Conway wollte den beiden am liebsten antworten, da? das Personal seiner Meinung nach sowieso permanent redete, besonders die Schwestern und Pfleger, so da? dieses Problem schon langst hatte auftreten mussen, doch ihm fiel keine taktvolle Formulierung ein und er sagte deshalb vorsichtshalber nichts.
Eine Stunde verging, ohne da? etwas passierte, jedenfalls soweit es das Hospital betraf. Es hatte keine Treffer erhalten, und es gab keinerlei Anzeichen fur einen Einsatz der schweren Waffen, mit denen das Hospital ausgerustet worden war. Die diensthabenden Schwestern wurden von der nachsten Schicht abgelost, die diesmal aus drei Tralthanerinnen und drei Terrestrierinnen bestand, und die Oberschwester war Murchison. Conway machte es sich gerade zu einem sehr netten Schwatz gemutlich, als von der Sirene ein tiefer, leicht hohnischer Dauerton kam. Der Angriff war vorbei.
Als er Murchison aus dem Anzug helfen wollte, meldete sich die Ubertragungsanlage mit einem Summen zu Wort.
„Achtung, Achtung!“ sagte eine Stimme in dringlichem Ton. „Doktor Conway mochte bitte unverzuglich zu Schleuse funf kommen.“
Wahrscheinlich ein Verwundeter, dachte Conway. Einer, bei dem sie sich nicht sicher sind, wie sie ihn transportieren sollen… Aber dann richtete die Ubertragungsanlage ohne Zwischenpause gleich die nachste Nachricht aus.
„. Doktor Mannon und Major O’Mara mochten bitte sofort zu Schleuse funf kommen.“
Was konnte denn blo? an Schleuse funf los sein, da? es die Dienste von zwei Chefarzten und dem Chefpsychologen benotigte? fragte sich Conway und beeilte sich.
Mannon und O’Mara hatten sich bereits in der Nahe der Schleuse funf aufgehalten und trafen dort deshalb etwas eher als Conway ein. Als er schlie?lich zu ihnen stie?, befand sich in der Schleusenvorkammer au?er Mannon und O’Mara noch eine dritte Person, die einen schweren Anzug trug, deren Helm zuruckgeklappt war. Der Neuankommling hatte angegrautes Haar, ein dunnes, faltiges Gesicht, und sein Mund glich einem muden, farblosen Strich. Dieser harte Gesamteindruck wurde allerdings durch die sanftesten braunen Augen aufgewogen, die Conway je bei einem Menschen gesehen hatte. Auch die Rangabzeichen auf seinem Kragen waren reicher ausgeschmuckt als alle anderen, die Conway bisher gekannt hatte. Der ranghochste Offizier des Monitorkorps, mit dem Conway es bislang zu tun gehabt hatte, war ein Colonel gewesen, trotzdem wu?te er instinktiv, da? dieser Mann nur Flottenkommandant Dermod sein konnte.
O’Mara salutierte, und sein Gru? wurde ebenso korrekt erwidert. Mannon und Conway dagegen erhielten jeder einen Handedruck, wobei sich der Flottenkommandant fur seine Handschuhe entschuldigte. Dann kam Dermod direkt zur Sache.
„Ich bin kein Befurworter von Geheimnistuerei, wenn sie keinem wichtigen Zweck dient“, fing er steif an. „Sie haben sich dafur entschieden hierzubleiben, um sich um unsere Verwundeten zu kummern, und deshalb haben Sie auch ein Recht, uber die Vorgange unterrichtet zu werden, egal, ob es sich dabei um gute oder um schlechte Nachrichten handelt. Da Sie zum ranghochsten terrestrischen medizinischen Personal gehoren, das sich noch im Hospital aufhalt, und wissen, wie sich Ihre Mitarbeiter in den verschiedensten Fallen wahrscheinlich verhalten werden, mu? ich es Ihnen uberlassen, ob Sie diese Information offentlich bekannt machen oder nicht.“
Wahrend er das sagte, hatte er O’Mara angesehen. Jetzt bewegten sich seine Augen schnell zu Mannon, dann zu Conway, und schlie?lich wieder zuruck zu O’Mara. „Es hat einen Angriff gegeben, einen vollig erstaunlichen Angriff, weil er auf der ganzen Linie gescheitert ist“, fuhr er fort. „Wir haben keinen einzigen Mann verloren, die feindliche Streitmacht dagegen ist vollkommen vernichtet worden. Anscheinend hatten die keinen blassen Schimmer von taktischer Kriegsfuhrung oder. oder von wer wei? was. Wir hatten einen der ublichen Angriffe erwartet, die allesamt au?erst brutal und ohne Rucksicht auf Verluste gefuhrt worden waren und die wir nur unter Aufbietung aller Krafte zuruckschlagen konnten. Dieser letzte Angriff aber war das reinste Massaker.“
Conway stellte fest, da? Dermods Stimme und der Blick in seinen Augen keinerlei Freude uber den Sieg widerspiegelten.
