Denn seine Kehle war durch die Erzeugung von Lauten, fur die sie nie geschaffen worden war, bereits ganz rauh, und daruber hinaus hatte Conway auch noch Hunger.

Allerdings hatten alle sieben fremden Wesen in ihm verschiedene Vorstellungen davon, wie dieser Hunger zu stillen war, und die sich auf geradezu ekelhafte Weise widersprachen. Da die Versorgung des Hospitals mit Speisen und Getranken genauso stark gelitten hatte wie alles andere, gab es keine reiche Auswahl mehr, aus der sich Conway neutrales Essen hatte herauspicken konnen, gegen das keiner der sieben Gaste in seinem Gehirn etwas einzuwenden gehabt hatte oder von dem zumindest keinem seiner Gaste vollig ubel geworden ware. So aber blieb ihm nur die Moglichkeit, die Sandwiches mit geschlossenen Augen zu vertilgen, um nicht zu sehen, womit sie belegt waren, und Wasser mit Traubenzucker zu trinken — denn gegen Wasser hatte keiner seiner Partner etwas einzuwenden.

Nach einer geraumen Zeit funktionierte die Organisation der Aufnahme und Behandlung der Verwundeten auf allen noch nutzbaren Ebenen wieder — sie ging zwar langsam vonstatten, aber immerhin funktionierte sie.

Da die Patienten nunmehr behandelt werden konnten, bestand Conways nachste Aufgabe darin, fur den Weitertransport der standig eintreffenden Verwundeten zu sorgen, die bereits die Zugange zu den Luftschleusen versperrten. Wie ihm berichtet wurde, hatte man zur vorlaufigen Unterbringung der Patienten sogar schon Drucktragbahren an den Au?enwanden verankern mussen.

Aber Prilicla hatte Einwande vorzubringen.

Ein paar Minuten lang versuchte Conway, den Grund dafur herauszufinden. Einer von Priliclas Einwanden lautete, da? Conway zu mude sei, woraufhin Conway konterte, alle im Hospital waren mude, wobei er und Prilicla selbst sicherlich nicht die Ausnahme bildeten. Die restlichen Einwande waren fur Conways Sprachkenntnisse jedoch entweder zu scharfsinnig oder zu schwer zu verstehen. Deshalb lie? Conway sie einfach au?er acht und begab sich zur nachsten Schleuse.

Drau?en herrschten ahnliche Probleme wie im Innern des Hospitals. Der gro?te Nachteil war, da? Conways Anzugfunk die Ubersetzung erheblich erschwerte. Aber dafur konnte er sich hier sehr viel schneller bewegen; denn die Traktorstrahlentechniker, die die um das Hospital treibenden Trummer und Wrackteile beseitigten, beforderten ihn und seine sieben Gehirnpartner in Sekundenschnelle von einem Punkt zum anderen.

Allerdings mu?te er bald feststellen, da? der melfanische Teil seines Gehirns, der schon von der Schwerelosigkeit im Hospital au?erst beunruhigt war, drau?en im All erst recht furchtbare Angst bekam. Denn bei dem melfanischen ELNT, von dem das Physiologieband stammte, handelte es sich um eine amphibienartige, krabbenahnliche Lebensform, die in erster Linie unter Wasser lebte und uberhaupt keine Erfahrung mit dem Aufenthalt im freien Raum hatte. Conway mu?te aber nicht nur gegen die Panik ankampfen, die von seinem ganzen achtteiligen Gehirn Besitz zu ergreifen drohte, sondern auch gegen die Angst, die er und seine sieben Partner vor der drau?en tobenden Schlacht empfanden.

O’Mara hatte ihm zwar erzahlt, da? der Angriff schwacher geworden sei, aber Conway konnte sich nichts Grausameres vorstellen als das, was er hier zu sehen bekam.

Die gegnerischen Schiffe setzten keine Raketen gegeneinander ein — dazu lagen Angreifer und Verteidiger in einem schier unentwirrbaren Knauel viel zu dicht beieinander. Ihre Konturen zeichneten sich wie kleine, schnell dahinschie?ende Spielzeugmodelle so scharf ab, da? Conway glaubte, nur die Hand ausstrecken zu mussen, um sich eins der Schiffe zu schnappen; dabei fuhrten sie einen wilden, chaotischen Tanz auf. Einzeln oder in Gruppen machten sie einen Ausfall, wirbelten herum, fuhrten verzweifelte Ausweichmanover durch, brachen aus der Formation aus, formierten sich neu und gingen wieder zum Angriff uber. Es war ein nicht enden wollendes, erbittertes und beinahe hypnotisierendes Schauspiel, das naturlich ohne die geringsten Gerausche ablief. Alle abgeschossenen Raketen waren auf das Hospital gerichtet, ein Ziel, das zum Verfehlen viel zu gro? war, und die Einschlage waren im Raum eher zu spuren als zu horen.

Zwischen den Schiffen stie?en Traktor- und Pressorstrahlen wie massive, unsichtbare Finger hervor und brachten das als Ziel dienende Schiff zum Stillstand oder lenkten es von seiner Flugbahn ab, um einen Pulsatorstrahl darauf richten zu konnen. Manchmal flogen drei oder mehr Schiffe auf ein einziges Ziel zu und zerrissen es mit ihren Pulsatorstrahlen innerhalb weniger Sekunden. Hin und wieder zerstorte ein gut gezielter Pulsatorstrahl das kunstliche Gravitationssystem Sekundenbruchteile bevor die Steuerung des Schiffsantriebs au?er Kraft gesetzt wurde. Dann wurde die Besatzung von der hohen Beschleunigung an die Wande geklatscht,

wahrend das Schiff selbst trudelnd und hilflos durch das Kampfgebiet scho?, bis jemand einen zweiten Pulsatorstrahl darauf richtete oder es von einem Traktorstrahlentechniker an der Au?enwand des Orbit Hospitals zur Suche nach Uberlebenden zur Station gezogen wurde.

