Er rausperte sich und fuhr fort: „In dem aus vier Buchstaben bestehenden Klassifikationssystem zeigt der erste Buchstabe den Stand der physikalischen Evolution an, der zweite die Art und Verteilung der Gliedma?en und Sinnesorgane und der dritte und vierte den Metabolismus sowie die erforderlichen Druck- und Schwerkraftverhaltnisse, was zugleich ein Hinweis auf die physische Masse und auf die Beschaffenheit der Au?enhaut eines Wesens ist. Bevor jemand von Ihnen bezuglich der fur ihn zutreffenden Klassifikation irgendwelche Minderwertigkeitskomplexe bekommt, mu? ich an dieser Stelle hervorheben, da? der Stand der physikalischen Evolution keinerlei Ruckschlusse auf den Grad der Intelligenz zula?t.“

Weiterhin erklarte er, da? alle Wesen mit A, B oder C als erstem Buchstaben Wasseratmer seien. Auf den meisten Planeten war das Leben im Wasser entstanden, und diese Wesen hatten eine hohe Intelligenz entwickelt, ohne das nasse Element verlassen zu mussen. D bis F waren warmblutige Sauerstoffatmer — unter diese Klassifikation fielen die meisten intelligenten Wesen der Galaxis. G bis K waren auch Sauerstoffatmer, aber insektenartige Wesen von Planeten mit geringer Schwerkraft, ebenso wie die vogelartigen Wesen der Kategorie L und M. Die Chloratmer waren in die Gruppen O und P eingeteilt, darauf folgten die eher exotischen, physikalisch hochentwickelten und vollig absonderlich anmutenden Spezies — Strahlungsverwerter; starrblutige oder kristalline Wesen; Kreaturen, die ihre physische Gestalt beliebig verandern konnten. Diejenigen, die verschiedene Arten ubersinnlicher Krafte besa?en und bereits so weit entwickelt waren, da? sie nicht einmal mehr Fortbewegungs- oder Greiforgane benotigten, hatten unabhangig ihrer Form oder Gro?e als ersten Buchstaben ein V.

Conway raumte ein, da? das System nicht ganz fehlerfrei sei, aber Schuld daran sei einfach die mangelnde Vorstellungskraft der Urheber gewesen, und man habe es deshalb auch hin und wieder andern mussen. So seien die anwesenden AACPs — eine Spezies mit vegetarischem Metabolismus — ein typisches Beispiel dafur. Normalerweise wies das A als deren erster Buchstabe auf Wasseratmer hin. Da das System mit seiner Klassifikation jedoch erst bei den fischahnlichen Lebensformen begann und die AACPs als pflanzliche Wesen noch vor den Fischen hatten eingestuft werden mussen, hatte man sie einfach dieser Gruppe zugeordnet.

„. allerhochster Wert wird auf die umgehende und genaue Klassifikation eingelieferter Patienten gelegt, die haufig selbst nicht in der Lage sind, diese grundlegend wichtigen Informationen zu geben“, fuhr Conway fort. „Der Idealfall ware, mit der Zeit eine solche Fertigkeit darin zu entwickeln, da? Sie allein aufgrund der Betrachtung eines Fu?es oder einer Hautpartie eines Wesens innerhalb weniger Sekunden eine Klassifikation vornehmen konnen. Aber sehen Sie selbst“, sagte er, wobei er in den Aufnahmeraum deutete.

Uber dem Kontrollpult, hinter dem der Nidianer sa?, leuchteten drei Monitore auf, und direkt angrenzende Anzeigegerate lieferten zu dem, was auf den Bildschirmen zu sehen war, noch zusatzliche Informationen. Der erste Monitor zeigte das Innere der Einla?schleuse drei, in der gerade zwei terrestrische Sanitater und eine lange Tragbahre zu sehen waren. Die beiden Krankenpfleger trugen schwere Schutzanzuge und auf Absto?ung eingestellte G-Gurtel, was Conway uberhaupt nicht verwunderte, da in Schleuse drei und in den mit ihr verbundenen Ebenen funf Ge und entsprechend hohe Druckverhaltnisse herrschten. Auf dem zweiten Bildschirm sah man die Schleuse von au?en mit ihrem Servomechanismus zum automatischen Andocken und das Schiff, das kurz vorm Anlegen war. Der dritte und letzte Monitor ubertrug Bilder aus dem Schiffsinnern und zeigte den neuen Patienten.

„Wie Sie sehen konnen, handelt es sich hier um ein etwas schwerfallig wirkendes, untersetztes Wesen mit sechs kurzen, dicken Gliedma?en, die gleicherma?en als Arme und Beine dienen. Die Hautoberflache ist dick, fast stahlhart, sehr widerstandsfahig und uberall eingekerbt. Au?erdem ist sie an einigen Stellen mit einer sproden, braunlichen Substanz uberzogen, die bei Bewegungen des Patienten hin und wieder von selbst abblattert. Achten Sie besonders auf diese braune Substanz und auf Korpermerkmale, die dem Wesen zu fehlen scheinen. Auf der Anzeige steht, da? es sich um einen warmblutigen Sauerstoffatmer handelt, der von einer Vier-Ge-Welt stammt. Ware einer von Ihnen bereit, ihn fur mich zu klassifizieren?“

Eine ganze Weile herrschte Schweigen, dann zuckte der creppelianische AMSL nervos mit einem Tentakel und sagte: „FROL, Sir.“

„Sehr gut, aber knapp daneben“, bemerkte Conway anerkennend. „Zufallig wei? ich, da? die Atmosphare auf dem Heimatplaneten dieses Wesens eine sehr dichte, fast undurchdringliche Suppe ist. Der Vergleich mit der Suppe wird dadurch verstarkt, da? in der untersten Atmosphareschicht Mikroorganismen herumschweben, von denen sich diese Wesen ernahren. Ihnen ist offensichtlich entgangen, da? der Patient keine E?organe besitzt, sondern die Nahrung direkt durch die Vertiefungen in der Panzerhaut absorbiert. Wenn er aber auf Reisen ist, mu? er mit einem konzentrierten Nahrungspraparat bespruht werden, und deshalb auch diese braunliche Kruste.“

„FROB!“ korrigierte sich der Creppelianer schnell.

