eine Vorgehensweise ausdenken, die ihn genau an diesem schwachen Punkt traf. Das Korps war in erster Linie eine Polizeiorganisation, eine Truppe, die zum Erhalt des Friedens und nicht als Streitmacht zur Kriegsfuhrung diente. Deshalb richteten sich wie bei jeder guten Polizeitruppe die Ma?nahmen des Monitorkorps immer nach den moglichen Auswirkungen auf die am Krieg unschuldige Bevolkerung — in diesem Fall waren das sowohl die Burger des Imperiums als auch die Bevolkerung der Foderation.
Und darum wurde geplant, das Imperium von innen zu untergraben, obwohl dieser Plan vor dem ersten kriegerischen Aufeinanderprall unmoglich Wirkung zeigen konnte. Williamsons kuhnste Hoffnung — „Gebet“ ist vielleicht der treffendere Ausdruck — war, da? der in die Hande des Imperiums geratene Monitor die Koordinaten des Orbit Hospitals gar nicht kannte und sie deshalb auch nicht verraten konnte. Wenn der Agent allerdings etwas wu?te, dann bekam das der Feind so oder so aus ihm heraus — das war dem Colonel klar, dazu war er Realist genug. Beim Nichteintreffen der Ideallosung wollte man das Orbit Hospital so verteidigen, da? der Feind keine weiteren Koordinaten von irgendeinem Planeten oder einer anderen Einrichtung der Foderation in Erfahrung bringen konnte — zumindest solange, bis das Imperium einen gro?en Teil seiner Streitkrafte fur die zeitraubende Suche nach dem Zentrum der Galaxis vom Orbit Hospital abziehen wurde. Denn genau das war es, was das Monitorkorps erreichen wollte.
Conway versuchte, gar nicht daran zu denken, wie es wohl um das Orbit Hospital herum aussehen wurde, wenn sich dort samtliche mobilen Streitkrafte des Imperiums konzentrierten.
Ein paar Stunden vor ihrem Auftauchen aus dem Hyperraum empfingen sie noch einen zweiten Bericht von dem Agenten, der sich derzeit auf dem Zentralplaneten des Imperiums aufhielt. Sein erster Bericht hatte noch neun Tage benotigt, um Etla zu erreichen, der zweite war jedoch mit hochster Dringlichkeitsstufe in nur achtzehn Stunden ubertragen worden.
Dieser Bericht legte dar, da? der Hauptplanet den Extraterrestriern anscheinend nicht so feindlich gesonnen war wie Etla und die restlichen Planeten des Imperiums. Die Burger des Zentralplaneten schienen viel kosmopolitischer zu denken, und gelegentlich konnte man sogar ETs auf den Stra?en sehen. Diese Wesen besa?en diplomatischen Status und waren Bewohner von Planeten, mit denen das Imperium Handelsvertrage abgeschlossen hatte. Doch gab es Anspielungen, da? das Imperium diese Vertrage nur eingegangen war, um diese Planeten von sich abhangig zu machen und sich so bei der Annexion einzelner dieser Planeten den Rucken freizuhalten. Was die personliche Behandlung des Agenten anging, hatten die Dinge gar nicht besser stehen konnen und schon in wenigen Tagen sollte er eine Audienz beim Imperator hochstpersonlich haben. Nichtsdestoweniger bekam er laut eigener Aussage allmahlich ein unbehagliches Gefuhl.
Den Grund fur seine Beunruhigung konnte er allerdings nicht genauer bestimmen, da er, wie er in seinem Bericht zu bedenken gab, schlie?lich Arzt war — noch dazu einer, den man aus Forschungsarbeiten und Kolonisationsvorbereitungen gerissen hatte — und keiner von diesen Kontaktspezialisten. Sobald er allerdings auf den Aufbau und die Ziele der Foderation zu sprechen kam — und sei es nur am Rande —, blockte man ihn in gewissen Kreisen und zu bestimmten Anlassen sofort ab, wahrend man ihn zu anderen Gelegenheiten regelrecht dazu ermutigte, in aller Ausfuhrlichkeit daruber zu berichten. Das war normalerweise dann der Fall, wenn nur wenige Menschen anwesend waren. Ein weiterer, den Agenten beunruhigender Punkt war die Tatsache, da? in keiner einzigen der von ihm verfolgten Nachrichtensendungen seine Ankunft auch nur mit einem einzigen Wort erwahnt worden war. Ware die Situation namlich umgekehrt gewesen und ein Burger des Imperiums mit der Foderation in Kontakt getreten, dann ware so ein Ereignis wochenlang die Hauptmeldung gewesen.
Manchmal, so berichtete der Agent weiter, fragte er sich, ob er nicht vielleicht zu viel redete. Er wunschte sich, es wurde ein Subraumfunkgerat in der Gro?e eines normalen Senders geben, um auf diese Weise Anweisungen erhalten zu konnen…
Das waren die letzten Worte, die man von diesem Agenten empfangen hatte.
Conways Ruckkehr zum Orbit Hospital fiel nicht so erfreulich aus, wie er es sich noch ein paar Wochen zuvor ausgemalt hatte. Damals hatte er fest damit gerechnet, als Held gefeiert zu werden, der gerade die gro?te Aufgabe in seiner Karriere erfolgreich bewaltigt hatte. Die Ovationen seiner Kollegen hatten ihm bereits in den Ohren geklungen, und Murchison hatte ihn sehnsuchtig erwartet und mit offenen Armen empfangen. Fur das letztere bestand zwar wirklich nur eine geringe Wahrscheinlichkeit, aber Conway traumte eben von Zeit zu Zeit ganz gern. Statt dessen kehrte er nun von einem nicht erfullten Auftrag zuruck, der ihm auf au?erst schreckliche Weise direkt vor der Nase wie eine Seifenblase zerplatzt war, und hoffte nur, seine Kollegen wurden ihn nicht aufhalten und ihn mit Fragen nach dem Wie und Was seines Tuns lochern. Schwester Murchison stand zwar mit einem freundlichen Lacheln in der Schleuse, ihre Arme hingen jedoch korrekt an der Seite.
