Das Wesen trat aus den Schatten und kam ganz nah heran. Ihre Miene hellte sich auf, als sie es sah, und das Geschopf legte einen zottigen Finger an die Schnauze, damit sie still blieb.

»Wir mussen rasch handeln«, flusterte der Gedemondaner. »Wir haben sehr wenig Zeit und viel zu tun.«

»Wie… wie lange sind Sie schon hier?« fragte sie leise.

»Seit Gedemondas«, sagte das Wesen. »Wir haben uns ferngehalten, wie das unsere Art ist. Wir dachten, sie wurden sich auf Brazil sturzen, nicht auf dich, deshalb konnten wir das hier nicht verhindern. Der Schaden am Schacht behindert unser Denken.«

»Sie hatten keine Gewi?heit, da? er es wirklich ist«, erklarte sie. »Deshalb wollen sie ihn mit mir erpressen. Sie werden sich wundern.«

»Nichtsdestoweniger bist du fur ihn unverzichtbar«, behauptete der Gedemondaner. »Er wird ohne dich die Reparatur nicht ausfuhren. Und vielleicht bekommt er gar keine Gelegenheit dazu. Meine Bruder und Schwestern bei euren Truppen berichten mir, da? es nicht Brazil ist, der sehr an dir hangt und erpre?t wird.«

Sie sah ihn verwundert an.

»Asam? Aber — was konnte er tun?«

»Brazil im Austausch fur dich ausliefern«, kam die Antwort. »Und wir glauben, da? er das tut.« Der Gedemondaner erklarte ihr kurz die sadistische Verschworung, die er vor wenigen Stunden in dieser Scheune belauscht hatte.

»Aber was konnen wir dagegen tun?« fragte sie mit gepre?ter Stimme. »Wenn wahr ist, was Sie sagen, bin ich… gelahmt, vollig gelahmt.« Ihre Stimme schwankte.

»Es gibt zwei Moglichkeiten«, erklarte der Gedemondaner. »Die erste ist die, Sie zu toten. Das wurde sie einer Geisel berauben und Brazil wenigstens eine Chance geben, das Richtige zu tun.«

Sie dachte daruber nach.

»Ich glaube, ich will lieber tot sein, als… in dieser Verfassung… auf lange Zeit.« Sie meinte es ernst, aber es wirkte beinahe abstrakt, als besprache sie ein theoretisches Problem, von dem sie selbst gar nicht betroffen war. Sie brauchte mehr Zeit, um sich an den Gedanken zu gewohnen, da? sie eine Statue war, ein lebender Klumpen regungsloses Fleisch.

»Es gibt nur eine andere Moglichkeit, die Risiko und Experiment zugleich ist«, sagte der Gedemondaner. »Bitte, glaub mir, da? sie sehr geschickt vorgegangen sind. Dein Korper kann sich au?er unter dem Zauber der Dahir nicht mehr bewegen.«

Sie dachte beunruhigt an kleine, eselartige Wesen.

»Wie sieht die Moglichkeit aus?«

»Es gibt eine Prozedur, eine sehr seltsame, die von einigen Sechseck-Welten-Rassen benutzt wird, meistens im Norden«, erklarte ihr das wei?e, zottige Geschopf. »Man kennt das hier im Suden nur an einem einzigen Ort — und es ist fur den, der es versucht, ebenso gefahrlich wie fur den Betroffenen. Es handelt sich um die Ubertragung der Seele.«

Sie starrte ihn an.

»Sie meinen, ein Uberwechseln in einen anderen Korper?«

Der Gedemondaner nickte.

»Genau das. Der Intellekt ist etwas, das unter bestimmten Bedingungen aus dem Korper gerissen werden kann. Wir haben das selbst schon getan, sind aber immer wieder in unser eigenes korperliches Ich zuruckgekehrt. In deinem Fall ist das naturlich nicht moglich, und wir konnten es dir in den Stunden, vielleicht nur Minuten, die uns noch bleiben, auch nicht beibringen.«

»Sie meinen, ich wurde den Korper tauschen? Mit einem von Ihnen — oder den Dahir oder einem anderen Wesen?« Sie war fasziniert.

»Nicht direkt«, erwiderte der Gedemondaner behutsam. »Zwei Seelen konnen nur auf Kosten volligen Wahnsinns denselben Korper bewohnen. Ein Austausch ist theoretisch moglich, aber noch nie versucht worden. Es geht etwas verloren. Der Korper sto?t den Neuankommling ab, wie die Einpflanzung eines anderen Herzens oder sonstigen Organs abgesto?en wird.«

Ihre Hoffnung sank.

