ihre Gebrechen gut — und in den meisten Fallen haben sie sogar vollig recht damit.
Dieser Glaube wird ihnen namlich von Kindesalter an genauso eingeimpft wie ihr Ha? auf alle fremdartig aussehenden Wesen und die Uberzeugung, es sei unnotig, Infektionsherde oder an ansteckenden Krankheiten leidende Patienten zu isolieren“, fuhr Stillman fort, wobei sein Ton nach und nach seine Scharfe verlor. „Und das ist sogar gefahrlich, weil sie glauben, die Erreger der einen Krankheit wurden die Erreger der zweiten bekampfen, so da? dann schlie?lich alle Bazillen geschwacht waren.“
Bei diesem Gedanken schauderte es Stillman, und er verfiel in Schweigen „Ich wollte unsere Patienten nicht personlich angreifen, Major“, entgegnete Conway. „Ich hab ja auch keine vernunftigen Antworten auf dieses Problem, und deshalb fallen mir eben nur dumme ein. Aber Sie haben vorhin die mangelnde Unterstutzung angesprochen, die die Etlaner von ihrem Imperium erhalten. Daruber hatte ich gerne mehr Einzelheiten gewu?t, besonders daruber, wie diese minimalen Hilfsmittel uberhaupt verteilt werden. Aber noch lieber wurde ich mal den Vertreter des Imperiums auf Etla danach fragen. Konnten Sie den inzwischen ausfindig machen?“
Stillman schuttelte den Kopf und antwortete trocken: „Diese Hilfsmittel werden nicht wie eine Sendung von Lebensmittelpaketen geliefert. Naturlich sind Medikamente dabei, aber zum gro?ten Teil handelt es sich um die neueste, auf die hiesigen Zustande bezogene medizinische Fachliteratur. Wie diese dann die Leute erreicht, das versuchen wir im Moment noch herauszufinden.“
Wie Stillman in seinen Erklarungen fortfuhr, landete alle zehn Jahre ein Schiff des Imperiums auf Etla, das der Vertreter des Imperiums am Landeplatz erwartete. Nachdem das Schiff die Ladung geloscht und an den Vertreter etwas ubergeben hatte, bei dem es sich vermutlich um Berichte handelte, startete es schon einige Stunden spater wieder. Anscheinend wollte kein Burger des Imperiums auch nur eine Sekunde langer als notig auf Etla verweilen, was ja auch verstandlich war. Anschlie?end machte sich dann der Vertreter des Imperiums, eine Personlichkeit namens Teltrenn, an die Verteilung der medizinischen Hilfsmittel.
Aber anstatt sich der Mittel des Massenvertriebs zu bedienen, um die ortlichen medizinischen Institutionen uber die neuesten Behandlungsmethoden aufzuklaren und den ortsansassigen Arzten Zeit zu geben, sich vor dem Eintreffen der Medikamente erst einmal mit deren Wirkungsweise vertraut zu machen, hielt Teltrenn die gesamten Informationen so lange zuruck, bis er den Arzten und Institutionen einen personlichen Besuch abstatten konnte. Dann erst uberreichte er ihnen alles als personliches Geschenk ihres glorreichen Imperators, wobei ihm selbst naturlich auch kein geringes Ma? an Ehre zuteil wurde, weil er ja schlie?lich der Mittelsmann war. Deshalb erreichten die Informationen, die jeder Arzt auf dem Planeten innerhalb von drei Monaten in Handen hatte halten konnen, die Arzte und Institutionen Stuck fur Stuck uber einen Zeitraum von bis zu sechs Jahren.
„Sechs Jahre!“ rief Conway entsetzt aus.
„Teltrenn ist, soweit wir herausfinden konnten, kein besonders tatkraftiger Mensch“, antwortete Stillman. „Und was die Sache noch viel schlimmer macht: auf Etla wird nur wenig oder gar keine medizinische Grundlagenforschung betrieben, und zwar deshalb, weil das lebenswichtigste Instrument des Forschers fehlt: das Mikroskop. Auf Etla ist man namlich nicht in der Lage, optische Prazisionsgerate zu fertigen, und anscheinend hat kein Schiff des Imperiums jemals daran gedacht, Mikroskope mitzubringen.
Und das alles lauft dann darauf hinaus, da? samtliche medizinischen Uberlegungen fur den Planeten Etla vom Imperium ubernommen werden. Und allen Anzeichen nach ist das Imperium medizinisch ja nicht gerade gewitzt.“
„Ich wurde gern den direkten Zusammenhang zwischen dem Eintreffen dieser Hilfsmittel und der Krankheitsquote unmittelbar danach untersuchen“, entgegnete Conway in bestimmtem Ton. „Konnen Sie mir dabei helfen?“
„Da ist gerade ein Bericht reingekommen, der Ihnen moglicherweise dabei helfen kann“, erwiderte Stillman. „Das ist eine Kopie der Akten von einem Hospital auf dem Nordkontinent, die bis auf Teltrenns letzten Besuch zuruckgehen. Nach diesen Unterlagen hat Teltrenn bei der Gelegenheit einige nutzliche Informationen uber Geburtshilfe und ein spezifisches Heilmittel gegen eine Krankheit mitgebracht, die wir B-achtzehn genannt haben. Die Haufigkeit von B-achtzehn hat im Hospital nach Teltrenns Besuch innerhalb von ein paar Wochen rapide abgenommen, obwohl die Gesamtzahl der Patienten ziemlich gleich geblieben ist, da ungefahr zur selben Zeit allmahlich F-einundzwanzig aufgetaucht ist.“
B-achtzehn entsprach einer schweren Grippe, die fur Kinder und junge Erwachsene in vier von zehn Fallen todlich war. F-einundzwanzig stellte ein leichtes, nicht todliches, drei bis vier Wochen dauerndes Fieber dar, in dessen Verlauf gro?e, sichelformige Striemen im Gesicht, an den Gliedma?en und am Korper auftraten. Sobald das Fieber abgeklungen war, verdunkelten sich die Striemen zu einem Blauviolett und blieben fur den Rest des Lebens am Korper des Patienten.
