die Lagekarten auf dem Tisch studierte. Bei den fein eingefadelten Planen des Gegners war etwas schiefgegangen, das stand fur ihn fest. Es war nur ein Gefuhl, unbestatigt durch Tatsachen, aber er war vollig uberzeugt davon. Etwas war schiefgegangen, als die Streife den falschen Brazil zu diesem Zeitpunkt entlarvt hatte.

Je komplizierter und ausgefeilter der Plan, desto gro?er die Gefahr, da? es zu Mi?erfolgen kam, sagte er sich. Wenn er daraus Kapital zu schlagen vermochte, konnte er trotzdem Sieger bleiben.

Wenn das bei der Hauptarmee der wahre Brazil war, sah er sich weit davon entfernt, eine Avenue entlangzugehen und den Schacht zu betreten. Weit entfernt.

Vielleicht zu weit.

Bache

Es war ein unheimlicher Marsch durch Dahir gewesen, ein Land, das zugleich friedlich und von todlicher Gefahrlichkeit zu sein schien. Die stille Landschaft mit sanften grunen Waldern und gro?en Bauernhofen stand im Gegensatz zu den Bewohnern, die unergrundlich, schreckenerregend und gefahrlich aussahen. Sie hatten dagesessen, auf machtigen, gehornten Wesen, nicht wie beilaufige Zuschauer oder neugierige Beobachter von Vorbeimarschen, sondern in streng ausgerichteten Reihen, mit Augen, die nichts davon verrieten, was hinter ihnen vorging.

Sie waren gro? und insektenartig, wenngleich keine wirklichen Insekten. Humanoid in der Gestalt, hatten sie lange, breite Fu?e mit scharfen Krallen. Auf glatten Beinen stehend, die zu einem metallisch aussehenden Rumpf hinauffuhrten, waren ihre schmalen Hautskelette so glattpoliert, da? die Wesen wie stilisierte Roboter in Idealform aussahen. Sie hatten ovale Kopfe mit vielen Offnungen und Kaukiefern unter ovalen Augen aus facettiertem Gold, uber denen sich lange, schwankende Fuhler erhoben. Ihre Korper schillerten in vielen Farben, alle von metallischem Glanz — blau, grun, gold, rot und silbern, unter anderem. Aber ihre Hande sahen wie gepanzerte Fauste aus. Der brodelnde Zorn und ihre innere Anspannung waren augenblicklich erkennbar. Es pa?te ihnen nicht, weggeschickt zu werden.

Ihre Reittiere waren Saugetiere und sahen auf den ersten Blick wie klassische Einhorner aus. Aus der Mitte der pferdeartigen Kopfe ragten gewolbte Horner wie Schneckengehause. Aber ihre Hinterbeine waren viel gro?er, ihre Hinterfu?e breit und flach wie die ihrer Reiter. Sie konnten aufrecht sitzen und wie Kanguruhs wirken oder ihre Hinterbeine mit den Doppelgelenken dazu gebrauchen, auf allen vieren umherzuspringen. Bei naherer Betrachtung waren ihre Schnauzen schmaler, ihre Kopfe kleiner als die von Pferden.

Von den angeblichen Zauberkraften war nichts zu bemerken, aber die vorbeimarschierenden Truppen glaubten die Drohung beinahe korperlich zu spuren. Die Soldaten waren froh, fortzukommen. Man hatte beschlossen, sich in einem breiten Flu?tal in Bache nach dem Marsch neu zu formieren. So nah am Ziel und vor den gegnerischen Truppen mu?te alles vollkommen sein.

Es war spater Nachmittag, aber die Kommandozelte standen bereits. Brazil verlie? seine kleine Ecke des Feldes und ging zu dem Hauptzelt, in dem Asam und Mavra untergebracht waren; Marquoz verlie? sein Zelt, um sich zu ihnen zu gesellen. Es sollte die letzte Stabsbesprechung der Gruppe sein, obwohl nur Brazil, der sie einberufen hatte, das wu?te.

Sie sa?en wortkarg und sprachen vor allem uber die unheimliche Art der Dahir und ihre eigene Mudigkeit. Brazil schien sogar ein wenig heimwehkrank zu sein.

