Unterschied.«

»Das hort sich an, als schatzten Sie sich recht gering ein«, meinte Asam. »Viele Leute haben fur Sie gekampft und ihr Leben verloren.«

»Oder was noch alles«, erwiderte er duster. »Nein, es ist nichts Besonderes an mir, Asam. Ich konnte nicht einmal bei Mavra die Verantwortung ubernehmen. Ich habe das lastige Kind anderen zugeschoben. Sie hat mir wohl zu Recht etwas vorzuwerfen.«

»Sie werden sich doch da nicht ein bi?chen schuldig fuhlen, hm?« bohrte der Zentaur.

Brazil lachte leise.

»Nein, Asam, eigentlich nicht. Die Wahrheit ist die, da? ich wirklich wahnsinnig werden mu?te, wenn ich Schuldgefuhle an mich heranlassen wurde. Vielleicht bin ich das ohnehin, aber ich kann einfach nicht mehr viel empfinden. Ich lebe eben schon zu lange. Viel zu lange.«

»Bitterkeit?« fragte Marquoz.

»Keine Bitterkeit. Ich bin nur mude. Sehr, sehr mude, Marquoz. Sie konnen sich nicht vorstellen, was es hei?t, unzahlige Jahrhunderte hindurch Tag fur Tag, Jahr fur Jahr, Jahrhundert fur Jahrhundert zu leben. Ich bin sehr, sehr dumm, Marquoz. Ich habe mir das selbst angetan. Ich habe das frei und unbehindert gewahlt, ohne mit der Wimper zu zucken oder auch nur eine Sekunde lang zu zweifeln. Aber niemand, wirklich niemand kann sich die grauenhafte Einsamkeit vorstellen. Es ist einsam und langweilig. Rassen reifen nicht uber Nacht; sie brauchen Jahrtausende dazu. Und du wartest und siehst, wie alle, die dir etwas bedeuten, alt und zu Staub werden, und die Menschheit ruckt jedes Jahrhundert vielleicht einen Millimeter oder noch weniger vor. Schlie?lich stellst du fest, da? du aussteigen willst, stellst fest, da? du es nicht mehr aushaltst — und du kannst nicht aufhoren. Man sitzt in der Falle.«

»Zigeuner hat uns gesagt, Sie wurden sich vielleicht umbringen, sobald Sie den Schacht repariert haben«, meinte Asam beunruhigt. »Offenbar liegt er nicht so weit daneben.«

Brazil lachelte bitter.

»Es kommt ganz darauf an, Asam. Das ist der einzige Ort, wo ich es uberhaupt tun kann, aber es geht nicht, wenn nicht jemand da ist, der mich ablost und die Verantwortung ubernimmt.«

Der Dillianer packte Brazil plotzlich mit eisernem Griff.

»Nicht Mavra! Mavra werden Sie das nicht antun!« knurrte er.

Brazil langte hinauf und loste die Hande des zornigen Zentauren von seinen Schultern.

»Ich werde das keinem antun, Asam«, sagte er leise. »Ich konnte es gar nicht. Alles, was ich tun kann, ist, etwas zur Wahl stellen. Das ist alles, was jemand in seinem Leben bekommt — die Wahl. Ich bin in dem ganzen verdammten Universum der einzige, der in Wirklichkeit uberhaupt keine Wahl hat.«

Darauf gab es nicht viel zu sagen, und Marquoz kam wieder auf das eigentliche Thema zuruck.

»Wie soll diese irre Geschichte dann weitergehen?«

Brazil sah zu Asam hinauf und rieb sich ein wenig die Schulter.

»Haben Sie vielleicht eine von Ihren Zigarren dabei, Colonel? Diese miesen, billigen Zigaretten, die ich geraucht habe, um Ihnen vorzutauschen, ich sei Zigeuner, machen mich fertig.«

Asam kramte in seinen Sachen, fand zwei Zigarren, warf ihm eine davon zu und steckte die andere in den Mund. Marquoz sah traurig zu, als sie die Zigarren anzundeten, und wunschte sich nichts sehnlicher, als mitrauchen zu konnen.

»Ich schnuppere bei euch mit«, sagte er dumpf.

Als sie es sich wieder bequem gemacht hatten, sprach Brazil weiter und erlauterte, wie die Dinge bis jetzt abgelaufen waren.

»Zwei Nachte spater wird Zigeuner sich bewu?t in meiner Form zeigen«, fuhr er fort. »Das wird sie zu der richtigen Schlu?folgerung fuhren, da? der, von dem sie wissen, der Echte ist. Und ich werde nach wie vor hier sein — sozusagen.«

Marquoz nickte.

