„Guten Tag, Freund Conway“, drohnte die Stimme des EPLHs aus dem Lautsprecher. „Es freut mich sehr, Sie wiederzusehen.“

„Die Freude ist ganz meinerseits, Sir“, entgegnete Conway. „Ich hoffe, Sie befinden sich bei guter Gesundheit.“

Diese Nachfrage war keine blo?e Hoflichkeitsfloskel. Denn Conway wollte wissen, ob es zwischen Lonvellin und seinem Leibarzt — dieser intelligenten, virusahnlichen Zellkolonie, die im Wirtskorper ihres Patienten lebte — auf zellularer Ebene weitere „Mi?verstandnisse“ gegeben hatte. Schlie?lich hatte Lonvellins Arzt damals im Orbit Hospital ziemliches Aufsehen erregt, und dort stritt man sich immer noch daruber, ob man ihn als Arzt oder als Krankheit einstufen sollte.

„Ich bin bei ausgezeichneter Gesundheit, Doktor“, antwortete Lonvellin und kam dann ohne Umschweife auf die bevorstehende Angelegenheit zu sprechen. Conway kehrte mit seinen Gedanken schnell in die Gegenwart zuruck und konzentrierte sich auf das, was der EPLH zu sagen hatte.

Die Instruktionen, die Conway von Lonvellin erhielt, waren allgemeiner Natur. Er sollte die Arbeit der medizinischen Offiziere des Korps auf Etla, namlich das Sammeln von Daten, koordinieren. Daruber hinaus riet ihm Lonvellin, sich auch mit der weiteren Entwicklung au?erhalb seines Spezialgebiets auf dem laufenden zu halten, weil die soziologischen und medizinischen Aspekte des Problems sehr eng miteinander verknupft seien. Und die soziologischen Probleme schienen mit dem Eintreffen der letzten Berichte sogar noch verwirrender geworden zu sein. Lonvellin hoffte, da? ein fur die Vielschichtigkeit eines multikulturellen Hospitals geschulter Verstand ein vernunftiges Schema in diese Flut sich widersprechender Tatsachen bringen konnte, und Conway wurde sich ohne Zweifel uber die Dringlichkeit dieser Angelegenheit im klaren sein und unverzuglich mit der Arbeit beginnen wollen.

„. und ich hatte au?erdem gerne ein paar Angaben und Daten uber den Terrestrier Clarke, der in Abschnitt funfunddrei?ig tatig ist“, fuhr Lonvellin ohne Pause fort, „damit ich die Berichte dieses Mannes richtig einschatzen kann.“

Als dann Captain Williamson die von Lonvellin gewunschten Informationen gab, tippte Stillman Conway auf den Arm und gab ihm durch ein Nicken zu verstehen, mit ihm von Bord zu gehen. Zwanzig Minuten spater befanden sie sich auf der Ladeflache eines abgedeckten Lastwagens auf dem Weg zum Flugfeldrand. Zur Tarnung hatte man Conways Schadel und ein Ohr verbunden. Trotzdem war er ein wenig beunruhigt und kam sich mit dem Verband ein bi?chen dumm vor.

„Wir bleiben hier versteckt, bis wir das Raumhafengelande verlassen haben“, beruhigte ihn Stillman. „Erst dann setzen wir uns nach vorne zum Fahrer. Mittlerweile reisen zwar viele Etlaner mit unseren Leuten, aber es konnte uns moglicherweise doch verdachtig machen, wenn man uns vom Schiff kommen sieht. Wir werden auch nicht an der Bodenzentrale anhalten, sondern direkt in die Stadt fahren. Ich finde namlich, Sie sollten einige Ihrer Patienten so bald wie moglich sehen.“

Conway erwiderte ernst: „Ich wei? zwar, da? die Symptome bei mir rein psychosomatisch sind — aber ich hab nicht nur kalte Fu?e bekommen, sondern sie scheinen sich sogar schon in einem fortgeschrittenen Stadium der Erfrierung zu befinden.“

Stillman lachte. „Da machen Sie sich mal keine Sorgen, Doktor“, beruhigte er ihn. „Durch den Translator, der im Verband am Ohr steckt, bekommen Sie ja alles mit, was passiert. Au?erdem mussen Sie sowieso uberhaupt nicht sprechen, weil ich erklaren werde, da? Ihre Kopfverletzung vorubergehend Ihr Sprachzentrum in Mitleidenschaft gezogen hat. Aber sobald Sie spater ein bi?chen von der Sprache aufgeschnappt haben, sollten Sie — nur als guter Tip von mir — anfangs nur stottern. So ein Sprachfehler verschleiert die Tatsache, da? der Sprecher nicht den ortsublichen Dialekt oder Akzent spricht — so ein offensichtlicher Fehler verbirgt also alle kleineren Unzulanglichkeiten.

Unsere Geheimagenten haben namlich nicht alle eine umfassende Sprachausbildung genossen“, fugte er hinzu, „und deshalb sind solche Tricks leider notwendig. Sie durfen nur auf keinen Fall vergessen, sich niemals langer an ein und demselben Ort aufzuhalten, als da? man die augenfalligeren Eigenarten Ihres Verhaltens bemerken konnte.“

An dieser Stelle bemerkte der Fahrer, da? sie gerade an einer Blondine vorbeigekommen seien, in deren Nahe er sein ganzes Leben wunschlos glucklich verbringen konnte. Stillman fuhr fort: „Trotz der unanstandigen Andeutungen von Monitor Briggs hier liegt unser bester Schutz womoglich darin, mit welcher geistigen Einstellung wir an unsere Arbeit herangehen, und in der Tatsache, da? unsere Absichten gegenuber den Etlanern vollkommen ehrenhaft sind. Denn waren wir feindliche Agenten und fest entschlossen, Sabotage zu betreiben oder geheime Informationen fur einen zukunftigen Krieg zu sammeln, wurde man uns mit viel gro?erer Wahrscheinlichkeit schnappen. Dann waren wir verkrampfter, wurden uns zu sehr bemuhen, naturlich zu wirken, waren selbst viel zu mi?trauisch und deshalb auch fur Fehler anfalliger.“

„Das klingt bei Ihnen alles so einfach“, entgegnete Conway zweifelnd, trotzdem fuhlte er sich jetzt etwas beruhigter.