Ihn nach seiner langen Abwesenheit zu erwarten, dachte Conway verdrossen, war ja wohl selbstverstandlich, schlie?lich ist so etwas unter Freunden ublich — mehr konnte das aber auch nicht bedeuten. Murchison sagte ihm, es ware schon, ihn wiederzusehen, und er antwortete, es ware schon, wieder da zu sein. Und als sie anfing, Fragen zu stellen, entgegnete er, da? er jetzt leider eine Menge zu erledigen habe, doch falls sie nichts dagegen hatte, wurde er sie gern spater anrufen. Dabei lachelte er sie so an, als ob all seine Gedanken allein der noch zu treffenden Verabredung gelten wurden. Doch Conway schien in den letzten Wochen das Lacheln verlernt zu haben, und Murchison mu?te dessen Unaufrichtigkeit sofort bemerkt haben. Plotzlich verhielt sie sich ganz wie eine Krankenschwester gegenuber einem Arzt, sagte in geschaftsma?igem Ton, da? er sich selbstverstandlich um viel wichtigere Dinge zu kummern habe und entfernte sich schnellen Schrittes.
Sie hatte so schon und begehrenswert wie immer ausgesehen, und zweifellos hatte er ihre Gefuhle verletzt, aber darauf kam es ihm im Moment nicht an. Seine Gedanken galten allein dem bevorstehenden Treffen mit O’Mara, und als er sich kurz darauf im Buro des Chefpsychologen einfand, schienen sich seine schlimmsten Befurchtungen zu bewahrheiten.
„Setzen Sie sich, Doktor“, begann O’Mara. „Also haben Sie es endlich doch noch geschafft, uns in einen interstellaren Krieg zu verwickeln, wie.?“
„Das ist uberhaupt nicht komisch“, erwiderte Conway.
O’Mara musterte ihn mit einem ausgiebigen Blick. Dabei beobachtete er nicht nur Conways Gesichtsausdruck, sondern bemerkte auch andere Faktoren wie die Korperhaltung im Stuhl und die Position und Bewegungen der Hande. O’Mara legte zwar keinen gro?en Wert auf korrekte Anredeformen, doch da? es Conway unterlassen hatte, ihn mit „Sir“ anzusprechen, nahm er ebenfalls als Begleitumstand zur Kenntnis, dem er den richtigen Stellenwert in seiner Situationsanalyse beima?. Der ganze Vorgang dauerte vielleicht zwei Minuten, und wahrend dieser Zeit zuckte der Chefpsychologe nicht ein einziges Mal mit den Augenlidern. Aber O’Mara legte sowieso keine irritierenden Gebarden an den Tag — seine kraftigen, groben Hande zuckten nie und spielten auch keinen Augenblick mit irgendwelchen Gegenstanden herum, und wenn er es wollte, konnten seine Gesichtszuge so ausdrucksvoll wie ein Felsblock aussehen.
Bei diesem Anla? jedoch entspannte er das Gesicht zu einem Ausdruck von fast gutiger Mi?billigung, und dann redete er endlich.
„Da gebe ich Ihnen ausnahmsweise mal recht“, entgegnete er leise. „Das ist kein bi?chen komisch. Aber in einem Hospital wie diesem besteht eben immer die Moglichkeit, da? ein Arzt zum Unruhestifter wird, gerade weil er es so gut meint — das wissen Sie genausogut wie ich. Wir haben doch schon oft irgendein seltsames Lebewesen einer bisher unbekannten Spezies ins Hospital eingeliefert bekommen, das dringend behandelt werden mu?te. In so einem Fall bleibt eben keine Zeit fur die Suche nach den Freunden des Patienten, blo? um herauszubekommen, ob die beabsichtigte Behandlungsmethode unter den gegebenen Umstanden auch wirklich die richtige Verfahrensweise ist. Ein ganz typischer Fall war zum Beispiel diese riesige ianische Schmetterlingspuppe, die Sie vor ein paar Monaten behandelt haben, noch bevor wir uns mit den Ianern formell in Verbindung setzten konnten. Hatten Sie damals nicht vollkommen richtig diagnostiziert, da? der Patient eine im Wachstum befindliche Puppe war und keineswegs an bosartigen, unverzuglich zu entfernenden Hautwucherungen litt — eine Operation, an der der Patient bestimmt gestorben ware — dann hatten wir jetzt mit den Ianern ernsthafte Schwierigkeiten. Daran sieht man ja, das Sie auch anders konnen.“
„Ja, Sir“, erwiderte Conway.
O’Mara fuhr fort: „Mit meiner Bemerkung wollte ich Sie vorhin doch nur aufziehen. Aber wenn man an Ihr noch gar nicht so lange zuruckliegendes Erlebnis mit dem Ianer denkt, dann war meine Feststellung auf gewisse Weise sogar treffend. Gut, vielleicht war sie geschmacklos, aber falls Sie nun annehmen, ich wurde mich entschuldigen, dann glauben Sie offenbar an Wunder. So, und jetzt berichten Sie mir uber Etla.
Ubrigens, mein Schreibtisch und mein Papierkorb sind voll von Berichten, die ausfuhrlich auf die Auswirkungen und furchtbaren Konsequenzen dieser ganzen Geschichte mit Etla eingehen“, fugte er schnell hinzu,