„En. entschuldigen Sie“, stotterte Conway und trat zuruck. Dann erinnerte er sich an ihre letzte Begegnung und sagte: „Ich war neulich nach meiner Ruckkehr in der Schleuse etwas in Eile und konnte deshalb nicht viel sagen. Sind Sie im Dienst?“

„Ich hab gerade Feierabend“, antwortete Murchison in neutralem Ton.

„Ach, wirklich.?“ entgegnete Conway etwas unbeholfen und stammelte dann: „Ich hab mich namlich gefragt. ich meine, hatten Sie vielleicht Lust.“

„Also, ich hatte nichts dagegen, schwimmen zu gehen“, erwiderte sie.

„Na prima“, freute sich Conway.

Sie gingen zum Freizeitbereich hoch, zogen sich um und trafen sich wieder im Innern auf dem kunstlichen Strand. Als sie zum Wasser gingen, sagte Murchison plotzlich: „Oh, was ich Sie noch fragen wollte, Doktor: Als Sie mir diese Briefe geschickt haben, sind Sie dabei eigentlich nie auf die Idee gekommen, sie in Umschlage mit meinem Namen und meiner Zimmernummer zu stecken?“

„Damit alle gleich gewu?t hatten, da? ich Ihnen geschrieben hab?“ fragte Conway. „Ich hab gedacht, so was wollen Sie nicht.“

Murchison schnaubte damenhaft. „Also, das System, das Sie sich ausgedacht haben, war ja auch nicht gerade geheim“, entgegnete sie, wobei ihre Stimme leicht verargert klang. „Thornnastor von der Pathologie hat schlie?lich drei Munder, und ich schaffe es nicht einmal, da? er auch nur einen davon halt. Es waren ja wirklich nette Briefe, aber nach meinem Empfinden sind die Ruckseiten von Testberichten uber Auswurf nicht gerade angebracht fur.!“

„Tut mir leid“, entschuldigte sich Conway. „Soll nicht wieder vorkommen.“

Mit diesem Wortwechsel kehrte wieder die dustere Stimmung zuruck, die Murchisons Anblick aus seinen Gedanken vertrieben hatte. Es wurde ganz sicher nicht wieder vorkommen, dachte Conway betrubt, nie wieder. Die hei?e, kunstliche Sonne schien seine Haut nicht so zu warmen, wie er es in Erinnerung hatte, auch das Wasser war nicht mehr so prickelnd kalt, und selbst unter den Schwerkraftverhaltnissen von einem halben Ge war das Schwimmen fur ihn eher ermudend als belebend. Es kam ihm so vor, als ware sein Korper in einen dichten Schleier von Mudigkeit gehullt, der samtliche Gefuhle betaubte. Nach nur wenigen Minuten schwamm er ins flache Wasser zuruck und watete an den Strand. Murchison folgte ihm mit besorgter Miene an Land.

„Sie sind dunner geworden“, stellte sie fest, als sie ihn eingeholt hatte.

Conways erster Gedanke war zu antworten: „Sie aber nicht“, doch Murchison hatte das beabsichtigte Kompliment falsch verstehen konnen. Und als Gesellschaft war er zum gegenwartigen Zeitpunkt so schon miserabel genug, da mu?te er es nicht auch noch riskieren, sie zu beleidigen.

Plotzlich hatte er eine Idee und sagte schnell: „Ich hab ganz vergessen, da? Sie ja gerade erst Feierabend gemacht und noch nichts gegessen haben. Wollen wir ins Restaurant gehen?“

„O ja, bitte“, antwortete Murchison begeistert.

Das Restaurant thronte hoch oben auf der Klippe, gegenuber den Vorsprungen, die als Absprungschanzen dienten. Der ganze Stolz des Lokals war eine durchgezogene transparente Wand, die eine uneingeschrankte Aussicht auf den Strand ermoglichte und gleichzeitig den Larm abhielt. Daher war dies der einzige Ort im Freizeitbereich, wo man ein ruhiges Gesprach fuhren konnte. Doch fur Murchison und Conway war die Stille vollkommen uberflussig, weil sie sowieso kaum miteinander sprachen, jedenfalls bis sie die Mahlzeit halb beendet hatten.

„Sie essen auch nicht mehr soviel“, unterbrach Murchison schlie?lich das Schweigen.

„Haben Sie jemals ein Raumschiff besessen oder navigiert?“ fragte Conway unvermittelt.

