bewu?tlos von den Schlafmitteln, die man ihr, als sie in den Hinterhalt geraten war, eingespritzt hatte.
Sie hatten schwer geatmet, als sie zur Grenze gelangt waren, nur mit Muhe fahig, sie so weit zu schleppen, aber stolz darauf, es mit einer solchen Last zu schaffen. In Dahir war ihnen die Zauberei der einheimischen Priester zu Hilfe gekommen, und das Fliegen fiel leicht. Sie schien jetzt gar nichts mehr zu wiegen, und sie spurten neue Krafte in sich.
Die Priester waren unter ihnen auf ihren Hakaks geritten, einhornartigen Reittieren, die leicht Schritt hielten und den fliegenden Geschopfen vermittelten, was man als den richtigen Energiezuflu? bezeichnete. Sie konnten auch in anderer Beziehung wirksam werden, sollte ein feindlicher Beobachter sie durch Zufall bemerken.
Zwei Dahir standen bereit, um die Last aufzunehmen, als sie landeten. Sie begru?ten die Priester mit erhobenen Armen, dann wandten sie sich der bewu?tlosen Gestalt zu, die vor den Hakak-Stallen abgelegt wurde. Es war eine klare Nacht; das dichte, wirbelnde Sternenfeld leuchtete mit voller Kraft und schien sich auf ihren hellen, schimmernden Hautskeletten widerzuspiegeln, als die humanoiden Insekten sich an die Arbeit machten. Zuerst stellten sie sie auf ihre vier Beine, dann halfen sie den anderen, sie in eine gro?e Scheune zu ziehen. Sie war immer noch ohne Bewu?tsein und ahnte nichts davon.
»Sollen wir sie fesseln?« fragte ein Dahir den Dahbi in der Nahe. »Wir durfen nicht zulassen, da? sie entkommt.«
»Fesseln konnen gelockert oder abgestreift werden«, gab das wei?e Wesen zuruck. »Wir durfen kein Risiko eingehen.«
»Sollen wir sie also toten?« wollte das schimmernde Wesen wissen.
»Nein. Wir haben versprochen, sie lebend auszutauschen. Wir werden das Versprechen halten mussen.«
»Ein einfacher Zauber«, schlug einer der Priester vor. »Er ware vollauf wirksam — und wir mussen sie tarnen, wenn wir sie morgen zum Tor bringen.«
»Das ist eure Sache«, erklarte der Dahbi. »Hier sollte das nicht schwierig sein. Aber eure Zauberspruche wirken nur hier. Das Tor wurde sie zunichte machen.«
»Sie konnten, sobald wir in Zone sind, erneuert werden«, betonte der Priester. »Unser Zauber wirkt dort, zumindest in begrenzter Weise.«
»Zu riskant«, gab der Dahbi zuruck. »Wir durfen ihr keinen Fluchtweg offenlassen. Unser Herr, Seine Heiligkeit Gunit Sangh, hat au?erdem ein geeignetes Mittel empfohlen. Hier«, das Wesen zeigte auf die Stelle, »am Nacken verlaufen die wichtigsten Nervenverbindungen vom Gehirn zum Ruckenmark. Wenn man sie durchtrennt, ist der Oberkorper gelahmt.« Bei diesen Worten gebrauchte das Wesen das rechte Vorderbein mit der scharfen, messerartigen Chitinplatte und stie? die Schneide tief, aber mit Uberlegung hinein. Es spritzte Blut heraus, doch nicht sehr viel, und man behandelte die Wunde sofort mit Salbe und Verband.
»Und hier, am unteren Ende des Oberkorpers, eine Verbindung fur die andere, gro?ere Halfte, beinahe ein zweites, wenn auch nichtbewu?tes Gehirn, das vom ersten aus gesteuert wird«, stellte der Dahbi fest, und wieder stie? die Klinge zu und drehte sich im Inneren. Sie wurde, befleckt mit dunkelrotem Blut, herausgezogen, und man kummerte sich auch um diese Wunde.
»Die Dillianerin ist jetzt vollig gelahmt«, erklarte das wei?e Geschopf, wahrend es sich das blutverschmierte Vorderbein abwischte. »Die Wirkung ist von Dauer, der Schaden nicht zu beheben. Beachten Sie, wie Arme und Beine erstarrt sind, ein biologischer Schutzmechanismus, wenn Nerven geschadigt sind. Sie konnen sterben, wenn sie nicht auf den Beinen stehen, also erstarren sie, wenn die Nerven durchtrennt oder geschadigt werden, um das zu vermeiden. Die autonomen Funktionen sind nicht betroffen; sie werden von einem anderen Nervensystem auf der anderen Seite des Knorpels gesteuert. Ich habe darauf geachtet, diese Stellen nicht zu verletzen.«
»Sie werden das nicht hinnehmen«, erklarte der Dahir-Priester duster. »Sie werden Brazil fur jemanden in einem solchen Zustand nicht austauschen.«
Der Dahbi lachte leise.
»Euer Zauber konnte sie hier zur Statue erstarren lassen. Kann euer Zauber sie nicht auch zum Gehen bringen?«
Der Dahir legte den Kopf ein wenig auf die Seite und dachte nach.