„Richtig.“

Conway fragte sich, ob dieser AMSL nun ein wenig gescheiter oder einfach nur etwas unbefangener als die anderen war. Jedenfalls nahm er sich vor, ihn ganz besonders im Auge zu behalten, denn einen guten Assistenten konnte er auf seiner Station immer gebrauchen.

Nachdem sich Conway von dem Nidianer mit einer kurzen Handbewegung verabschiedet hatte, versammelte er wieder seine Schafchen um sich und dirigierte sie zur funf Ebenen tiefer gelegenen FGLI-Aufnahmestation. Anschlie?end suchten sie weitere Stationen auf, bis Conway entschied, seine Schutzlinge mit den komplexen und weit auseinandergelegenen speziellen Einrichtungen und Apparaturen des Orbit Hospitals etwas vertrauter zu machen, ohne deren kontinuierlichen und effizienten Einsatz eine solch gewaltige Einrichtung wie dieses Weltraumkrankenhaus nicht hatte funktionieren und die Patienten und das technische wie medizinische Personal nicht hatten leben konnen.

Conway bekam allmahlich Hunger, und es war an der Zeit, den Neulingen ihre entsprechenden Kantinen und Speisesale zu zeigen.

AACPs nahmen ihre Nahrung nicht auf herkommliche Weise zu sich, sondern legten sich dazu wahrend ihrer Schlafphasen auf speziell zubereiteten Humus, um sich so die notwendigen Nahrstoffe zuzufuhren. Nachdem er sie entsprechend untergebracht hatte, zeigte er dem PVSJ den riesigen, dammrigen Speisesaal, in dem die Chloratmer a?en, so da? am Schlu? nur noch er, die beiden DBLF-Raupen und der AMSL ubrigblieben.

Die gro?te Kantine im Orbit Hospital, die den Sauerstoffatmern vorbehalten war, lag gleich um die Ecke. Deshalb zeigte er sie den beiden Kelgianern, die sich sofort zu einer Gruppe ihrer eigenen Spezies gesellten. Von Hunger getrieben, warf er noch kurz einen sehnsuchtigen Blick zu dem fur Chefarzte reservierten Bereich hinuber, bevor er wieder hinauseilte, weil er sich zu seinem Leidwesen auch noch um die Unterbringung des Creppelianers zu kummern hatte.

Um die fur die Wasseratmer zustandige Verpflegungsstelle zu erreichen, war ein etwa funfzehnminutiger Weg durch einige der am starksten frequentierten Flure und Gange des Hospitals zu bewaltigen. Wesen aller nur denkbaren Formen und Gro?en flatterten, krochen oder gingen an ihnen vorbei. Conway hatte sich daran gewohnt, von einem elefantenartigen Tralthaner beiseite gedrangt zu werden oder um einen der empfindlichen, kleinen LSVOs vorsichtig herumzugehen. Der Creppelianer jedoch fuhrte sich wie ein gepanzerter Tintenfisch auf, der manchmal vor lauter Angst wie auf Eiern ging, und auch die Blubbergerausche in seinem Anzug waren merklich starker geworden.

Conway versuchte den AMSL zu beruhigen, indem er den Oktopoden bat, ihm etwas uber seine bisherigen Krankenhauserfahrungen zu berichten, hatte damit aber nur wenig Erfolg. Als sie um eine Ecke bogen, sah Conway plotzlich seinen alten Freund Dr. Prilicla aus einem Seitengang hervorhuschen.

Der AMSL stie? einen gellenden Angstschrei aus, und seine acht Beine holten kurz aus und schlugen blitzschnell die entgegengesetzte Richtung ein. Von einem der Tentakel wurde Conway mit voller Wucht in die Kniekehlen getroffen. Er knickte unwillkurlich zusammen und fiel zu Boden, wahrend der Oktopode wild schreiend durch den Korridor floh.

„Verdammter Mist!“ fluchte er laut, was er im nachhinein als bemerkenswert zuruckhaltend empfand.

„Das ist allein meine Schuld, ich hab den Oktopoden erschreckt“, entschuldigte sich Prilicla und eilte Conway sofort zu Hilfe. „Haben Sie sich verletzt?“

„Ausgerechnet Sie wollen ihn erschreckt haben?“

Die liebenswurdige, spinnenartige Kreatur vom Planeten Cinruss fuhr fort: „Ich furchte, ja. Das Uberraschungsmoment, verknupft mit einer anscheinend tiefverwurzelten Angstneurose in bezug auf fremdartige Lebensformen, hat bei dem Wesen diese Panikreaktion ausgelost. Es hat jetzt zwar furchtbare Angst, hat seine Gefuhle aber wenigstens noch einigerma?en unter Kontrolle. Sind Sie verletzt worden, Doktor?“

„Nein, nur meine Gefuhle“, gammelte Conway. Er rappelte sich wieder hoch und nahm die Verfolgung des Creppelianers auf, der mittlerweile au?er Sicht- und ziemlich sicher auch au?er Horweite war.

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