Conway schuttelte wutend den Kopf und sagte: „Eine der Hauptursachen fur die entsetzlichen Zustande auf Etla ist auf jeden Fall auch der Vertreter des Imperiums!“
Stillman stand auf und erwiderte: „Wir wurden ihm auch gern ein paar Fragen stellen. Wir haben die ganze Geschichte uber Radio und durch Druckerzeugnisse weit publik gemacht, und zwar in so gro?em Umfang, da? wir uns jetzt ziemlich sicher sind, Teltrenn versteckt sich absichtlich vor uns. Wahrscheinlich hat er wegen der miserablen Abwicklung der Angelegenheiten ein schlechtes Gewissen. Au?erdem haben wir fur Lonvellin einen psychologischen Bericht uber Teltrenn ausgearbeitet, der auf all den Zeugenaussagen beruht, die wir durch Horensagen bekommen konnten. Ich werde Ihnen vom Schiff aus eine Kopie schicken lassen.“
„Danke“, erwiderte Conway.
Stillman nickte, gahnte und ging hinaus. Conway betatigte mit dem Daumen den Schalter des Kommunikators, stellte Kontakt mit der Vespasian her und bat um eine Sprechverbindung mit dem achtzig Kilometer entfernten Lonvellin. Er war immer noch beunruhigt und wollte sich jetzt einmal alles von der Seele reden. Das einzige Problem war nur, da? er nicht genau wu?te, was „alles“ war.
„Da? Sie Ihren Teil des Unternehmens so schnell erledigt haben, war wirklich gute Arbeit, mein Freund“, entgegnete Lonvellin, nachdem ihm Conway uber den Stand der Dinge unterrichtet hatte. „Ich hab mit der Qualitat und dem Eifer meiner Assistenten wirklich Gluck. Mittlerweile haben wir in den meisten Gegenden das Vertrauen der etlanischen Arzte gewonnen, und bald ist auch der Weg fur eine umfassende Aufklarung der Arzte uber die neuesten Heilmethoden frei gemacht. Deshalb werden Sie, Conway, innerhalb weniger Tage ins Orbit Hospital zuruckkehren, und ich mochte Ihnen eindringlich nahelegen, nicht mit dem Gefuhl abzufliegen, Sie hatten Ihre Aufgabe nicht in vollkommen zufriedenstellender Weise gelost. Das sind vollig grundlose Sorgen, die Sie da geau?ert haben.
Aber Ihr Vorschlag, das Wesen Teltrenn im Rahmen des Umerziehungsprogramms zu entfernen oder zu ersetzen, ist vernunftig“, fuhr Lonvellin schwerfallig fort. „Auch ich hatte schon an diesen Schritt gedacht. Ein weiterer Grund fur Teltrenns Entfernung aus dem Amt ist die gut belegte Tatsache, da? schlie?lich er gro?tenteils die Verantwortung dafur tragt, die Intoleranz gegenuber au?erplanetarischen Lebensformen lebendig erhalten zu haben. Ihre Vermutung, diese schadlichen Ansichten wurden vielleicht nicht von Teltrenn, sondern vom Imperium selbst herruhren, kann richtig oder falsch sein. Ich halte es allerdings im Gegensatz zu Ihnen nicht fur erforderlich, deshalb eine sofortige Suchaktion nach dem Imperium zu starten, um dessen Hintergrundstrukturen genauer zu beleuchten.“
Lonvellins Translatorstimme war zwar langsam und klang notgedrungen emotionslos, doch glaubte Conway trotzdem, einen harteren Ton herauszuhoren, als der EPLH fortfuhr: „Ich begreife Etla als einen isolierten Planeten, der unter Quarantane gehalten wird. Und deshalb kann man die Schwierigkeiten losen, ohne Uberlegungen uber Einflusse des Imperiums ins Spiel zu bringen oder die verschiedenen Ungereimtheiten vollkommen verstehen zu mussen, uber die wir uns beide den Kopf zerbrechen. Denn diese Widerspruche werden sich schon auflosen, sobald die Heilung Erfolg hat. Und die Antworten, nach denen wir suchen, sind fur die planetenweite Linderung des Leidens erst recht nur von sekundarer Bedeutung.
Schlie?lich ist Ihre Behauptung, die Besuche des Schiffs vom Imperium, das alle zehn Jahre auftaucht und nur ein paar Stunden bleibt, waren ein Hauptbestandteil des Problems, uberhaupt nicht stichhaltig“, fuhr Lonvellin fort. „Ich konnte Ihnen sogar unterstellen, da? Sie — vielleicht unterbewu?t — diesen Punkt nur deshalb so stark uberbetonen, damit Sie Ihre Wi?begier uber das Imperium stillen konnen.“
Da haben Sie ja so recht, dachte Conway. Aber bevor er darauf etwas entgegnen konnte, fuhr der EPLH schon fort: „Ich mochte Etla als ein Einzelproblem behandeln, denn es wurde nur den Umfang der Operation uber die zu bewaltigenden Grenzen hinaus vergro?ern, wenn man das Imperium mit ins Spiel bringt; ob es nun selbst ebenfalls medizinische Hilfe benotigt oder nicht.
Sie konnen trotzdem — nur, um Ihre offensichtliche Beunruhigung auszuraumen — Ihrem Mitwesen