»Wovon sprechen Sie dann?«

»Ein Austausch ist zwar sowenig moglich wie eine Doppelexistenz, aber die komplexe Seele eines komplexen Wesens konnte in den Korper eines Tieres versetzt werden, dessen eigenes Ich so schwach ist, da? es wenig oder keinen Widerstand leistet.«

»Die Wuckl haben mich einmal chirurgisch in ein Schwein verwandelt«, erinnerte sie sich dumpf. »Was konnte schlimmer sein als das?«

Der Gedemondaner nickte.

»Also gut. Du mu?t dir aber uber verschiedene Dinge im klaren sein. Erstens: Was das Tier an Seele besitzt, bleibt bestehen. Es wird sich gegen dich wehren, aber du solltest leicht gewinnen und eine Art Verschmelzung erzwingen. Zweitens: Du wirst nicht sprechen konnen, weil du keinen Ubersetzer-Kristall mehr hast — und wenn du ihn hattest, konntest du ihn vermutlich nicht richtig gebrauchen. Aber merk dir auch dies: Innerhalb des Schachtes kann Brazil dich wiederherstellen, wie es ihm gefallt, was gewi? so sein wird, wie du es dir wunschst.«

»Also tun wir das«, sagte sie entschieden.

Der Gedemondaner nickte, drehte sich um, sagte plotzlich:»Da kommt jemand!« und verschwand. Sie starrte auf die Stelle, wo das Wesen gestanden hatte; es war auf seine eigene Weise staunenerregend — noch mehr als Zigeuner. Jetzt, wo sie wu?te, da? das Wesen hier war, konnte sie es beinahe sehen, es beinahe atmen horen und etwas Undeutliches erkennen. Beinahe. Die Gedemondaner machen sich nicht unsichtbar; sie sorgten nur dafur, da? man sie aus irgendeinem Grund nicht wahrnahm.

Die Tur ging auf, und zwei Dahir kamen herein. Im Licht kleiner Ollampen sahen sie seltsam aus. Sie kamen nicht weit herein und schauten sich nur um.

»Ich bin sicher, da? ich jemanden reden horte«, sagte der eine zum anderen. Sie gingen weiter, blickten in jeden Stall, wobei die einzelnen Tiere sich regten, dann gelangten sie zu ihr. Sie tat so, als sei sie immer noch nicht bei Sinnen, und hielt die Augen geschlossen.

Sie hielten lange ein Licht auf sie gerichtet, dann wandten sie sich ab.

»Jetzt ist jedenfalls nichts mehr hier«, stellte der andere Dahir fest. »Vermutlich hat die Gefangene gelallt, weil die Drogenwirkung nachla?t. Du bist zu nervos, Yogastha.«

»Wer ware das nicht, wenn diese Gespenster sich hier herumtreiben?« murrte der Wachter. Sie gingen zur Tur zuruck, traten hinaus und schlossen sie hinter sich.

Der Gedemondaner war plotzlich wieder da, und eine zottige kleine Polsterhand hob sich zu einer kleinen Geste. Zwei andere Gedemondaner traten aus den Schatten und starrten sie an.

»Es wird leichter sein, wenn du bewu?tlos bist und dein Geist sich uns offnet«, sagte der Sprecher. Die kleinen, weichen Hande ergriffen ihren Kopf. Sie wu?te und fuhlte nichts mehr.

Bache

»Ein neutraler Kurier unter Diplomatenflagge hat vor ein paar Minuten diese Nachricht fur Sie uberbracht«, sagte Asam und gab ihm einen Brief.

Nathan Brazil schob sich aus einem Klappstuhl hoch, griff nach dem Bogen und faltete ihn auseinander.

»Sie haben nicht viel Zeit vergeudet, wie?« sagte er murrisch, bevor er den Brief las.

›Kapitan Brazil,

wie Sie inzwischen gewi? erfahren konnten, haben wir Mavra Tschang gefangen und sie an einen sicheren Ort gebracht. Sie ist unversehrt und gesund; die verwendete Droge ist ein leichtes Lahmungsgift fur Tiere ohne nachhaltige Wirkung. Sie ist verstandlicherweise vollig durcheinander, und ihre Bezeichnungen fur uns uberfordern

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