»Wissen Sie«, sagte er, »da drau?en unter den Sternen gehen jetzt Billionen Leute ihren alltaglichen Verrichtungen nach. Sogar auf den Kom-Welten. Eigentlich seltsam, das Ganze. Ich habe mich auf der Sechseck- Welt nie zu Hause gefuhlt; das ist zu sehr ein Land der Phantasie, geschieden von der Wirklichkeit, vom ganzen Rest der Schopfung, abseits und insular.«

»Ich finde das erfrischend«, gab Marquoz zuruck. »Mir gefallt die Vielfalt hier. Verschiedene Wesen, verschiedene Gesellschaftssysteme und Lebensweisen. Ein Mikrokosmos, ja, aber in seiner Art einzigartig. Sie scheinen davon auszugehen, da? Absonderung schon fur sich etwas Schlechtes ist.«

»Richtig«, sagte Asam. »Dieser kleine Krieg ist schlie?lich der erste seit tausend Jahren, der dritte in der ganzen Geschichte, und einer von den beiden anderen ist ebenfalls von Au?enseitern ausgelost worden. Es ist doch gar nicht ubel hier.«

»Aber Sie sind alle nicht drau?en gewesen«, widersprach Brazil. »Sie sind nur auf der Sechseck-Welt gewesen. Sagen Sie, Asam, haben Sie nie zu diesem grandiosen Sternenfeld hinaufgeblickt und sich gewunscht, Sie konnten hinfliegen und sich das alles ansehen? Von Stern zu Stern, von Welt zu Welt fliegen?«

Asam machte ein nachdenkliches Gesicht. Nach einer Weile sagte er:»Na ja, ich war zu sehr Realist, um viel zu traumen, furchte ich. Ich mu? ja von dieser Welt noch das meiste kennenlernen und habe trotzdem schon mehr davon gesehen als jeder andere, den es hier gibt. Was ist da drau?en? Viel Leere und viele Welten wie die hier, jede mit einer Rasse darauf. Gro? und leer. Wo man hinkommt, wird gekampft. Nein, ich glaube, ich bleibe lieber hier.«

Brazil sah Mavra an.

»Sie sind hier und dort gewesen«, stellte er fest. »Als Sie das letztemal hier waren, haben Sie fast alles getan, um fortzukommen. Haben Sie es sich anders uberlegt?«

Sie dachte nach.

»Ich wei? es nicht«, sagte sie ehrlich. »Ich wei? es wirklich nicht. Asam hat mir eine andere Art von Leben gezeigt, das hier moglich ist. Und ich habe eine Erscheinungsform, die hier Sinn ergibt, die mich freimacht, so da? ich nicht mehr das verkruppelte Tier bin, das ich damals war.« Sie schwieg einen Augenblick und wirkte gleichzeitig nachdenklich und traurig. »Aber es spielt ja auch gar keine Rolle, nicht? Ich meine, es wird lange, lange dauern, bis es im Universum wieder Raumfahrt gibt, nicht? Wenn man keinen Spa? daran hat, Stockchen aneinanderzureihen und in Hohlen zu kauern, wird das hier bald alles sein, was noch da ist.«

Er starrte sie an.

»Vielleicht«, sagte er vorsichtig. »Vielleicht auch nicht. Alles ist relativ, wenn man mit dem Schacht der Seelen zu tun hat. Und was Sie sagen, gilt ohnehin nur fur dieses Universum.«

»Es ist das einzige, das wir haben«, gab sie sofort zuruck.

Er schuttelte den Kopf.

»Nein. Es ist nur ein Universum, nicht das Universum. Die Energie, um das hier in Gang zu bringen, stammte von einem anderen. Es mu? eine Erganzung geben. Die Physik verlangt es. Zum Beispiel besteht in der Mitte jedes Schwarzen Lochs eine Singularitat. Was geschieht dort? Kommt sie jemals heraus? Energie und Materie horen nicht auf zu existieren — sie konnen weder geschaffen noch zerstort werden. Das ist Gesetz. Nur eine Veranderung ist moglich. Das ganze Zeug mu? irgendwo sein — es kommt im anderen Universum heraus. In einem Wei?en Loch. So mu? das gehen. Weil der Schacht nach Zauberei aussieht, durfen Sie nicht den Fehler begehen, anzunehmen, es sei wirklich Zauberei. Das ist nicht der Fall. Es handelt sich einfach um eine Technologie auf einer hoheren Stufe, als

Добавить отзыв
ВСЕ ОТЗЫВЫ О КНИГЕ В ИЗБРАННОЕ

0

Вы можете отметить интересные вам фрагменты текста, которые будут доступны по уникальной ссылке в адресной строке браузера.

Отметить Добавить цитату