mehr als zwei Bander gleichzeitig gespeichert gehabt. Ich kenne doch Ihre Akten.“

O’Mara zogerte fur einen Moment, dann fuhr er in ernstem Ton fort: „Sie bekommen schlie?lich die aufgezeichneten Erinnerungen eines ETs, der auf seinem Heimatplaneten als hochqualifiziert galt oder immer noch gilt. Dabei handelt es sich zwar nicht um einen Alien, der bewu?t um die Herrschaft uber ihr Gehirn kampft, aber weil seine Erinnerung und Personlichkeit direkt neben Ihrer eigenen eingepragt wird, konnten Sie in Panik geraten, weil sie furchten, da? der Alien die Kontrolle uber Sie zu erlangen versucht. Sie mussen namlich wissen, da? einige der Physiologiebander von au?erst aggressiven Individuen stammen.

Mit den Arzten, die zum erstenmal langfristig mehrere Bander im Kopf speichern, gehen seltsame Dinge vor“, fuhr O’Mara fort. „Sie bekommen Schmerzen und Hautkrankheiten, und manchmal entwickeln sich bei ihnen sogar organische Funktionsstorungen. Naturlich hat das alles rein psychosomatische Ursachen, aber der Betroffene hat dieselben Schmerzen, als wenn er die Krankheiten aus rein korperlichen Grunden bekommen hatte. Diese Storungen konnen jedoch von einer willensstarken Personlichkeit unter Kontrolle gehalten und sogar uberwunden werden. Trotzdem wurde der Verstand nur mit Starke allein mit der Zeit unter dieser Last zerbrechen. Deshalb benotigt man zusatzlich zur Starke auch geistige Flexibilitat und irgend etwas, das sozusagen als mentaler Anker dient, etwas, das jeder selbst finden mu?.

Angenommen, ich stimme Ihrer Idee zu“, schlo? O’Mara abrupt, „wie viele Bander wurden Sie dann brauchen?“

Conway uberschlug die Anzahl schnell im Kopf: Tralthaner, Kelgianer,

Melfaner, Nidianer, die ebenfalls im Hospital gebliebenen bewegungsfahigen Pflanzen, denen er vor seinem Abflug zum Planeten Etla begegnet war, sowie die Wesen, die Mannon zur Zeit des Raketeneinschlags auf seiner Station behandelt hatte. „FGLI, DBLF, ELNT, nidianischer DBDG, AACP und QCQL“, zahlte Conway auf „Also sechs Bander.“

O’Mara pre?te die Lippen zusammen. „Mir wurde es nichts ausmachen, wenn sich ein Diagnostiker diese Bander einspielen lassen wurde. Die sind ja daran gewohnt, ihr Gehirn in sechs und mehr Teile zu spalten“, wandte er ein. „Aber Sie sind doch blo?.“

„Der ranghochste medizinische Offizier des Hospitals“, beendete Conway den Satz lachelnd.

O’Mara machte nur „Hmpf“.

In der Stille konnten sie ein seltsames Aliengebrabbel und Stimmen von Terrestriern horen, die drau?en auf dem Korridor vorbeikamen. Wer auch immer diese Laute hervorgebracht hatte, mu?te sehr laut geschrien haben, denn das Buro des Majors sollte angeblich schalldicht sein.

„Na schon“, sagte O’Mara plotzlich, „Sie konnen es versuchen. Aber ich hab keine Lust, mich in meiner Eigenschaft als Psychologe mit Ihnen zu befassen. Die Wahrscheinlichkeit dafur ist namlich viel gro?er, als Sie zu glauben scheinen. Wir haben viel zuwenig Arzte, um es uns leisten zu konnen, da? Sie sich durch eine Zwangsjacke selbst au?er Gefecht setzen, und deshalb werde ich Ihnen einen Wachhund zuteilen. Wir werden zusatzlich ein GLNO-Band auf Ihre Liste setzen.“

„Prilicla!“

„Ja. Als Empath hatte er es bei den hier vor kurzem uberall ausgestrahlten Emotionen ziemlich schwer, und deshalb mu?te ich ihn unter Beruhigungsmitteln halten. Aber Prilicla ist bestimmt in der Lage, geistig ein Auge auf Sie zu werfen, und kann Ihnen vielleicht behilflich sein. Und jetzt legen Sie sich bitte auf die Couch.“

Conway begab sich zur Couch hinuber, und O’Mara pa?te den Helm an.

Dann sprach der Major sanft auf Conway ein; manchmal stellte er ihm Fragen, manchmal erzahlte er nur. Er sagte, Conway wurde wahrend der Mehrfachubertragung das Bewu?tsein verlieren und zum Erzielen der besten Ergebnisse mindestens vier Stunden lang schlafen — und Schlaf brauchte er ja sowieso. Wahrscheinlich, fuhr O’Mara fort, habe er sich diesen ganzen verruckten Plan uberhaupt nur deshalb ausgedacht, um einen berechtigten Vorwand zum Schlafen zu haben. Vor ihm lage eine gro?e Aufgabe, erzahlte ihm der Psychologe in ruhigem Ton, denn er wurde nicht nur aus sieben Wesen bestehen, sondern au?erdem gleichzeitig auf sieben Stationen sein mussen. Deshalb wurde der Schlaf ihm guttun.