„. und deshalb haben wir die feindlichen Schiffstrummer schneller als sonst nach Uberlebenden durchsuchen konnen. Denn normalerweise sind wir so mit dem Lecken unser eigenen Wunden beschaftigt, da? keine Zeit fur die Suche nach Uberlebenden bleibt. Wir haben zwar keinen einzigen Uberlebenden gefunden, dafur aber.“
Der Flottenkommandant brach den Satz ab, als zwei Monitore mit einer zugedeckten Tragbahre durch die Innentur der Schleuse kamen. Als Dermod nun fortfuhr, blickte er Conway direkt in die Augen.
„Sie sind ja auf Etla gewesen, Doktor, und werden sofort die darin liegende Bedeutung erkennen“, sagte er. „Und gleichzeitig denken Sie vielleicht auch daran, da? wir von einem Feind angegriffen werden, der samtlichen Verhandlungen oder Verstandigungsversuche ablehnt, einem Feind, der wie von fanatischem Ha? besessen kampft und bis jetzt nur einen begrenzten Krieg gegen uns fuhrt. Aber zuerst sollten Sie sich das hier ansehen.“
Als die Decke von der Tragbahre zuruckgezogen wurde, sagte eine lange Zeit niemand etwas. Auf der Tragbahre lagen die zerfetzten, grausigen Uberreste eines fruher einmal lebendigen, denkenden und fuhlenden Wesens, das man wegen seiner schweren Verstummelungen nicht einmal mehr mit einiger Genauigkeit klassifizieren konnte. Aus den sterblichen Uberresten war jedoch noch zu erkennen, da? dieses Wesen weder jetzt noch fruher einmal ein Mensch gewesen war.
Der Krieg breitet sich immer weiter aus, dachte Conway betrubt.
18. Kapitel
„Seit die Vespasian Etla verlassen hat, haben wir unsere Agenten ins Imperium einzuschleusen versucht“, setzte Dermod seine Ausfuhrungen fort. „Und bislang haben wir acht Gruppen erfolgreich hineingeschmuggelt, davon eine auf dem Hauptplaneten selbst. Unsere Informationen bezuglich der offentlichen Meinung und der sie steuernden Propagandamaschinerie sind recht zuverlassig.
Uns ist bekannt, da? wegen der Etla-Geschichte oder vielmehr wegen der von uns dort angeblich begangenen Greueltaten die Stimmung der Bevolkerung hohe Wellen gegen uns schlagt“, fuhr er fort. „Doch dazu komme ich spater. Denn die jungste Entwicklung, von der ich Ihnen jetzt berichten werde, macht die Sache fur uns noch viel schlimmer.“
Wie Dermod weiterhin erlauterte, hatte die Regierung des Imperiums offentlich verkundet, das Monitorkorps sei auf Etla einmarschiert, und die Planetenbewohner seien unter dem Vorwand medizinischer Hilfeleistung herzlos als Versuchskaninchen fur verschiedenste bakteriologische Waffentests mi?braucht worden. Untruglicher Beweis dafur sei, da? die etlanische Bevolkerung nur wenige Tage nach dem Abflug des Monitorkorps an einer ganzen Reihe verheerender Seuchen litt. Solch ein herzloses und unmenschliches Verhalten durfe auf keinen Fall ungesuhnt bleiben, und der Imperator sei sich sicher, alle Burger des Imperiums stunden wie ein Mann hinter den von ihm getroffenen Entscheidungen.
Den imperialen Quellen zufolge lie?en es die Informationen, die man von einem gefangengenommenen Agenten der Invasoren erhalten hatte, ganz klar zu Tage treten, da? das Verhalten des Monitorkorps auf Etla nicht das einzige Beispiel fur die schamlose Brutalitat dieser Verbrecher sei. Die Invasoren hatten demnach die ganze Sache auf Etla eingeleitet, indem sie erst einmal einen Extraterrestrier auf diesen bedauernswerten Planeten vorgeschickt hatten. Dabei handelte es sich angeblich um ein dummes, harmloses Wesen, das vor der Landung der Invasoren die Verteidigungsanlagen des Planeten testen sollte. Als die Eindringlinge spater mit den Behorden auf Etla Kontakt aufnahmen, stritten sie jede Bekanntschaft oder Verbindung mit diesem Lebewesen ab, das ihnen lediglich als Werkzeug diente. Inzwischen hatte sich herausgestellt, da? die Invasoren von solchen fremdartigen Lebensformen regen Gebrauch machten und diese nicht nur als Diener und Versuchstiere benutzten, sondern wahrscheinlich auch als Nahrung.
Die Invasoren unterhielten ein gewaltiges Gebaude, eine Mischung aus Militarstutzpunkt und Labor, das sie selbst als Orbit Hospital bezeichneten, in dem sie aber selbstverstandlich nichts anderes als ahnliche Greueltaten wie auf dem Planeten Etla verubten. Der Agent der Invasoren, dem man mit List die Raumkoordinaten dieses Stutzpunktes entlockt hatte, hatte namlich die dortigen Vorgange gestanden. Anscheinend herrschten die Invasoren uber eine gro?e Anzahl unterschiedlicher fremdartiger Spezies, und auf diesem Stutzpunkt entwickelten sie die Methoden und Waffen, mit denen sie die Wesen in Sklaverei hielten.