befassen konnen, seine innere Scham war schier unertraglich.

Brazil setzte sich auf sein Feldbett, lehnte sich zuruck und sah die Gedemondaner an.

»Was fur ein Tier habt ihr genommen?« fragte er.

»Wir hatten sehr wenig Zeit«, erklarte der Gedemondaner bedauernd. »Wir standen in einer Scheune in einem fremden Hex voll Zauberei, umgeben von Feinden. Abgesehen vom zeitlichen Problem hatten wir nur eine begrenzte Anzahl von Tieren, unter denen wir wahlen konnten — und dann mu?ten wir sie noch hinausschaffen, vorbei an den feindlichen Truppen, ohne aufzufallen.«

»Das ist mir alles klar«, sagte Brazil ungeduldig. »Mich steckte man in einen Hirschen, verdammt.«

»Wir hatten zwei Moglichkeiten«, fuhr der Gedemondaner fort. »Da waren erstens die gehornten Reittiere der Dahir — aber dabei ergab sich ein Problem. Sie laufen nicht frei herum und werden als Reit- und Zugtiere verwendet. Ein wildes ware bemerkt und rasch eingefangen worden, weil es einen Wert darstellt. Also blieb das andere Wesen, eines, das auf die Weide getrieben wird und frei herumlaufen darf, bis es gebraucht wird. In eurer Sprache wurdet ihr es eine Art Kuh nennen.«

Lamotien, kurz vor Mitternacht

Gunit Sangh kletterte buchstablich an den Wanden hinauf und quoll durch den Boden hinein und hinaus. Andere waren zu nervos, um sich seinem Kommandozelt einige Zeit auch nur zu nahern; er hatte die ersten beiden Boten, die es betreten hatten, getotet, und Anordnungen fur diverse Massenhinrichtungen erteilt. Sie waren nicht ausgefuhrt worden, aber niemand wagte sich auch nur hinein, um ihm das mitzuteilen.

Die erste Wut war entstanden durch die erste Botschaft aus Dahir. Sie teilte mit, da?, als die Wesen zusammen mit seinen eigenen Mitarbeitern zu Mavra Tschang gegangen waren, um die Zauberspruche zu au?ern, damit sie gehen und sich zum Zone-Tor begeben konnte, keinen Erfolg gehabt hatten. Eine oberflachliche Untersuchung ergab, da? die autonomen Funktionen zwar noch bestanden, praktisch aber volliger Gehirntod eingetreten war, was bewu?te Bewegungen anging. Sie war praktisch ein dahinvegetierendes hirnloses Geschopf, und selbst die Zauberei der Dahir konnte nicht auf einen Korper wirken, der keinen uber auf zauberische Weise wieder angeschlossene Nerven laufenden Befehl verstehen konnte.

Niemand konnte es erklaren, aber innerhalb und au?erhalb der Scheune fand man Fu?abdrucke unbekannter Art. Die Schlu?folgerung: Mavra Tschang war auf irgendeine Weise von ihren Freunden ausfindig gemacht worden, und sie hatten das, den unheilbaren Zustand erkennend, getan, damit sie keine Informationen preisgeben konnte.

Sangh hatte alle auf der Ranch befindlichen Personen sofort zum Tode verurteilt, aber abgesehen bei den beiden Dahbi wurde der Befehl kaum ausgefuhrt werden. Die Dahir waren praktisch denkende Leute, und ihre Boten wurden gewi? sehr lange brauchen, um nach Hause zu gelangen oder sich den Truppen wieder anzuschlie?en.

Dann war die zweite Nachricht gekommen, wonach man Brazil bei der Awbri-Armee gesehen habe, die von Suden her anmarschierte. Das, zusammen mit dem Bericht, da? Brazil in Wirklichkeit noch bei den Dillianern und Hakazits war, nicht allzu viele Berge in Bache von Sangh entfernt, trug nicht dazu bei, dessen Selbstvertrauen zu starken. Es kam ihm vor, als sturze seine ganze herrliche Traumwelt ringsum zusammen.

Schlie?lich beruhigte er sich jedoch und verlie? das Zelt. In der Nahe drangten sich Offiziere vieler Rassen durcheinander, aber sie wichen zuruck, als er vollig auseinandergeklappt, ein erschreckender Anblick, heraustrat.

»Narren! Ich tue euch nichts!« zischte er. »Wir mussen handeln, und das sofort, sonst ist alles verloren. Nutzt den Rest der Nacht, um eure gesamten Truppen in Marsch zu setzen. Alle Notplane treten in Aktion, hochste Alarmstufe ist gegeben. Wir werden angreifen, sobald es hell wird. Beeilt euch!«

Sie beeilten sich.

Sangh wies mit dem Vorderbein auf seinen Nachrichtenoffizier.

