Atmosphareaustausch vornehmen, richtig?“

„Ja, bitte“, antwortete Conway.

Sie stiegen in ihre Operationsanzuge, die aus dem ublichen leichten Stoff bestanden. Nur die Arme und Hande steckten in dunnen, enganliegenden Gummihullen, die wie eine zweite Haut anlagen. Die Luft auf der Station wurde durch die Atmosphare des Patienten ersetzt, und Conway schnitt zusammen mit Murchison und dem Kelgianer den Anzug des Verwundeten auf.

Der TRLH hatte einen dunnen Panzer, der den Rucken bedeckte und sich erst nach unten und dann zum Schutz des mittleren Bereichs der Korperunterseite nach innen wolbte. An den unbedeckten Abschnitten befanden sich vier dicke Beine mit je einem Gelenk, sowie ein gro?er, jedoch nur mit einer dunnen Schadeldecke versehener Kopf. An diesem Kopf sa?en vier Greiforgane, zwei zur Zeit tiefliegende, sonst aber ausstreckbare Augen und zwei Mundoffnungen. Aus einer dieser Mundoffnungen lief Blut. Das Lebewesen mu?te gegen mehrere vorstehende Metallteile geschleudert worden sein, denn sein Panzer war an sechs Stellen gebrochen und an einer davon fast vollig zertrummert, wobei die Bruchstucke stark eingedruckt waren. An dieser Stelle verlor der Patient viel Blut. Conway erfa?te die inneren Verletzungen mit dem Rontgenscanner und signalisierte ein paar Minuten spater, da? er bereit war anzufangen.

Eigentlich war er gar nicht bereit, aber andernfalls ware der Patient verblutet.

Die Anordnung der inneren Organe unterschied sich von allem, was Conway bisher kennengelernt hatte, und auch von allem, das seine sieben Gehirnteilhaber aus ihrer Erfahrung kannten. Vom QCQL erhielt Conway jedoch Hinweise, die Ruckschlusse auf den Metabolismus zulie?en, da der QCQL selbst ein Wesen war, das solch eine hochkorrosive Atmosphare atmete. Der Melfaner gab ihm Informationen uber die moglichen Untersuchungsmethoden des beschadigten Panzers. Und der FGLI, der DBLF, der GLNO und der AACP steuerten ihre Erfahrungen bei. Diese waren allerdings nicht immer hilfreich — zu Beginn einer jeden neuen Operationsphase schrien sie ihm buchstablich die Warnung zu, blo? vorsichtig zu sein, und zwar so laut, da? Conway sekundenlang mit zitternden Handen dastand und unfahig war weiterzuarbeiten. Er bohrte jetzt tief in den gespeicherten Erinnerungen seiner sieben Gaste herum, denn bisher hatte er ja nur nach Sprachkenntnissen gesucht, doch nun sprudelte alles auf einmal hervor.

Die personlichen Alptraume und Neurosen der Individuen, die ausgelost wurden, weil sie mit den im Gehirn benachbarten gleichartigen Alptraumen der anderen Aliens so unentwirrbar vermischt waren. Sie alle steigerten sich und wurden von Minute zu Minute schlimmer. Schlie?lich besa?en die Wesen, von denen die Bander stammten, uberhaupt keine Erfahrungen mit Hospitalen fur ETs und waren an Standpunkte anderer Aliens nicht gewohnt. Es ware am einfachsten, sagte sich Conway, sich standig vor Augen zu halten, da? diese Wesen keine einzelnen Personlichkeiten, sondern lediglich eine Ansammlung verschiedenster Alienkenntnisse darstellten. Aber er war entsetzlich mude und benommen und verlor langsam die Kontrolle uber die sich in seinem Kopf abspielenden Vorgange, und stetig quollen die Erinnerungen in einem dunklen, angeschwollenen Strom hervor, belanglose, unanstandige und intime Erinnerungen, die sich hauptsachlich um Sex drehten — und der war nun bei Aliens wahrhaftig fremdartig, und zwar so fremdartig, da? Conway am liebsten geschrien hatte. Er merkte auf einmal, da? er sich nach vorn gebeugt hatte und schwitzte, als wurde er ein gro?es Gewicht auf dem Rucken tragen.

Er spurte, wie Murchison seinen Arm packte. „Was ist los, Doktor?“ fragte sie besorgt. „Kann ich Ihnen helfen?“

Conway schuttelte nur den Kopf, weil er eine Sekunde lang nicht wu?te, wie er in seiner eigenen Sprache Worter bilden sollte. Er blickte Murchison ganze zehn Sekunden lang an, und als er sich wieder dem Patienten zuwandte, hatte er ein Bild von ihr vor Augen, wie er sie sah, und nicht wie sie ein Tralthaner, Melfaner oder Kelgianer wahrnahm. Die Besorgnis in Murchisons Augen hatte nur ihm allein gegolten. Manchmal hatte Conway seine eigenen intimen Gedanken uber Murchison gehabt, aber es waren immer fur ihn normale, menschliche Gedanken gewesen. Jetzt klammerte er sich fest daran, und eine Zeitlang hatte er sich wieder unter Kontrolle — jedenfalls lange genug, um die Operation des Patienten abzuschlie?en.