„Schlaf ware jedenfalls nicht allzu schlecht“, antwortete Conway und muhte sich ab, die Augen geoffnet zu halten. „Ich werde auf jeder Station nur so lange bleiben, bis ich ein paar Worter und Redewendungen gelernt hab, die ich dann den Schwestern beibringen kann. Gerade so viel, da? sie den ET-Chirurg verstehen, wenn er „Skalpell“ oder „Zange“ oder „Schwester, horen Sie damit auf, mir dauernd auf die Pelle zu rucken“ sagt.“

Die letzten Worte, die Conway von O’Mara noch deutlich horte, waren: „Behalten Sie Ihren Sinn fur Humor, mein Junge, den werden Sie noch brauchen.“

Conway wachte in einem Raum auf, der zu gro? und zu klein war und ihm auf sieben verschiedene Arten fremd und gleichzeitig vollkommen vertraut vorkam. Er fuhlte sich uberhaupt nicht ausgeruht. An der Zimmerdecke hielt sich ein kleines, riesiges, zerbrechliches, schones, ekelhaftes, insektenartiges Lebewesen mit seinen sechs bleistiftdunnen Beinen fest. Dieses Lebewesen erinnerte ihn an seine schlimmsten Alptraume, namlich an die amphibienartigen Cllels, die er auf dem Grund seines Privatsees zum Fruhstuck zu jagen pflegte. Bei diesem Anblick mu?te Conway aber auch an viele andere Dinge denken, unter anderem an einen vollkommen normalen Cinrussker der Klassifikation GLNO, wie er selbst einer war. Der GLNO an der Decke fing leicht zu zittern an. Das war seine Reaktion auf die Emotionen, die Conway und seine sieben Gefahrten ausstrahlten. Sie alle wu?ten, da? die GLNOs vom Planeten Cinruss Empathen waren.

Nachdem er sich an die Oberflache eines Strudels aus Gedanken, Erinnerungen und Eindrucken von sieben Aliens und einem terrestrischen DBDG gekampft hatte, kam Conway zu dem Schlu?, da? es Zeit ware, sich an die Arbeit zu machen. Prilicla stand sofort fur den ersten Test seiner Idee zur Verfugung. Conway durchsuchte sein Gehirn nach den Erinnerungen und Erfahrungen des GLNOs und rief sie sich dann ins Bewu?tsein. Daraufhin durchforschte er eine Flut von Alienwissen nach Kenntnissen, an die man zwar nicht bewu?t denkt, die man jedoch standig abruft: die der cinrusskischen Sprache.

Nein, nicht die der cinrusskischen Sprache, berichtigte er sich selbst mit Nachdruck, sondern die Kenntnisse seiner eigenen Sprache; er mu?te namlich genauso wie ein GLNO denken, fuhlen und horen. Und allmahlich fing er auch damit an.

Und das war keineswegs angenehm.

Er war jetzt ein Cinrussker, Angehoriger einer zerbrechlichen, insektenartigen Spezies von Empathen, die unter geringer Schwerkraft lebten. Das schone, fein gezeichnete Ektoskelett und der jugendliche, schillernde Glanz auf Priliclas nicht ganz verkummerten Flugeln wu?te Conway erst jetzt richtig zu schatzen, genauso wie die Art, auf der Priliclas Mundwerkzeuge zitterten, weil der Empath Conways plotzliche Verzweiflung mitempfand, ein Empath zu sein. All die in seinem Leben als GLNO gesammelten Erinnerungen und Erfahrungen waren zwar die eines glucklichen und gesunden Empathen, aber Conway war eben kein wirklicher Empath. Er konnte Prilicla zwar sehen, doch die Fahigkeit, durch die der eine GLNO die Gefuhle des anderen teilte, fehlte ihm. Durch die Empathie erhielt jedes Wort, jede Geste und jeder Gesichtsausdruck auf subtile Art Farbe, und deshalb war fur Cinrussker der Aufenthalt in Sichtweite eines anderen Cinrusskers ein ungetrubtes Vergnugen. Conway konnte sich zwar an seine empathischen, sein ganzes Leben lang aufrechterhaltenen Kontakte erinnern, doch kam er sich vor wie ein Taubstummer.

Sein terrestrisches Gehirn besa? keine empathischen Fahigkeiten, und sie wurden ihm auch nicht durch die vom Physiologieband eingespeisten Erinnerungen zuteil.

Prilicla gab eine Folge von schnalzenden und summenden Lauten von sich. Conway hatte sich mit dem GLNO noch nie direkt unterhalten. Ihre Gesprache hatten bisher immer den Ubersetzungsproze? durchlaufen und dabei Satzmelodie und samtliche Emotionen verloren. Trotzdem horte Conway jetzt, wie Prilicla mit einer Stimme voller Sorge und Mitleid „Es tut mir leid“ sagte.

Als Antwort darauf versuchte Conway den weichen Triller und den Schnalzlaut nachzuahmen, aus denen Priliclas Name bestand; denn der Klang des terrestrischen Worts „Prilicla“ stellte lediglich eine schwerfallige Annaherung dar. Beim funften Versuch brachte er erfolgreich eine Lautfolge hervor, die dem angestrebten Klang schon recht nahe kam.

„Das ist sehr gut, Freund Conway“, lobte ihn Prilicla mit Warme. „Ich hatte es nie fur moglich gehalten, da? man Ihre Idee realisieren kann. Konnen Sie mich verstehen?“

Conway suchte nach den benotigten Wortklangen und formte sie behutsam. „Ja“, entgegnete er, „danke schon.“

Dann wagten sich die beiden auch an schwierigere Phrasen heran, namlich an Fachausdrucke zur Vermittlung grober medizinischer und physiologischer Einzelheiten. Manchmal gluckte Conway die Artikulation

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