»Du! Irgendwelche neuen Nachrichten? Hor auf zu bibbern, du Idiot! Ich fresse dich nicht! Daruber bin ich hinweg — vorerst.«

Der betreffende Offizier, ein winziger, wieselartiger Orarc, zitterte weiter, antwortete jedoch:»Es gibt eine sonderbare unbegreifliche Nachricht von Ihrer Botschaft in Zone, Sir.«

Sangh erstarrte. Erneut schlechte Nachrichten — das war mehr, als er ertragen konnte.

Der Orarc schluckte krampfhaft.

»Ihr zufolge — es ist unfa?bar —, aber ihr zufolge —«

»Nun mach schon! Heraus damit!«

»Botschafter Ortega ist nicht mehr in Zone«, erklarte das Wesen.

Gunit Sangh war fassungslos. Er begriff sofort die Bedeutung dieser Neuigkeit — und ihren volligen Mangel an Glaubwurdigkeit. Wenn Ortega Zone verlie?, dann brach er den Bann, der sein Altern hemmte — und er war schon ein alter Mann. Dies war das Ende einer Ara, die sich fast zweitausend Jahre in die Vergangenheit erstreckte, bevor der altliche Dahbi selbst geboren worden war, das Ende einer Machtpersonlichkeit, die das Leben auf der ganzen Sechseck-Welt gefarbt und beeinflu?t hatte.

»Das mu? ein Irrtum sein«, sagte er schlie?lich. »Er wird auf die Latrine gegangen sein, oder was-wei?- ich.«

»Es ist eindeutig, Sir«, gab der Orarc storrisch zuruck. »Jemand von unseren eigenen Leuten hat ihn durch das Zone-Tor gehen sehen. Keine Doubles, keine Duplikate, kein anderer Ulik, der mit ihm verwechselt worden ware. In Zone gibt es einen neuen, jungen Ulik-Botschafter, und Ortega ist eindeutig fort. Nach Hause zuruckgekehrt, um zu sterben, hei?t es.«

Gunit Sangh schnaubte nur.

»O nein. Dahinter steckt etwas viel Heimtuckischeres. Ortega wurde das nur tun, wenn er die Gewi?heit hatte, da? er nicht nur nicht sterben wird, sondern da? die Aussichten fur seinen Plan besonders gunstig sind. Ich mochte so rasch wie moglich wissen, was er nach seiner Ankunft in Ulik getan hat. Ich will wissen, wo Serge Ortega ist und was er treibt, wenn er die Reise uberlebt hat — wovon ich uberzeugt bin.«

»Auf der Stelle, Sir«, antwortete der Nachrichtenoffizier und entfernte sich.

Gunit Sangh war au?erlich vollig ruhig, verspurte aber tiefe Unruhe. Bis jetzt war das nur ein Kraftemessen gewesen. Er unterlag, gewi?, aber die Aussicht auf einen Sieg war stets vorhanden gewesen, und er hatte immer genau gewu?t, was vorging. Das war nicht mehr der Fall. Seit Ortega plotzlich mit im Spiel war — au?erhalb von Zone! Unvorstellbar! —, hatte er das unbehagliche Gefuhl, da? etwas von allergro?ter Wichtigkeit im Gange war, da? etwas ins Spiel kam, das man weder begreifen noch steuern konnte.

Er wurde sich plotzlich der Tatsache bewu?t, da? hier mehr gemacht wurde als Geschichte; es ging um die Zukunft selbst, und nicht nur um die nahe. Die Zukunft wurde von unsichtbaren Handen gestaltet. Eine wandelbare Zukunft, keine starre.

Sein ganzes Leben lang hatte er alles dafur getan, den Status quo zu erhalten, der ihm wahrscheinlich viel bedeutete, und seinen personlichen Einflu? dabei zu steigern. Aber — Ortega verschwunden? Brazil im Schacht?

Er breitete die Reliefkarten aus und versuchte sich mit den Vorbereitungen fur die Schlacht zu beschaftigen. Zum erstenmal in seinem langen Leben verspurte Gunit Sangh unbestimmte Angst.

Bache, an der Grenze nach Dahir

Zigeuner zog stark an einer Zigarette, und der Widerschein der Glut erhellte auf unheimliche Weise sein Gesicht. Sonst kam Licht nur von dem rotlichen Gluhen der fremdartigen Augen in Marquoz’ Kopf.

Nathan Brazil zundete eine kleine Fackel an und betrachtete die Umgebung.

»Ich glaube, hier ist es sicher genug«, sagte er zu den anderen.

Sie gaben ihm recht.

Die Gedemondaner hatten Mavra ›eine Art Kuh‹ genannt, aber fur Brazil schien es wenig Einschrankungen

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