„Ich…? Naturlich nicht!“

„Dann nehmen wir einmal an, Sie haben Schiffbruch erlitten, und der Astronavigator ist verletzt und bewu?tlos“, hakte Conway unbeirrt nach. „Der Schiffsantrieb ist inzwischen wieder repariert. Konnten Sie dann die Koordinaten von irgendeinem Planeten innerhalb der Foderation angeben?“

„Nein“, antwortete Murchison ungeduldig. „Ich mu?te schon so lange aushalten, bis der Astronavigator wieder aufgewacht ist. Was sind denn das fur komische Fragen?“

„Das sind Fragen, die ich allen meinen Freunden stellen werde“, erwiderte Conway grimmig. „Wenn Sie eine davon mit Ja beantwortet hatten, ware mir ein Stein vom Herzen gefallen.“

Murchison legte Messer und Gabel hin und runzelte leicht die Stirn. Conway fand, da? sie herrlich aussah, wenn sie die Stirn runzelte oder lachte oder uberhaupt irgend etwas tat. Und ganz besonders, wenn sie einen Badeanzug trug. Das war eins der Dinge, die er am Freizeitbereich am meisten schatzte — man durfte in Badeanzugen und — hosen essen. Wenn er sich blo? von dieser dusteren Stimmung befreien und ein paar Stunden lang ein vor Leben spruhender Gesprachspartner sein konnte. Denn so, wie er sich gegenwartig auffuhrte, bezweifelte er, ob sich Murchison auch heute von ihm nach Hause begleiten lie?. Und noch weniger wurde sie sich die Umarmung in den zwei Minuten und achtundvierzig Sekunden gefallen lassen, die es dauerte, bis die Roboterstimme dazwischenfuhr.

„Irgend etwas bedruckt Sie doch“, stellte Murchison fest. Sie zogerte und fuhr dann fort: „Wenn Sie eine Schulter zum Anlehnen brauchen, dann nur zu. Aber merken Sie sich eins: meine Schulter ist nur zum Ausweinen da und zu nichts sonst!“

„Wozu konnte ich sie denn sonst noch gebrauchen?“ fragte Conway scheinheilig.

„Keine Ahnung“, entgegnete sie lachelnd. „Aber das werde ich wahrscheinlich noch herausfinden.“

Conway erwiderte das Lacheln nicht. Statt dessen sprach er von den Dingen, die ihm Kopfzerbrechen machten, und auch von den Leuten, einschlie?lich ihr. Als er sich schlie?lich alles von der Seele geredet hatte, sagte sie lange Zeit nichts. Traurig beobachtete Conway, wie sich das etwas absonderlich wirkende Bild von einer hingebungsvollen, au?erst hubschen jungen Frau in einem wei?en Badeanzug zu einer Entscheidung durch rang, die ihr ziemlich sicher das Leben kosten wurde.

„Ich glaube, ich bleibe hier“, lautete schlie?lich ihre Antwort. Conway hatte gewu?t, da? sie das sagen wurde. „Sie bleiben doch wohl auch?“

„Ich hab mich noch nicht entschieden“, reagierte Conway zuruckhaltend. „Ich kann sowieso nicht weg bevor die Evakuierung abgeschlossen ist. Und dann gib es vielleicht nichts mehr, wofur es sich lohnen wurde zu bleiben.“ Er unternahm einen letzten Versuch, sie zur Anderung ihrer Meinung zu bewegen: „. Ihre ganze ET-Ausbildung ware fur die Katz. Es gibt eine Menge anderer Hospitaler, die au?erst froh daruber waren, Sie zu beschaftigen.“

Murchison richtete sich im Stuhl auf. Im forschen, kompetenten und sachlichen Ton einer Schwester, die einem moglicherweise aufsassigen Patienten die Behandlung vorschrieb, antwortete sie: „Nach dem, was Sie mir erzahlt haben, steht Ihnen morgen ein arbeitsreicher Tag bevor. Sie sollten deshalb jede Minute Schlaf ausnutzen, die Sie kriegen konnen. Deshalb sollten Sie jetzt schnurstracks auf Ihr Zimmer gehen.“

Und dann fugte sie in einem vollkommen anderen Ton hinzu: „Aber wenn Sie mich lieber erst nach Hause bringen mochten.“

14. Kapitel

Am Tag, nachdem man die Anweisung zur Evakuierung des Orbit Hospitals ausgegeben hatte, ging alles glatt uber die Buhne. Mit den Patienten gab es uberhaupt keine Schwierigkeiten, denn es lag ja in der Natur der Sache, da? Kranke eines Tages sowieso aus dem Krankenhaus entlassen werden. In diesem Fall ging die Entlassung eben nur ein wenig dramatischer als sonst vonstatten. Dagegen war es hochst unnaturlich, das medizinische Personal zu entlassen. Fur einen Patienten stellte das Hospital lediglich eine schmerzhafte oder zumindest nicht besonders angenehme Episode in seinem Leben dar, fur das Krankenhauspersonal hingegen war das Orbit Hospital das Leben selbst.

Aber auch mit der Evakuierung des Personals ging am ersten Tag alles glatt. Samtliche Mitarbeiter befolgten die Anordnungen, wahrscheinlich aus Gewohnheit oder weil es wegen ihres Schockzustands das einfachste war. Am zweiten Tag jedoch hatte der Schock allmahlich nachgelassen, und die Personalangehorigen begannen miteinander zu diskutieren. Und die Person, mit der sie am dringendsten diskutieren wollten, war Dr. Conway.

Am dritten Tag schlie?lich mu?te Conway O’Mara anrufen.

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