Gleich darauf spaltete sich sein Gehirn plotzlich wieder in sieben Teile auf, und Conway fiel in die tiefsten und dunkelsten Abgrunde von sieben verschiedenen Hollen. Er spurte nicht, da? sich seine Glieder versteiften, beugten oder verdrehten, als hatte irgend etwas Fremdes von jedem einzelnen seiner Glieder gesondert Besitz ergriffen. Er merkte auch nicht, da? ihn Murchison nach drau?en schleppte und festhielt, wahrend der so zerbrechliche Prilicla unter Einsatz seines Lebens ihm eine Spritze injizierte, die ihn bewu?tlos werden lie?.

22. Kapitel

Durch das Summen des Kommunikators wachte Conway in der angenehmen, vertrauten, raumlich beengten Umgebung seines eigenen Zimmers schlagartig auf, ohne dabei allerdings verwirrt zu sein. Er fuhlte sich ausgeruht und wach und hatte Lust auf ein reichhaltiges Fruhstuck. An der Hand, mit der er die Decke zuruckschlug, sa?en funf rosafarbene Finger, und genauso fuhlte sie sich auch an. Doch dann bemerkte er eine gewisse Fremdheit, und er hielt einen Moment lang inne. Es war uberall so ungewohnlich ruhig…

„Um Ihnen gleich die ublichen Fragen wie „Wo bin ich?“, „Wie spat ist es?“ oder „Was ist passiert?“ zu ersparen“, sagte O’Maras Stimme mude, „Sie sind zwei Tage lang bewu?tlos gewesen. Wahrend dieser Zeit, gestern fruh, um genau zu sein, sind die Kampfhandlungen eingestellt und bis jetzt auch noch nicht wiederaufgenommen worden. Ich hab in der Zwischenzeit ubrigens eine Menge Arbeit in Sie investiert. Zu Ihrem eigenen Besten hab ich Sie einer Hypnosebehandlung unterzogen, damit Sie alles vergessen, deshalb werden Sie mir leider auch nicht fur das, was ich fur Sie getan hab, auf immer und ewig dankbar sein. Wie fuhlen Sie sich jetzt?“

„Ausgezeichnet“, antwortete Conway begeistert. „Ich spure gar kein, ich meine, ich scheine in meinem Kopf plotzlich wieder eine Menge Platz zu haben.“

O’Mara grunzte. „Die naheliegende Antwort darauf ware, da? Ihr Kopf ja auch ansonsten leer ist, aber das sage ich naturlich lieber nicht.“

Trotz des Versuchs, seine ubliche trockene, suffisante Art beizubehalten, klang der Chefpsychologe furchtbar erschopft — selbst seine sonst deutliche Artikulation litt unter seiner Mudigkeit. Doch wie Conway wu?te, war O’Mara nicht der Typ, der freiwillig mude wurde — wenn er sich lange und hart genug rannahm, unterlag er allenfalls einer gewissen geistigen Erschopfung.

„Der Flottenkommandant will sich mit uns in vier Stunden zu einer Besprechung treffen“, fuhr O’Mara fort. „Also lassen Sie sich bis dahin nicht auf irgendwelche neuen Falle ein. Es lauft jetzt sowieso alles ziemlich reibungslos ab, deshalb konnen Sie es sich ruhig leisten, eine Zeitlang zu faulenzen. Ich selbst werde mich jetzt schlafen legen. Ende.“

Doch Conway empfand es als au?erst schwierig, vier Stunden mit Nichtstun zu verbringen. Die Hauptkantine war von Monitoren vollig uberfullt. Dabei handelte es sich in erster Linie um Mitglieder der Projektormannschaften, die zur Verteidigung der Au?enwand des Orbit Hospitals eingesetzt wurden, und der Ersatzcrews fur die Verteidigungsschiffe, sowie um Wartungstechniker und Angehorige der Sanitatsdivisionen, die das zivile medizinische Personal erganzten. Die Unterhaltung war laut, nervos und ein wenig zu ausgelassen und drehte sich um die vergangenen und moglichen zukunftigen Aspekte des Angriffs.

Anscheinend war die Streitmacht des Monitorkorps praktisch bis an die Au?enwand des Hospitals zuruckgedrangt worden, als eine ET-Streitmacht von freiwilligen Illensanern direkt hinter den feindlichen Angriffslinien aus dem Hyperraum aufgetaucht war. Die illensanischen Schiffe waren riesig und wirkten aufgrund ihrer unformigen Konstruktion wie Gro?kampfschiffe, obwohl sie nur die Bewaffnung eines leichten Kreuzers besa?en. Und der Anblick von zehn dieser aus dem Nichts herausspringenden Schiffe hatte den Feind vollkommen aus dem Konzept gebracht. Die Streitmacht des Angreifers hatte sich zur Neuformierung vorubergehend zuruckgezogen, und die Monitore, die nichts mehr besa?en, was sie hatten neu formieren konnen, konzentrierten sich auf die Verstarkung der Bewaffnung ihrer letzten Verteidigungslinie, dem Hospital selbst. Obwohl Conway die Geschichte im selben Ma?e wie alle anderen im Raum anging, verspurte er eine Abneigung dagegen, sich an diesen frohlich-makaberen Gesprachen zu beteiligen.

Seit O’Mara samtliche Physiologiebander aus seinem Kopf geloscht und ihn anschlie?end einer Hypnosebehandlung unterzogen hatte, waren alle Alptraume und samtliche von Conway erlangten ET-

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