werden von einem Nuklearsprengkopf getroffen.“

Conway verlie? das Buro, wobei sich schon die ersten Anzeichen zeigten, da? er in Gedanken allmahlich doppelt zu sehen begann. Im Grunde war das Physiologieband eine Gehirnaufnahme einer medizinischen Kapazitat der gleichen Spezies, der der zu behandelnde Patient angehorte. Doch der Arzt, der sich solch ein Band uberspielen lie?, mu?te danach sein Gehirn buchstablich mit einer wildfremden Personlichkeit teilen. Zumindest hatte der Betreffende das Gefuhl, weil sich samtliche Erinnerungen und Erfahrungen des Bandurhebers in das Gehirn des Empfangers einpragten, und nicht nur ausgewahlte medizinische Datensatze. Physiologiebander konnten namlich nicht geschnitten werden.

Doch die DBLFs waren nicht so fremd wie einige der Wesen, mit denen Conway vorher sein Gehirn hatte teilen mussen. Obwohl die Kelgianer korperlich riesigen silbernen Raupen glichen, hatten sie vieles mit Terrestriern gemeinsam. Ihre Gefuhlsreaktionen auf Reize wie Musik, ein Stuck landschaftlicher Schonheit oder DBLFs vom anderen Geschlecht waren fast vollkommen identisch. Und der Kelgianer in Conways Gehirn mochte sogar Fleisch, weshalb er nicht an Salat zu verhungern brauchte, falls er das Band lange im Kopf behalten mu?te. Was machte es da aus, wenn er sich wirklich unsicher fuhlte, weil er auf nur zwei Beinen laufen mu?te, oder feststellte, da? er beim Gehen rhythmisch einen Buckel machte? Als er schlie?lich die verlassene DBLF-Abteilung erreichte und im kleinen Operationssaal eintraf, in den man die Patientin gebracht hatte, machte es ihm nicht einmal mehr etwas aus, da? ein Teil seines Gehirns uber Schwester Murchison wie uber jedes andere Wesen dieser spindeldurren DBDGs von der Erde dachte.

Obwohl Murchison alles fur ihn vorbereitet hatte, machte sich Conway nicht sofort an die Arbeit, da er wegen der Gedanken und der Personlichkeit des gro?en kelgianischen Arztes in seinem Gehirn jetzt mit der Patientin wirklich mitempfinden konnte. Er erkannte die Ernsthaftigkeit ihres Zustands und wu?te, da? mehrere Stunden heikler und schwierigster Arbeit vor ihm lagen. Gleichzeitig spurte er aber auch Mudigkeit und konnte kaum noch die Augen offenhalten. Es war fur ihn schon anstrengend, die Fu?e zu bewegen, und bei der Uberprufung der Instrumente fuhlten sich seine Finger mude und wie dicke Wurste an. Ihm war klar, da? er in dieser Verfassung unmoglich arbeiten konnte, es sei denn, er wollte seine Patientin toten.

„Konnten Sie mir bitte eine Aufputschspritze fertig machen?“ bat Conway, wobei er die Zahne zusammenbi?, um nicht zu gahnen.

Einen Augenblick lang sah Murchison so aus, als ob sie Conway womoglich widersprechen wollte, denn Aufputschspritzen waren im Orbit Hospital verpont. Man billigte ihren Einsatz nur im schlimmsten Notfall, und das aus sehr gutem Grund. Dennoch bereitete Murchison die Spritze vor und injizierte sie ihm schlie?lich, ohne ein Wort zu sagen. Dabei benutzte sie allerdings eine stumpfe Nadel und wandte beim Einstechen vollig unnotige Kraft auf. Obwohl ihm die Halfte des Gehirns nicht mehr gehorte, merkte Conway deutlich, da? sie bose auf ihn war.

Und dann schlug die Spritze auf einmal an. Abgesehen von einem leichten Kribbeln in den Fu?en und Flecken im Gesicht, die nur Murchison sehen konnte, fuhlte sich Conway so scharfsichtig, wach und korperlich frisch, als ob er nach zehn Stunden Schlaf gerade aus der Dusche gekommen ware.

„Wie geht es eigentlich der anderen Kelgianerin?“ fragte er plotzlich. Vor lauter Mudigkeit hatte er die Kelgianerin ganz vergessen, die er zusammen mit Murchison in der Schleuse zuruckgelassen hatte.

„Die kunstliche Beatmung hat sie wieder zu Bewu?tsein gebracht“, antwortete Murchison matt und fuhr dann etwas lebhafter fort: „Aber sie hatte noch einen Schock. Ich hab sie nach oben in die Tralthanerstation geschickt, da sind immer noch einige vom medizinischen Fachpersonal.“

„Gut“, lobte Conway sie herzlich. Er wollte eigentlich noch mehr sagen, ihr auf personlicherer Ebene schmeicheln, da er aber wu?te, da? keine Zeit zum Herumstehen und Plaudern war, murmelte er nur vor sich hin: „Dann fangen wir mal an.“

Die Spezies der Klassifikation DBLF hatte, abgesehen von der dunnen,

engen Hulle rund ums Gehirn, kein Knochengerust. Der Korper eines kelgianischen Wesens setzte sich aus einer Reihe von kreisformigen Muskelbandern zusammen, die nicht nur zur Fortbewegung dienten, sondern auch dem Schutz der lebenswichtigen Organe im Korperinnern. Dieser Schutz war vom Standpunkt eines Lebewesens, dessen Korper von einem uppigeren Knochengerust gestutzt wurde, alles andere als ausreichend. Ein weiterer schwerwiegender Nachteil des kelgianischen Korperbaus war im Fall einer Verletzung das komplizierte und au?erst leicht verletzbare Kreislaufsystem — denn das Adernetz, das die gewaltigen, den Korper kreisformig umgebenden Muskelbander mit Blut versorgen mu?te, verlief dicht unter der Haut. Zwar bot hier das dichte Fell einigen Schutz, aber eben nicht gegen gro?e, gezackte Metallsplitter, die durch die Gegend flogen.