Denn das Schiffswrack konnte man gebrauchen, ob es nun Uberlebende an Bord gab oder nicht.

Die ehemals glatte und glanzende Au?enwand des Orbit Hospitals war inzwischen nur noch eine Masse aus tiefen, gezackten Kratern und eingedellter Metallverkleidung. Da einige Raketen oder Torpedos zweioder sogar dreimal an derselben Stelle einschlugen — auf diese Weise war schon der Ubersetzungscomputer zerstort worden —, wurden die Krater provisorisch mit Wrackteilen verstopft, damit die Raketen nicht tiefer im Innern des Hospitals explodieren konnten. Bei der Auswahl der zu diesem Zweck verwendeten Trummer waren die Traktorstrahlentechniker nicht wahlerisch.

Conway stand gerade auf dem Sockel eines Traktorstrahlenprojektors, als eins der Schiffswracks herangezogen wurde. Er beobachtete, wie das Rettungsteam aus dem Schutz der Luftschleuse herausgeschossen kam, das Wrack vorsichtig umkreiste und schlie?lich an Bord ging. Ungefahr zehn Minuten spater kam das Team wieder aus dem Wrack heraus und zog. irgend etwas hinter sich her.

„Doktor“, sagte der fur diesen Abschnitt verantwortliche Offizier, „ich glaube, ich hab Mist gebaut. Meine Manner sagen, das Wesen, das sie aus dem Wrack gezogen haben, ware ihnen vollkommen unbekannt. Sie sollten mal einen Blick darauf werfen. Tut mir leid, aber ein Wrack ist wie das andere. Ich glaube nicht, da? es eins von unseren ist.“

In sieben Teilen von Conways Gehirn befanden sich Personlichkeiten, deren Erinnerungen keinerlei Informationen uber Krieg enthielten, und sie glaubten auch nicht, da? das etwas ausmachte. Conway war mit seinem Abscheu gegen diesen Krieg und seiner Meinung in der Minderheit, obwohl er auch nicht glaubte, da? der Mangel an Informationen uber Krieg eine Rolle spielte. Allerdings wu?te er, da? weder der Sergeant noch er selbst Zeit fur eine moralische Debatte hatten. Conway warf einen kurzen Blick auf das Lebewesen und sagte dann: „Bringen Sie den Alien herein. Ebene zweiundvierzig, Station sieben.“

Seit der Speicherung der Bander war Conway gezwungen gewesen, hilflos mit ansehen zu mussen, wie Patienten von muden und abgespannten Wesen operiert wurden, die zwar die besten Absichten, nicht aber die notwendigen Fahigkeiten besa?en — obwohl der Zustand der Verwundeten wenigstens einen voll qualifizierten Chefarzt fur die Operation erfordert hatte. Diese Wesen hatten ihre Arbeit so gut sie konnten erledigt, weil sonst niemand da war. Haufig hatte Conway eingreifen wollen, sich dann aber selbst vor Augen gehalten, da? er schlie?lich an das gro?e Ganze denken mu?te — auch Prilicla und die Gefolgsleute in seinem Kopf hatten ihn unentwegt daran erinnert. Denn zu jenem Zeitpunkt war die Neuorganisierung des Hospitals noch viel wichtiger als irgendein Patient gewesen. Doch jetzt merkte Conway, da? seine Funktion als Organisator an Bedeutung verlor und er wieder als Arzt fungieren konnte.

Der aus dem Wrack geborgene Verwundete gehorte einer dem Orbit Hospital unbekannten Spezies an. O’Mara besa? bestimmt kein Band mit Informationen uber die Physiologie des Verletzten, und da die Translatoren ausgefallen waren, wurde der Patient zu keiner Zusammenarbeit in der Lage sein, selbst wenn er das Bewu?tsein wiedererlangte. Conway mu?te sich einfach dieses Patienten annehmen, und nichts und niemand wurde ihn davon abbringen.

Station sieben lag neben der Abteilung, in der ein kelgianischer Militararzt und Schwester Murchison an einer bunten Mischung aus FGLIs, QCQLs und terrestrischen Patienten wahre Wunder vollbracht hatten. Deshalb bat Conway beide um ihre Mithilfe. Er klassifizierte den Neuankommling als TRLH, wobei ihm die Tatsache half, da? der Raumanzug des Patienten sowohl transparent als auch elastisch war. Ware der Anzug nicht so elastisch gewesen, hatte das Wesen zwar weniger schwere Verletzungen davongetragen, doch ware er bestimmt zerplatzt, wenn er nicht der auf ihn einwirkenden Kraft nachgegeben hatte.

Conway bohrte ein kleines Loch in den Anzug, entnahm eine Probe der Innenatmosphare und versiegelte ihn wieder. Dann steckte er die Probe in den Analysator.

„Und ich hab immer gedacht, die Atmosphare der QCQLs ware schon schlimm“, sagte Murchison, als ihr Conway das Ergebnis zeigte. „Aber immerhin konnen wir sie reproduzieren. Ich nehme an, ich soll einen

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