»Aber ja, versteht sich.«
»Und in Zone erneut?«
»Ah!« Die Miene des Priesters hellte sich auf.
»Sehen Sie? Keine Moglichkeit zur Flucht, denn ohne Ihre Zauberspruche ist sie starr und hilflos. Aussehen wird es aber anders. Das wird mitgeteilt werden, der Austausch wird stattfinden, und die Frau wird nach Dillia zuruckkehren.«
»In Dillia wirkt der Zauber nicht«, erklarte der Priester. »Sie wird als hilfloser Kruppel ankommen.«
»Genau«, sagte der Dahbi. »Unsere Abmachung sah vor, da? sie lebend ubergeben wird. Nicht mehr. Wir halten unser Wort — buchstabengetreu.«
»Es erscheint aber ein wenig grausam«, meinte der Dahir, ohne den Eindruck zu machen, als store ihn das.
»Seine Heiligkeit Gunit Sangh, mein Herr, hat mit dem, der sie liebt, eine Rechnung zu begleichen«, teilte der Dahbi mit. »Ihn zu toten, ware so… endgultig. Und es ginge viel zu schnell. Er ist auch nicht leicht zu toten. Das wird ihn viel mehr zermurben als alles andere. Seine Geliebte fur den Rest ihres Lebens ein hilfloser Kruppel und er ein Verrater seiner Sache, an dem Vertrauen, das ihm geschenkt wurde, fur immer gebrandmarkt in Geschichte und Legende, ohne da? er dafur etwas bekommen hatte.«
Der Priester nickte bewundernd.
»Unglaublich. Eine Rechnung so zu begleichen, kann nur noch Bewunderung erregen.« Er blickte auf Mavra. »Und wieviel Macht hat sie noch uber sich?«
»Sie ist eine Statue, wie aus Stein, vom Hals abwarts«, versicherte ihm der Dahbi. »Sie wird nur Augen, Ohren, Nase und Mund gebrauchen konnen. Alles andere ist fur immer gelahmt.«
»Sie kann also sprechen«, stellte der Priester fest.
»Nur, wenn wir das zulassen«, erwiderte der Dahbi.
Sie erwachte, bevor es hell wurde, und begriff fast augenblicklich, was geschehen sein mu?te. Wutend, aus der Fassung gebracht, mit verletztem Stolz, war sie davongegangen und schlie?lich zum Flu? hinuntergelaufen, wo sie dahingeschlendert war, diesem oder jenem Fu?tritte versetzt hatte oder einfach zu den Sternen hinaufgeblickt hatte.
Sie hatten sich nicht einmal grundlich versteckt. Sie wu?te, da? vor ihr zwischen den Baumen Wesen waren, konnte hier und dort eine Bewegung erkennen und sogar Gefluster horen. Man glaubte einfach nicht an eine Gefahr, wenn man von zehntausend eigenen Leuten umgeben war.
Sie hatten irgendeine Betaubungswaffe verwendet, wie man sie bei gefahrlichen wilden Tieren benutzte, wenn man sie fangen, aber nicht toten wollte. Sie wu?te nicht, um welchen Stoff es sich handelte, aber er wirkte jedenfalls sehr rasch; sie hatte den Knall gehort, den Stich gespurt, war herumgefahren und hatte aufschreien wollen, aber zuerst das Gleichgewicht und dann das Bewu?tsein verloren; das alles binnen weniger Sekunden.
Sie versuchte sich zu bewegen, um festzustellen, wie sie gefesselt worden war und wo sie sein mochte, stellte aber fest, da? das nicht ging. Es kam ihr plotzlich auf erschreckende Weise so vor, als hatte sie das alles schon einmal erlebt. Auf dieser fremdartigen Welt war sie schon einmal gefangen, gelahmt und in einem Stall untergebracht worden. Damals war sie ein Opfer an den Schacht von jenen gewesen, die ihn anbeteten, und deshalb in ein verunstaltetes Monster verwandelt worden.
Es gab nicht viel Licht hier, aber sie horte die Bewegungen offenbar gro?er Tiere. Es lag wohl an den Nachwirkungen der Droge, da? sie immer noch nicht klar denken konnte.
Sie stand da, unfahig, irgend etwas zu tun, und wagte geraume Zeit nicht zu sprechen. Einmal war jemand gekommen, hatte an der Seite eine Tur geoffnet und kurz hereingeschaut, aber die Person war au?erhalb ihres Gesichtsfeldes geblieben und nicht hereingekommen. Lange Zeit hatte sie jetzt steif stehenbleiben mussen, wahrend sie sich bemuhte, das Grauen in ihrem Inneren zu bekampfen.
Nun horte sie ein Rascheln, als bewege sich etwas im Stroh und nahere sich ihr. Sie war uberrascht, denn sie hatte wetten mogen, da? bis jetzt nur Tiere im Stall gewesen waren. Sie wartete, eher neugierig als angstvoll, bis sie feststellen konnte, wer — und was — das sein mochte. Da? man sie toten wurde, war unwahrscheinlich; sie erkannte eine Geisel auf Anhieb, auch wenn sie es selbst war.