»Ich glaube, ich verstehe. Zigeuner wird seine Krafte gebrauchen, um augenblicklich hierherzukommen. Brazil wird in gewohnter Weise auftauchen — nur werden Sie fort sein. Man wird glauben, den Richtigen vor sich zu haben, und zupacken.«

Er nickte.

»Und ich werde einen Tag Vorsprung haben. Ich beabsichtige, morgen abend fortzugehen. Ein paar von den Agitar-Neuzugangen, die wir vor ein paar Tagen aufgenommen haben, sind nicht, was sie zu sein scheinen. Sie gehoren zur Besatzung der ›Nautilus‹ und haben zwei von diesen Pegasussen — Pegasi? Ach, egal. Jedenfalls bin ich ungefahr von derselben Gro?e wie einer von ihnen, und sie konnen ohnehin die doppelte Last tragen. Wir stellen die Halfte der Mannschaft. Zwei Eflik werden auf einem Transportmittel, das fur diesen Zweck gebaut worden ist, Mavra mitfuhren. Keine Angst, Asam, wir haben es ausprobiert. Es ist vollig sicher, und die Eflik konnen das Gewicht spielend bewaltigen, wenn wir nicht langer als zwei Stunden hintereinander fliegen.«

»Das habe ich nicht gemeint«, sagte der Zentaur duster.

Brazil seufzte.

»Ich habe Ihnen doch erklart, da? ich niemanden zu etwas zwingen wurde. Sehen Sie mich nicht so an. Ich werde uberhaupt nichts tun. Das hangt alles von Mavra selbst ab. Eigentlich ist das ihr Unternehmen.«

»Dann sollte sie lieber was anderes machen«, sagte eine Stimme hinter ihnen. Sie fuhren herum.

Vor ihnen stand, ganz der alte, Zigeuner.

»Sie haben mich erwischt, bevor ich bereit war«, sagte der Neuankommling angewidert. »Konnte nichts tun. Sie wollten mich unter Drogen setzen.«

»Ach, Schei?e«, murmelte Brazil. »Dann werden wir uns wohl auf den Weg machen. Es wird schwer fur die Eflik, aber fur uns ein bi?chen riskanter. Wir mussen nachts fliegen und uns untertags verstecken. Verion wird in den nachsten Tagen nicht durchquert werden konnen — da tritt eine Art Brunstzeit ein, und die Wurmer leuchten wie elektrische Lampen. Man wird uns bemerken, und was entdeckt wird, kann gemeldet und vielleicht abgeschossen werden. Das hei?t, wir mussen nach Suden gehen — und Yuas Awbrier sind noch nicht weit genug gekommen, um Khutirs Truppen von der Avenue fortzulocken, oder auch nur als brauchbare Ablenkung zu dienen.«

»Da habe ich mich nutzlich gemacht«, erklarte Zigeuner. »Ich habe einen Zwischenaufenthalt eingelegt und Yua erklart, wie es steht. Sie ruckt mit aller Schnelligkeit vor. Es ist riskanter, als es das ubermorgen abend ware, aber die Aussichten fur uns sind immer noch gut. Ich bin dafur, da? wir gehen.«

Brazil nickte und blickte zu Asam hinuber.

»Holen Sie Mavra, ja?«

Der Dillianer zogerte einen Augenblick, vielleicht weil er glaubte, wenn sie nicht mitginge, bestunde keine weitere Bedrohung mehr.

»Sie denken jetzt doch nicht daran, die Seiten zu wechseln, Asam, hm?« fragte Marquoz. »Wenn Sie das taten, wurden Sie sie ganz gewi? verlieren.«

Der Colonel seufzte und machte sich auf den Weg, um Mavra zu suchen.

Brazil wandte sich an Zigeuner.

»Sie alter Halunke, bevor das alles vorbei ist, mussen Sie mit der Sprache heraus.«

Zigeuner grinste.

»Vielleicht. Bevor es vorbei ist«, sagte er leichthin. »He, Marquoz, es wird Zeit, da? wir uns zusammentun! Wir werden wieder ein Team sein.«

»Moglich«, erwiderte der Hakazit nachdenklich. »Moglich…«

Brazil bewegte sich unruhig.

»Mochte wissen, wo Asam so lange bleibt? Verdammt, wir mussen allerhand vorbereiten, bevor wir uns auf den Weg machen konnen, und auffallen durfen wir auch nicht. Zigeuner, konnen Sie uns Deckung geben?«

Er nickte.

»Kurzzeitig, und mehr brauchen wir nicht. Es ist eine gro?e Armee, eine lange, sehr lange Kolonne. Ich glaube, ich kann ohne Muhe als Brazil da auftreten, wo es notig ist, und vielleicht gelegentlich auch Mavra sein, wenn sich die Notwendigkeit ergeben sollte.«

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