unbarmherzigen geistigen Druck wie bei der Kuh, sondern durch sanft beruhigende Einflu?nahme, durch das Angebot einer Art Partnerschaft. Nach anfanglichem Widerstand und dem Wiederauffluten der Angst, hervorgerufen durch Verwirrung, schien das machtige geflugelte Pferd sich zu beruhigen und sich mit dem Gedanken abzufinden. Als es sie annahm, schien es einen Augenblick des Schwindels zu geben, des Doppeldenkens und Doppeltsehens, bevor sich alles einrenkte. Sie war das Wesen, das Wesen war sie, und trotzdem gab es keine Unterdruckung, kein Ausloschen.

Auch Brazil erlebte das Neuartige, das ihn noch mehr erstaunte als Mavra. In gewissem Sinn trug sein Tier einen gro?eren Sieg davon, weil ihn mehr beschaftigte, was es fur ihn tun konnte, als da? er auf lange Sicht der Pegasus hatte werden wollen.

Eine weitere Uberraschung stellte die Sehfahigkeit der geflugelten Pferde dar. Sie sahen in helleuchtenden Farben, viel scharfer und mit starkerer Auflosung, als Mavra oder Brazil das je erlebt hatten, und dazu kam ein fast unfa?bares Gefuhl der Tiefe. Beide stellten fest, da? sie mit nur geringer Anstrengung den Blick mit au?erordentlicher Klarheit auf ein Objekt an die vier Meter vor ihnen richten konnten, wahrend die Scharfe ins Unendliche hinein erhalten blieb. Nur ganz Nahes war schwer zu sehen; die Augen waren entlang der Schnauze ein bi?chen weit hinten angesetzt, aber wenn man ein Auge schlo?, konnte man ein gutes, zweidimensionales Bild erhalten.

In der Ferne war die Armee bereits auf dem Marsch. Man konnte den Larm bis hierher nach Suden horen, und im ersten Tageslicht waren gro?e Schwarme von Flugwesen zu erkennen, die Wache hielten, wahrend die Truppen nach Nordwesten vorstie?en.

Prola ruckte an Brazil noch einiges zurecht. Er hatte den Schock der Ubertragung gerade uberwunden, richtete sich in dem neuen Korper noch ein und versuchte mit der Tatsache zu leben, da? er von grellem Pastellrosa war, wahrend Mavra in Hellblau erstrahlte. Die Reittiere der Agitar gab es in allen Farben. Obwohl dies ein Schlag fur Brazils Experimentierlust war, handelte es sich bei beiden geflugelten Pferden um operierte Weibchen.

»Fertig fur den Testflug?« fragte der Agitar nervos. Er hatte eigentlich nicht viel Erfahrung mit den Tieren und hatte sich auf die gute Ausbildung der Pferde verlassen. Seit Brazil darin steckte, waren beide Neulinge.

Brazil, der auch ziemlich nervos war, gab sich Muhe, das nicht zum Pegasus selbst durchdringen zu lassen. Er hatte alles geflogen, was der Mensch an Fliegendem jemals erfunden hatte, und flog mit Begeisterung — aber ganz allein fur sich hatte er es noch nie versucht. Er spurte jetzt die Last auf seinem Rucken, als der Reiter sich auf dem eigens dafur gebauten Sattel niederlie?, die Zugel ergriff und ihm die Fersen leicht in die Flanken stie?.

»Also«, sagte Prola heiser. »Traben wir zur Lichtung, damit wir feststellen konnen, ob das alles umsonst war.«

Brazil versuchte sich zu entspannen und dem Pferd die ganze Arbeit zu uberlassen, aber das gelang ihm nur zum Teil. Die Augen zu schlie?en, nutzte gar nichts, doch wenn er das nicht tat, fiel es schwer, abzuschalten und die Reflexe und die fremdartigen Gene das Kommando ubernehmen zu lassen. Den Wind empfand er als so stark wie noch nie; die Wesen konnten offenbar die leichtesten Luftstromungen und -wirbel erspuren und sich ihrer bedienen. Er trabte hinaus und im Kreis herum, bis er im Wind stand. Fast bevor er einen Gedanken fassen konnte, spurte er, wie der Reiter die Schenkel zusammenpre?te, horte er den Schrei»Hei!« und war unterwegs, uber die Lichtung galoppierend. Er fuhlte, wie die riesigen Flugel sich ausbreiteten, sich schrag in den Wind stellten, und begriff plotzlich, da? vieles von dem, was hier organisch vorging, seinen Erfahrungen als Flugzeugpilot entsprach.

Und verbluffenderweise konnte er den Wind sehen! Ganz transparent, freilich, und die Sehfahigkeit sonst nicht behindernd, aber es gab deutliche Unterschiede in den Luftstromungen, die er erkennen konnte.

Er spurte, wie er abhob, und unterdruckte seine Bedenken; seine Beine zappelten noch kurze Zeit, dann falteten sie sich wie ein Fahrwerk in am Boden nicht erkennbaren Hohlungen zusammen, wodurch Luftwiderstand und Hemmungen verringert wurden. Einmal in der Luft, ging es leicht, und das Gefuhl zu fliegen war berauschend, hochzusteigen und mit den Winden, ja, manchmal gegen sie, dahinzusegeln, zu kreisen und sich frei hinauszuschwingen, ohne irgendein Gerat zwischen sich und den Elementen.