Folglich konnte eine Verletzung, die viele andere Spezies lediglich als oberflachlichen Kratzer ansahen, bei einem DBLF in Minutenschnelle zum Verbluten fuhren.

Conway operierte langsam und vorsichtig. Er loste das von Murchison in aller Eile aufgetragene Gerinnungsmittel auf, vernahte oder ersetzte beschadigte Hauptblutgefa?e und verschlo? die kleineren Verastelungen, die ihm wegen ihrer Feinheit sowieso keine andere Wahl lie?en. Dieser Teil der Operation bereitete ihm die meisten Sorgen; nicht weil dadurch etwa das Leben der Patientin in Gefahr geraten ware, sondern weil Conway wu?te, da? der silberne Pelz an diesen Stellen nie wieder richtig wachsen wurde. Wenn das Fell uberhaupt nachwuchs, dann wurde es gelb verfarbt und fur einen mannlichen Kelgianer optisch absto?end sein. Die verletzte Schwester war eine au?ergewohnlich gutaussehende Frau, und da konnte solch eine Verunstaltung eine wirkliche Tragodie darstellen. Conway hoffte, da? sie nicht zu stolz sein wurde, diese Stellen standig mit Kunstfell zu bedecken. Obwohl Kunstfell zugegebenerma?en nicht den prachtigen, tiefen Glanz des echten Fells besa? und bei naherem Hinsehen als kunstliches Fell zu erkennen war, aber andererseits wirkte es eben optisch nicht so absto?end wie dieser gelbe Naturpelz.

Noch vor einer Stunde ware diese Kelgianerin fur ihn lediglich eine Raupe unter vielen gewesen, dachte Conway. Eine Raupe, die er nur vom klinischen Standpunkt aus betrachtet hatte. Doch jetzt war er schon so weit, da? er sich uber die Heiratsaussichten der Patientin Sorgen machte. Durch ein Physiologieband wurde man regelrecht dazu gezwungen, mit seinen ET-Patienten wirklich mitzufuhlen.

Als er die Operation beendet hatte, rief er in der Anmeldezentrale an, beschrieb den Zustand der Patientin und drangte darauf, sie so schnell wie moglich zu evakuieren. Mannon sagte ihm, an den Schleusen wurde zur Zeit ein halbes Dutzend kleinerer Schiffe liegen, die im Moment gerade Patienten an Bord aufnahmen. Die meisten dieser Schiffe seien fur Sauerstoffarmer vorbereitet. Er nannte ihm zwei Schleusen in der Nahe der DBLF- Abteilung, von denen Conway sich eine aussuchen konnte. Mannon fugte hinzu, da? alle Patienten der Klassifikationen A bis G bis auf die wenigen Schwerkranken entweder schon abgeflogen waren oder eben im Begriff standen, das Hospital zu verlassen, und zwar zusammen mit Personalangehorigen derselben Klassifikation, denen O’Mara aus Sicherheitsgrunden befohlen hatte zu gehen.

Von diesen Mitarbeitern des Hospitals hatten einige einen extremen Widerwillen gegen den Abflug an den Tag gelegt. Und ganz besonders ein uralter tralthanischer Diagnostiker, der das Pech hatte, Eigner einer privaten Raumjacht zu sein; ein Besitz, den man unter normalen Umstanden sicherlich nicht gerade als Ungluck angesehen hatte. Aber dieser Tralthaner wollte seine Jacht keinesfalls im Stich lassen, sondern — wenn es dazu kommen sollte — wie ein Kapitan zusammen mit seinem Schiff untergehen. Deshalb hatte man ihn offiziell des versuchten Hochverrats, der Storung des inneren Friedens und der Anstiftung zur Meuterei beschuldigen und festnehmen mussen. Das war die einzige Moglichkeit gewesen, ihn uberhaupt auf ein Schiff zu bekommen.

Als Conway den Horer auflegte, dachte er, da? man ihn mit viel weniger Muhe zum Verlassen des Orbit Hospitals bringen konnte. Er schuttelte wutend und uber sich selbst beschamt den Kopf und gab Murchison die Anweisungen fur den Transport der Patientin zum Schiff.

Fur den ersten Abschnitt des Wegs durch die AUGL-Station, die ja jetzt durch ein Loch zum All hin offen war, mu?te man die Kelgianerin in ein Druckzelt stecken. Im gro?en Becken befand sich kein Wasseratmer und auch kein Wasser mehr, denn es gab wirklich dringendere Dinge zu tun, als eine Abteilung instand zu setzen und wieder mit Wasser zu fullen, die hochstwahrscheinlich sowieso nie wieder benutzt werden wurde. Beim Anblick des jetzt leeren, riesigen Beckens fuhlte sich Conway furchtbar niedergeschlagen. Die Wande waren knochentrocken, und die uppige Unterwasservegetation, die die Station fur die Insassen behaglicher erscheinen lassen sollte, hing von ihnen wie brockelige, verfarbte Pergamentfetzen herab. Diese Niedergeschlagenheit hielt an, als er mit Murchison und der Kelgianerin die drei leeren Chlorebenen unter der AUGL-Station passierte und zu einem weiteren mit Luft gefullten Abschnitt gelangte.

Hier mu?ten sie eine Pause einlegen, um einen Zug von TLTUs vorbeizulassen. Conway war froh, eine Zwangspause einlegen zu mussen; denn obwohl er sich selbst wegen der Aufputschspritze immer noch

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