Der Lastwagen setzte sie in der Stadtmitte ab, und sie sahen sich ein wenig zu Fu? um. Als erstes fiel Conway auf, da? es zwar nur sehr wenig gro?e oder neu aussehende Gebaude gab, jedoch selbst die altesten ausgesprochen gut erhalten waren. Au?erdem hatten die Etlaner eine sehr ansprechende Art, die Fassaden ihrer Hauser mit Blumen zu schmucken. Er sah die Menschen; die Manner und Frauen, die arbeiteten oder einkauften oder Geschaften nachgingen, uber deren Art er zum gegenwartigen Zeitpunkt nicht einmal die leisesten Vermutungen anstellen konnte. Er mu?te sie einfach fur Manner und Frauen halten, fur mannliche und weibliche Menschen, und nicht fur eine Ansammlung von wildfremden geschlechtslosen Aliens.

Er sah die verrenkten Glieder, die Krucken und die von Narben zerpflugten Gesichter. Sein analytischer Blick erkannte und bestimmte Krankheitsbilder, die bereits seit uber einem Jahrhundert unter den Burgern der Foderation ausgerottet waren. Und uberall bot sich ihm ein Anblick, den jeder kennt, der schon einmal in einem Hospital gewesen ist oder dort gearbeitet hat — namlich wie die weniger schwer erkrankten Patienten all denen gro?zugig und selbstlos jedwede Hilfe zukommen lie?en, die in schlechterer Verfassung als sie selbst waren.

Als Conway plotzlich bewu?t wurde, da? er sich gar nicht auf der Station eines Hospitals befand, auf der solche Bilder erfreulich normal waren, sondern auf der Stra?e in einer Stadt, verschlug es ihm die Sprache, und er blieb unwillkurlich wie angewurzelt stehen.

„Was mich wirklich trifft, ist, da? viele dieser Leiden heilbar sind“, sagte er, als er sich wieder etwas beruhigt hatte. „Vielleicht sogar alle. Schlie?lich hatten wir seit einhundertundfunfzig Jahren keinen Fall von Epilepsie mehr und.“

„. und am liebsten wurden Sie jetzt auf alle und jeden mit einer Spritze losgehen und ihnen die angezeigten Gegenmittel verabreichen“, warf Stillman mit grimmiger Miene ein. „Aber Sie durfen nicht vergessen, da? es auf dem gesamten Planeten so aussieht wie hier. Und schlie?lich wurde es uberhaupt nichts nutzen, nur eine Handvoll Menschen zu heilen, Sie sind namlich fur eine sehr gro?e Station verantwortlich, Doktor.“

„Ich hab die Berichte gelesen“, entgegnete Conway knapp. „Allerdings hat mich das darin enthaltene Zahlenmaterial nicht auf die reale Situation vorbereitet, die sich einem hier.“

Er lie? den Satz unvollendet. Sie hatten an einer belebten Kreuzung haltgemacht, und Conway bemerkte, da? sowohl der Fu?ganger- als auch der Fahrzeugverkehr entweder langsamer geworden oder sogar ganz zum Stillstand gekommen war. Schlie?lich sah er auch den Grund dafur.

Ein gro?er Wagen kam die Stra?e entlang. Er war vollstandig rot lackiert und mit rotem Stoff behangen und besa?, anders als die ubrigen Fahrzeuge in seiner Umgebung, keinen Eigenantrieb. An jeder Seite waren in gleichma?igen Abstanden kurze Griffe befestigt, und an jedem Griff ging, humpelte oder hinkte ein Etlaner und schob den Wagen voran. Conway wu?te bereits, da? er hier Zeuge einer Beerdigung wurde, noch bevor Stillman seine Baskenmutze abnehmen und er dessen Beispiel folgen konnte.

„Und jetzt werden wir das Hospital besuchen“, sagte Stillman, als die Prozession vorbeigezogen war. „Falls jemand Fragen stellt, lautet meine Geschichte, da? wir nach einem kranken Verwandten namens Mennomer suchen, der letzte Woche eingeliefert worden ist. Auf Etla ist das ein Name wie Schmidt. Aber es ist unwahrscheinlich, da? wir gefragt werden, weil praktisch jeder Burger seinen Teil zur im Hospital zu leistenden Arbeit beitragt, und das Personal dadurch an das standige Kommen und Gehen solcher Teilzeithilfskrafte gewohnt ist. Sollten wir zufallig einem medizinischen Offizier des Monitorkorps begegnen, was sehr gut moglich ist, dann nehmen Sie ihn einfach gar nicht zur Kenntnis.

Und falls Sie sich wegen der Etlaner Sorgen machen sollten, die moglicherweise unter Ihren Verband schauen wollen“, fuhr Stillman fort, als wenn er praktisch Conways Gedanken lesen konnte, „dann konnen Sie ganz

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