Der Agitar versetzte ihm ein paar leichte Sto?e, um anzuzeigen, da? es Zeit war, wieder zu landen. Brazil wollte es nicht tun, wollte dieses unglaubliche Freiheitsgefuhl nicht aufgeben, aber die Sonne stand schon fast uber dem Horizont, und die Zeit wurde knapp.

Es gab erneut Unruhe, als der Boden ihm entgegenraste. Die Beine kamen heraus und wurden als eine Art Luftbremse eingesetzt, aber es waren in der Hauptsache die enorm manovrierbaren Flugel, mit denen er die Geschwindigkeit fur eine Landung entsprechend herabsetzen konnte. Die Beine bewegten sich nun im gestreckten Galopp, dann setzten zuerst die Vorder—, danach die Hinterbeine auf, die Flugel drehten sich fast seitwarts und brachten ihn muhelos zum Stehen. Obwohl das zu Kopf steigende Gefuhl noch eine Weile anhielt, stellte er verblufft fest, da? er nicht einmal schwer atmete.

Dann war Mavra an der Reihe. Sie verriet ahnliche Unruhe und Nervositat wie er. Er bemerkte manches Unrichtige an Schritt und Ausrichtung und hoffte, da? sie sich so leicht hineinfinden wurde wie er.

Er hielt den Atem an, bis sie abgehoben hatte und flog, zu einer erstaunlich stromlinienformigen Form gelangte und in den Himmel hinaufstrebte. Erst dann lie? er die Luft in einem langen Seufzer hinaus und nickte anerkennend mit dem Pferdekopf. Sie war Pilot wie er, und zum Fliegen geboren.

Schlie?lich lie? er den Gedemondaner aufsitzen. Das gro?ere Gewicht und die massigere Gestalt erwiesen sich als betrachtlicher Nachteil. Sie machten ihm Sorgen, und einen Augenblick lang furchtete er, die Kombination werde sich nicht bewahren. Auch der Gedemondaner schien gro?e Angste auszustehen und brauchte eine Ewigkeit, um sich wieder und wieder zurechtzusetzen.

Diesmal bedurfte es einer sehr langen Galoppstrecke, um abzuheben, und er begann zu keuchen. Die Flugel mu?ten viel starker schlagen, um fast das doppelte Gewicht des Agitar zu tragen, und er war erleichtert, als der Gedemondaner, wohl eher aus Furcht als aus Uberlegung, sich vorbeugte, Kopf und Oberkorper auf den Sattel und Brazils Nacken legte.

Die Landung erwies sich als ebenso schwierig, und er verlor beinahe das Gleichgewicht dabei, schaffte es aber, kurz nachdem Mavra gelandet war. Nun war ihm eher danach zumute, da? er korperliche Arbeit geleistet hatte, und es wurde ihm klar, da? Mavra und er vermutlich in Abstanden von ein, zwei Stunden sich wurden abwechseln mussen, damit die Last ausgeglichen wurde.

Sie waren bereit, den letzten Teil ihrer Reise anzutreten.

Es gab eine kurze Verabschiedung, vor allem zwischen dem Gedemondaner und seinen Genossen, die zuruckblieben. Sie sammelten sich und flogen hintereinander wieder in den Himmel hinauf. Brazil beschlo?, den Gedemondaner so lange wie moglich zu tragen, sowohl, um seine Ausdauer zu prufen, wie um sich zu vergewissern, da? sie die ganze Strecke zu bewaltigen vermochten.

Es ging hinauf, bis sie fast tausend Meter in der Luft waren, dann kreisten sie einmal, warfen einen Blick auf die Szenerie im Norden, beschrieben einen Bogen und flogen nach Sudwesten. Beide Armeen waren jetzt sichtbar, kaum einen Kilometer voneinander entfernt, aber beide auf dem Marsch. Er wunschte sich, Gunit Sanghs Gesicht zu sehen, wenn die Truppen uber den letzten Hugel gelangten und das Lager verlassen vorfanden — aber seine fliegenden Spione wurden ihn wohl bereits unterrichtet haben. Er fragte sich, was der Dahbi davon halten wurde und was er dagegen zu unternehmen gedachte.

Sie flogen eine Weile nach Suden, nicht nur, weil das Gelande dort ebener war und sie niedriger fliegen konnten, was leichtfiel, sondern auch, weil sie sich von den Armeen entfernten und, selbst wenn sie bemerkt werden sollten, kaum Verfolgung zu befurchten hatten. Aus der Ferne wurden sie als Kuriere erscheinen, kaum einer Verfolgungsjagd wert. Nach ungefahr einer Stunde, als sie sich von den Vorgangen am Boden weit genug entfernt glaubten, flogen sie langsam und vorsichtig zuerst nach Westen und schlie?lich nach Norden.

Mehrmals begegneten sie neugierigen Wesen, anderen wilden Vogeln oder anderen fliegenden Tieren, die mit Unruhe auf diese seltsam aussehenden Geschopfe an ihrem Himmel reagierten. Einmal furchteten sie, von einem riesigen habichtartigen Vogel mit spitzen Krallen und ebensolchem Schnabel und einer Flugelspannweite von mehr als drei Metern angegriffen zu werden, aber nach allerlei Gekreisch und vorgetauschten Vorsto?en hatte er sich abgesetzt, vielleicht, weil sie sein Revier verlie?en, moglicherweise aber auch deshalb, weil er zu der Entscheidung gelangt war, diese Neuankommlinge seien einfach zu gro? fur ihn.

Mit geubtem Auge schatzte Brazil ihre Fluggeschwindigkeit auf ungefahr funfundvierzig bis funfzig Kilometer

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